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Grundwissen EMV – einfach erklärt! – Messen + Testen

Grundwissen EMV – einfach erklärt! – Messen + Testen

Bei der EMV geht es darum, elektronische Produkte und Systeme so zu konzipieren, dass die Emission elektromagnetischer Strahlung minimiert wird und sie gegen Störungen durch elektromagnetische Felder aus anderen Quellen unempfindlich sind. So hört und liest man es immer – aber ist das wirklich so?

Ja und nein, es kommt auf die Betrachtungsweise an. Und es ist nur die halbe Wahrheit. Behörden setzen hauptsächlich auf die Störemission, um dem Funkschutz gerecht zu werden. Normen betrachten die Schnittstellen. Es geht um standardisierte Verfahren, mit denen sowohl die Störemission als auch die Störfestigkeit des Gerätes überprüft werden. Doch wie sieht es innerhalb des Gerätes aus, schließlich wissen wir aus der Medizin: Symptombekämpfung ist nicht die Lösung des ursächlichen Problems.

In diesem Beitrag soll aufgezeigt werden, wo und wie Ursachen für „EMV-Probleme“ entstehen und welche Maßnahmen getroffen werden können.

EMV-Ursachen

Wenn ein elektrischer Strom durch einen Draht fließt, entsteht um den Draht herum ein magnetisches Feld. Dieses breitet sich aus und bildet ein Magnetfeld, das typischerweise konzentrisch um den Draht verläuft. Die Stärke des magnetischen Feldes hängt von der Stromstärke im Draht ab. Wenn sich die Stromstärke im Draht ändert, ändert sich auch das magnetische Feld um den Draht herum. Das liegt daran, dass sich die Bewegung der Ladungsträger (typischerweise Elektronen) im Draht ändert, wenn sich die Stromstärke ändert. Diese Änderung im magnetischen Feld induziert ein elektrisches Feld gemäß den Maxwell-Gleichungen. Die resultierende elektromagnetische Abstrahlung erfolgt, wenn sich diese sich ändernden elektrischen und magnetischen Felder im Raum ausbreiten. In einem typischen Stromkreis mit Wechselstrom ändert sich die Richtung des Stroms periodisch, was zu einer periodischen Änderung des magnetischen Feldes und somit zu einer periodischen Erzeugung von elektromagnetischen Wellen führt. Diese elektromagnetischen Wellen können sich durch den Raum ausbreiten und andere elektrische oder elektronische Stromkreise beeinflussen.

Dieser Mechanismus, auch elektromagnetische Kopplung genannt, tritt auf einer Leiterplatte zwischen integrierten Schaltungen (ICs) und Leiterbahnen aufgrund verschiedener Effekte auf:

1.       Stromfluss in den Leiterbahnen: Wenn elektrische Signale durch die Leiterbahnen fließen, erzeugen sie magnetische Felder um die Leiterbahnen herum. Das geschieht, wenn Signale zwischen den ICs und anderen Komponenten der Leiterplatte übertragen werden.

2.       Signalwechsel und Schaltvorgänge in den ICs: Innerhalb der integrierten Schaltungen finden ständig Schaltvorgänge statt, wenn digitale Signale verarbeitet werden. Diese Schaltvorgänge erzeugen sich ändernde elektrische Felder innerhalb der ICs, die wiederum zu sich ändernden magnetischen Feldern führen.

3.       Signalreflexionen und Impedanzanpassung: Signalreflexionen können auftreten, wenn ein Signal auf die Grenze zwischen verschiedenen Materialien mit unterschiedlichen Impedanzen trifft. Diese Reflexionen können zu einem Hin- und Herbewegen von Signalen entlang der Leiterbahnen führen, was wiederum zu einer erhöhten elektromagnetischen Abstrahlung führen kann.

4.       Kapazitive und induktive Kopplung: Auf einer Leiterplatte können kapazitive und induktive Kopplungseffekte auftreten, bei denen sich elektrische oder magnetische Felder zwischen den Leiterbahnen und den ICs überlagern. Das kann dazu führen, dass sich Störungen zwischen den verschiedenen Signalen ausbreiten.

So wie oben beschrieben, „wandert“ die elektromagnetische Energie, d. h. die Störung, von der Quelle zu den Schnittstellen eines Gerätes und von dort über Öffnungen in Gehäusen und Kabelanschlüssen in die „Umwelt“.

Auf dem Weg von der Störquelle, beispielsweise einem Ethernet-Controller, zur Störsenke, z. B. einem Ethernet-Kabel, kann das Störsignal verschiedene Probleme erzeugen:

1.       Kopplung der Störung in benachbarte Stromkreise auf der elektronischen Baugruppe und Erzeugung von Signalintegritätsproblemen und damit Störungen, sporadische Ausfälle von Funktionen.

2.       Abstrahlung der Störung als Gegentakt-Störsignal (Differential Mode – DM) von der Störquelle und Auskopplung als Gleichtakt-Störsignal (Common Mode – CM) über Gehäuseöffnungen.

3.       Abstrahlung des Störsignals über das Ethernet-Kabel als elektromagnetische Welle (Funkstörung).

4.       Erzeugung von leitungsgeführter Störemission auf dem Ethernet-Kabel und Beeinflussung des Ethernet-Signals, was zu einer hohen Bitfehlerrate (Bit Error Rate – BER) führen kann.

Im EMV-Umfeld werden die Begriffe „Störemission“ und „Immunität“ häufig verwendet, um zwei verschiedene Aspekte zu beschreiben, die jedoch auf ähnliche Weise mit elektromagnetischen Phänomenen zusammenhängen. Eine Reduzierung der Störemission eines Geräts kann seine Immunität gegenüber externen Störungen erhöhen, und eine Verbesserung der Immunität kann gleichzeitig die Auswirkungen der Störemission auf andere Geräte verringern, denn die Koppelmechanismen, d. h. die Koppelpfade, wie sie oben beschrieben wurden, sind bidirektional, funktionieren also in beide Richtungen.

Somit gelten in erster Linie zwei Aspekte, die das Thema EMV auf den Punkt bringen:

1.       Reduzierung der Abstrahlung der primären Störquelle

2.       Reduzierung der potenziellen Koppelpfade

Diese Maßnahmen sind nicht dazu da, um EMV-Normen zu erfüllen, sondern um die Qualität eines elektronischen Produkts deutlich zu erhöhen, eine Qualität, die der Benutzer leider nicht auf den ersten Blick erkennen kann, wie einen Apfel, der innen faul ist.

 Benutzeroberfläche des Nennstromrechners bei Eingabe der Abmessungen gemäß IEC62024-2 Klasse A 5 mm
Bild 1. Benutzeroberfläche des Nennstrom-rechners bei Eingabe der Abmessungen gemäß IEC62024-2 Klasse A 5 mm.

Unkontrollierte elektromagnetische Interferenz

Bild 1 zeigt den oben beschriebenen Koppelmechanismus einer Störung über die elektronische Baugruppe bis zur Abstrahlung über ein Ethernet-Kabel.

Ausgehend von der Stromschleife zwischen IC1 und IC2, dem Rückweg über Masse (GND), wird ein elektromagnetisches Feld abgestrahlt, das

–         in den Schnittstellenbereich der Baugruppe einkoppelt und dort auch über die Schnittstellenfilter in die Leiter der Schnittstellenkabel einkoppelt und über das Kabel zu einer Störabstrahlung führt. Wegen der nur begrenzten Schirmdämpfung des Kabelschirmes kommt es über das Kabel zur sogenannten Gleichtakt-Abstrahlung.

–         in benachbarte Leiterbahnen einkoppelt und in diese einen Störstrom induziert, der je nach Nutzsignaltyp zu unterschiedlichen Störungen führt.

–         als elektromagnetisches Feld über Schlitze, Nähte, Belüftungsgitter u. a. abgestrahlt wird. 

Die Art der elektromagnetischen Abstrahlung, die in Bild 1 veranschaulicht wird, ist eine Variante der Abstrahlung, die von elektronischen Schaltkreisen ausgeht. Andere Ursachen sind:

–         Fehlanpassung bei impedanzbestimmten Leitungen

–         Unsymmetrie bei symmetrischen Signalpaaren

–         Schlechte, z. B. unterbrochene Referenzmasse

Eine weitere, hier nicht dargestellte Möglichkeit der Abstrahlung von elektronischen Schaltkreisen ist die sogenannte CM-Abstrahlung, die darauf basiert, dass auf verschiedenen Leiterbahnen (z. B. einem differenziellen USB-Leitungspaar) Störungen in gleicher Amplitude und Phase sind, deren Bezugspotenzial die Masselage (GND) ist. Letztendlich bildet der Stromkreis wiederum eine Schleife, die zu Koppelmechanismen führt, wie oben beschrieben.

Verbesserung der Signalintegrität und der EMV

Zur Verbesserung der Signalintegrität und der EMV und somit zur Vermeidung der beschriebenen Probleme in elektronischen Geräten können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Hier sind einige gängige Ansätze:

1. Layout-Design:

Ein sorgfältiges Layout-Design ist entscheidend, um die Signalintegrität zu gewährleisten und elektromagnetische Interferenzen zu minimieren. Das umfasst die Minimierung von Signalpfaden, die Vermeidung von Fehlanpassungen, die Platzierung von Komponenten mit ausreichendem Abstand zueinander und die Verwendung von Erdungs- und Masseflächen (1). Eine Übersicht zeigt Bild 2.

Datenblatt-Nennstrom (links) und benutzerdefinierter Nennstromwert (rechts) basierend auf den in die Benutzeroberfläche eingegebenen Abmessungen
Bild 2. Datenblatt-Nennstrom (links) und benutzerdefinierter Nennstromwert (rechts) basierend auf den in die Benutzeroberfläche eingegebenen Abmessungen.

Die Baugruppe in Bild 2 ist ein GB-Ethernet-Front-End mit „Power Over Ethernet“. Der Ethernet-Anschluss (a) erfolgt über eine Buchse mit integriertem Interface (c), das Übertrager, Anpassungsnetzwerke und CM-Drosseln enthält. Dieses geschirmte Modul zusammen mit den Boardbefestigungen (h) sind die Basis für eine Massereferenz und einen niederimpedanten Anschluss zu einem Blechgehäuse. Zusätzlich kann für den Einbau in ein Kunststoffgehäuse das Gehäusemasse/PCB-Massesystem über Bestückungsplätze (g, h) individuell gestaltet werden. Die vier Ethernet-Kanäle sind als symmetrische Leiterpaare geführt (e), in die die TVS-Dioden (d) unmittelbar in den Signalpfad eingeschleift sind. Alle symmetrischen Leitungspaare sind hinsichtlich Zeitversatz (Skew) in ihrer Länge und hinsichtlich Systemimpedanz (100 W symmetrisch) abgeglichen. Eine impedanzkorrigierte Schirmung der Leitungspaare links- und rechtsseitig mit einer Massefläche verringert parasitäre Kopplungen (h).

2. Entkopplungskondensatoren und Vcc/Vdd-Filter:

Entkopplungskondensatoren und Filter zur IC-Stromversorgung werden unmittelbar in der Nähe von Stromversorgungsanschlüssen der ICs platziert, um hochfrequente Störungen abzublocken. Sie helfen nicht nur dabei, Spannungsschwankungen zu reduzieren und eine stabile Stromversorgung sicherzustellen, sondern blocken die vom IC ausgehenden Störungen ab. Dabei ist die Auswahl der passenden Filterbauteile essenziell (2). Bild 3 verdeutlicht die Situation.

Temperaturanstiegsdiagramm basierend auf den in die Benutzeroberfläche eingegebenen
Bild 3. Temperaturanstiegsdiagramm basierend auf den in die Benutzeroberfläche eingegebenen.

In der Schaltung links in Bild 3 ist zu sehen, dass der p-Filter, bestehend aus C25, dem SMD-Ferrit L3 und den Kondensatoren in der Spannungsversorgung eine Dämpfung im System von bis zu 28 dB bewirkt. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Dämpfung in beide Richtungen wirkt; rechts in Bild 3 ist dieser Fall verdeutlicht. Das Störpotenzial auf der Stromversorgungsseite im Frequenzbereich über ca. 300 MHz wird zum Verstärker IC3 um ca. 10–15 dB gedämpft, das Störpotenzial, das auf der Verstärkerseite im Bereich bis zu 300 MHz generiert wird, dämpft der Filter um bis zu 20 dB in Richtung Stromversorgungsseite.

3. Filterung an Schnittstellen, Erdung und Masseführung:

Die Verwendung von Filtern wie Tief- und gegebenenfalls Bandpässen mit Transientenschutz trägt dazu bei, unerwünschte Frequenzen zu entfernen oder zu dämpfen und hochfrequente Störungen und transiente Überspannungen von der geräteinternen Elektronik fernzuhalten. Bild 4 zeigt ein Beispiel eines Filterkonzepts an Schnittstellen.

Vergleich der Eigenerwärmung des WE-LHMI 744 373 460 68 auf verschiedenen IEC 62024-2- Leiterplatten und des berechneten Stroms für einen Temperaturanstieg von 40 K unter Verwendung des Nennstromrechners (Datenpunkte)
Bild 4. Vergleich der Eigenerwärmung des WE-LHMI 744 373 460 68 auf verschiedenen IEC 62024-2- Leiterplatten und des berechneten Stroms für einen Temperaturanstieg von 40 K unter Verwendung des Nennstromrechners (Datenpunkte).

Der p-Filter hat am Eingang einen Varistor zur Begrenzung von transienten Überspannungen. Die Bezugsmasse für den Überspannungsableiter muss das Störpotenzial sein, d. h. das Gehäuseblech und darüber die Kapazität zum Gehäuseboden. In Bild 4 ist dargestellt, welche Wirkung eine parasitäre Induktivität in der Zuleitung zum Varistor hat. Bereits 10 nH parasitäre Induktivität erhöhen die Klemmspannung um 100 V, wenn beispielsweise ein ESD-Impuls mit einem Strom von nur 10 A zugrunde gelegt wird. Controller-seitig müssen Filter- und ggf. zusätzliche spannungsbegrenzende Bauelemente zum GND-Bezug des Controllers angeschlossen werden! SGND und GND sind an geeigneten Stellen im Layout über 0-Ohm-Widerstände, SMD-Ferrite oder Kondensatoren miteinander verbunden. Zur weiteren Erklärung der Wirksamkeit des Massekonzepts sei auf das Referenzdesign RD016 (3) verwiesen.

4. Schirmung:

Die Verwendung von Schirmen oder Abschirmungen um empfindliche Bauteile oder Leiterbahnen kann dazu beitragen, elektromagnetische Strahlung einzudämmen und Störungen zu reduzieren (Bild 2 h). Jedoch ist das Gesamtkonzept des Gehäuses, bestehend aus einer möglichst spalt- und öffnungsarmen Umhüllung aus Metall, das Entscheidende. Eine möglichst hohe Schirmdämpfung des Gehäuses garantiert im Allgemeinen auch einen HF-gerechten Massebezug für die Schnittstellenfilter und die angeschlossenen geschirmten Peripheriekabel (Bild 5).

Bild 5: Darstellung der wesentlichen EMV-Aufgaben eines Gehäuses
Bild 5: Darstellung der wesentlichen EMV-Aufgaben eines Gehäuses

Nur ein beidseitig an Masse angeschlossener Kabelschirm (a, b) schirmt auch gegen magnetische Felder. Hierzu ist es notwendig, dass der Steckverbinder (c) rundum kontaktierend und niederimpedant am Gehäuse kontaktiert (d). Zusätzliche niederimpedante galvanische Verbindungen können über Kontaktierungen der Baugruppe im Filterbereich realisiert werden (e, f). Dadurch werden sowohl die Schirmeigenschaften der Peripheriekabel deutlich besser, des Weiteren bekommen TVS-Dioden, SMD-Varistoren und Kondensatoren von Filtern einen „besseren“ Massebezug (g). Eine niederimpedante Verbindung der GND-Bezugslage (f) reduziert die CM-Störungen auf der GND-Bezugsmasse und verbessert die Signalintegrität der gesamten Schaltung.

Ganzheitliche Betrachtung der Signalintegrität und der EMV

Es ist ein ganzheitlicher Ansatz der oben aufgezeigten Maßnahmen zur Signalintegrität und EMV-Gestaltung erforderlich, um eine optimale Leistung und Zuverlässigkeit elektronischer Baugruppen sicherzustellen. Die Auswahl der richtigen Komponenten, eine sorgfältige Layoutgestaltung, Impedanzkontrolle, richtige Gestaltung von Signal- und Stromschleifen sowie Minimierung von Signalreflexionen sind von essenzieller Bedeutung. Eine ordnungsgemäße Umsetzung von Massekonzepten ist entscheidend für eine Vermeidung von Masseschleifen und die Minimierung von parasitären Impedanzen, die die Wirksamkeit von Filtern und Kabelschirmen reduziert. Nur ein Zusammenspiel der oben genannten Maßnahmen sorgt für ein Gerätedesign, bei dem sowohl die Signalintegrität und als auch die EMV passen. 

Referenzen:

(1) Zenkner, H.: GB PoE+-Ethernet-USB-Adapter für industriellen Einsatz unter EMV-Gesichtspunkten, Referenzdesign RD022 von Würth Elektronik, www.we-online.de/RD022

(2) Zenkner, H.: Induktive SMT Bauteile im Vergleich – der Draht macht den Unterschied. Application Note ANP129 von Würth Elektronik, www.we-online.de/ANP129

(3) Zenkner, H.: Referenz-Design Gigabit-Ethernet Front-End. Referenzdesign RD016 von Würth Elektronik, www.we-online.de/RD016


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