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US-Wahlkampf geht in die heiße Phase – POLITICO

US-Wahlkampf geht in die heiße Phase – POLITICO

US-Politik für Sie entschlüsselt. Jeden Tag in Ihrem Postfach.

von Jakob Hanke Vela

Mit Carlotta Diederich

— DOG DAYS ARE OVER: Der US-Wahlkampf geht in den Endspurt. Keinen Tag zu früh erscheint ab heute POLITICOs neuer Newsletter, DC Decoded.

— CHINAS BATTERIE-RIESE IM VISIER: Führende Abgeordnete im Kongress fordern das Pentagon auf, den weltgrößten Batteriehersteller CATL stärker einzuschränken. Auch CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter warnt gegenüber POLITICO vor einer Sicherheitsbedrohung durch den chinesischen Konzern.  

— TRUMP Viktor Orbán arbeitet mit Hochdruck an einer guten Beziehung zu Trump und den Republikanern. Selbst republikanische Außenpolitiker warnen aber nun vor pro-russischer Einflussnahme.

Willkommen bei DC Decoded, dem werktäglichen Amerika-Briefing von POLITICO. Mein Name ist Jakob Hanke Vela — ab heute informieren meine Kollegin Carlotta Diederich und ich Sie darüber, wie zwischen Weißem Haus, Kapitol und Pentagon die Politik der USA entsteht.

Senden Sie Tipps und Feedback an (email protected) und (email protected) Oder folgen Sie uns auf X: @hankevela und @die_cara_

WORÜBER WASHINGTON SPRICHT

WAHLKAMPF GEHT IN DIE HEISSE PHASE: In 62 Tagen entscheiden die Amerikanerinnen und Amerikaner über die Zukunft der Demokratie in ihrem Land und damit wohl auch über die Zukunft der internationalen Ordnung. 

Doch in Wahrheit ist die Zeit noch knapper: In sechs Bundesstaaten können Wähler bereits ab diesem Monat ihre Stimme abgeben — darunter im entscheidenden Swing State Pennsylvania, den Kamala Harris laut den meisten Umfragen für sich gewinnen muss, wenn sie eine realistische Chance auf die Präsidentschaft haben will. 

Final Countdown: In Amerika beginnt heute, nach dem Labor Day, traditionell der Endspurt im Wahlkampf. Donald Trump und Kamala Harris fahren in die alles entscheidenden Swing States, bevor sie eine Auszeit nehmen, um sich auf das TV-Duell am 10. September vorzubereiten.

Zwischenstand: Der Tag der Arbeiter (ganz unsozialistisch im September, nicht am 1. Mai gefeiert) gilt als wichtiges Datum im Wahlkampf — der Stand des Rennens an diesem Tag ist meist fast identisch mit dem Ergebnis am Wahltag, wie mein Kollege, POLITICOs Chef-Analyst für Meinungsumfragen Steven Shepard, berichtet.

Kamala Harris führt — aber es bleibt extrem knapp. In drei der entscheidenden sieben Swing States liegt Harris vorn. In drei weiteren sind die Prognosen unentschieden. Nur in einem, North Carolina, führt Trump eindeutig.

SORGE VOR CHINAS BATTERIE-HEGEMON: Nach dem Mobilfunk-Riesen Huawei gerät nun der nächste chinesische Mega-Konzern ins US-Visier.

Nationale Sicherheit: Abgeordnete im US-Kongress warnen vor Verbindungen zwischen dem weltgrößten Batteriehersteller CATL und der chinesischen Volksarmee. Sie befürchten eine wachsende Abhängigkeit westlicher Automobilfirmen von China. CATL beherrscht alleine fast 40 Prozent des Weltmarkts für Batterien.

In einem Brief an das US-Verteidigungsministerium, der POLITICO vorliegt, fordern führende Republikaner das Pentagon auf, CATL in eine Liste von Firmen aufzunehmen, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen.

Warnung an CATLs Partner: Die Aufnahme der Firma in die Pentagon-Liste „würde nicht nur die militärische Infrastruktur Amerikas schützen, sondern auch ein deutliches Signal“ an mögliche Geschäftspartner senden, heißt es in dem Brief von Senator Marco Rubio und dem Abgeordneten John Moolenaar, der den Sonderausschuss zu Chinas Kommunistischer Partei leitet.

Tragweite: Unternehmen, die auf der Pentagon-Liste stehen, dürfen keine US-Militäraufträge erhalten — der Fokus auf CATL könnte aber weitere Schritte nach sich ziehen. Bereits im Juni forderten führende Abgeordnete im Repräsentantenhaus ein Importverbot gegen CATL wegen des Vorwurfs der Zwangsarbeit.

WECKRUF NACH DEUTSCHLAND: CATL steckt tief in den Lieferketten der großen Autobauer. Das Unternehmen produziert seine Lithium-Ionen-Zellen inzwischen auch in Deutschland. Das Werk in Arnstadt bei Erfurt beliefert VW, Daimler und BMW.

CDU-Außenpolitiker Kiesewetter warnt: „Ich teile die Sorgen der USA, dass die chinesische Firma CATL eine Sicherheitsbedrohung auch für Deutschland darstellt,“ so Roderich Kiesewetter gegenüber POLITICO. Der Abgeordnete und Oberst a.D. ist momentan für Diskussionen über die militärische Aufrüstung und Bedrohung durch China und Russland in der Arktis.

CATL stelle ein Risiko dar „einerseits durch das Abschöpfen von Wissen und Know-how aus Deutschland, das u.a. auch durch fragwürdige Wissenschaftskooperationen und naive Zusammenarbeit mit Zulieferern aus anderen Bereichen gewonnen werden kann“. Zusätzlich sei die zunehmende Abhängigkeit westlicher Firmen von China eine Gefahr.

Diese Abhängigkeit fördere Peking, eine „Diktatur, die uns bereits hybrid angreift“ gezielt, „mit der Intention, dass potenzielle Sanktionen Deutschlands oder der EU bei einem Angriff auf Taiwan unwahrscheinlicher werden.“

„Der Thüringer Wirtschaftsminister knüpft ja seit jeher Verbindungen zu China und zunehmend auch solche Wissenschaftskooperationen, die potenziell sensibel und sicherheitsrelevant sein können“, warnt Kiesewetter, und nannte die Kooperation mit dem Fraunhofer Institut IKTS als Beispiel. Die Thüringer Landesregierung war für unsere Nachfragen nicht zu erreichen.

‚Keine größere Bedrohung als ein Ziegelstein‘: Gegenüber POLITICO wies ein Sprecher des Unternehmens die Vorwürfe zurück. CATL werde „nicht von der chinesischen Regierung kontrolliert“, sagte der Sprecher. „Die Batterieprodukte von CATL stellen keine größere Bedrohung für die nationale Sicherheit dar als ein Ziegelstein.“ Tatsächlich haben jedoch alle chinesischen Unternehmen eine Gehorsamspflicht gegenüber der kommunistischen Partei.

„Die Überlegung ist, dass wir aufpassen müssen, dass wir nicht erpressbar werden,“ so Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. CATL versorge die großen Automobilhersteller. Insgesamt kontrolliere China 80 Prozent der Fertigungskapazitäten für Batteriezellen. Auch die Maschinen für die Batterieproduktion kämen aus dem Reich der Mitte.

Bittere Einsicht: Die Gefahr, so Pratzel, sei da, „wenn ein Zulieferer so einen hohen Anteil hat und dann am Ende auch bestimmen kann: ‚Passt mal auf, da stehen die Bänder still, wenn wir wollen.‘ Da hat man lange geschlafen, in Europa.“

ORBÁNS NÄHE ZU TRUMP NÜTZT DEM KREML: Lange hat der ungarische Autokrat Viktor Orbán um die Gunst der US-Republikaner geworben. Doch nun warnen erfahrene Außenpolitiker vor Budapests Einflussnahme, wie meine Kollegen Heidi Przybyla und Nicholas Vinocur berichten. 

Mehr als 1,7 Milliarden Dollar hat Orbáns Regierung für Think-Tanks und Kampagnen ausgegeben, um Budapests Einfluss und Partnerschaften mit MAGA-Republikanern auszubauen.

Die Strategie ging auf: Donald Trump würdigte Orbán in seiner Rede auf dem Parteitag der Republikaner. Orbán sei ein „sehr starker, harter Anführer“, der gegen Ausländer vorgehe. Am Samstag wiederholte Trump sein Lob für Orbán in einem Interview mit Fox News.

Doch nun schlagen erfahrene Republikaner Alarm: Orbán sei ein Vehikel für Kreml-Propaganda. Orbán rede zwar viel über christliche Werte, Abendland und Migration, wolle in Wahrheit aber seine Beziehung zu Russland und China weiter ausbauen.

„Korrupte Autoritäre“ würden auf das US-System „zugreifen und es missbrauchen, um die nationale Sicherheit der USA zu untergraben“, sagte Kristofer Harrison über die ungarische Einflusskampagne. Harrison war während der Regierung von George W. Bush Berater des Verteidigungs- und Außenministeriums.

Was Orbán von Trump will: „(Orbán und seine Verbündete) sagen Dinge, die die Leute hören wollen. Es heißt ‚woke dies und woke das‘, doch dann setzen sie sie mit dem unter Druck, was sie wirklich wollen“, nämlich den Ukraine-Krieg zu Putins Bedingungen zu beenden, sagte ein republikanischer Regierungsbeamter, der mit den Treffen zwischen Republikanern und Orbáns Denkfabriken vertraut ist.

Das Conservative Partnership Institute, das Strategien für eine zweite Trump-Administration ausarbeitet, veranstaltete im Oktober 2022 eine Diskussion mit dem ungarischen Außenminister Péter Szijjártó über die Frage, wie man „Frieden in der Ukraine“ schaffen könne. 

Laut einem Dokument, das während des Treffens verteilt wurde und das POLITICO vorliegt, sollte Amerika am besten Russland gewinnen lassen. „Russland hat den Willen, die Kraft und die Geduld, den Krieg fortzusetzen,“ argumentiert das Dokument. 

„Die US-Hilfe für die Ukraine muss stark eingeschränkt werden und der ukrainische Präsident Selenskyj sollte von der US-Führung ermutigt werden, einen Waffenstillstand anzustreben und die Ukraine als neutrales Land anzuerkennen.“

Der lange Arm des Kremls: Ian Brzezinski, ehemaliger stellvertretender Verteidigungsminister für Europa- und NATO-Politik unter George W. Bush, sagte über das Dokument: „Es sieht aus, als wäre es vom Kreml verfasst worden.“

Und Pekings: Orbán, der sein Land wirtschaftlich abhängig von Russland und China gemacht hat, sei eine Gefahr, warnte auch der Anführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell. „Die Details des wachsenden Einflusses Chinas in Budapest sollten die Alarmglocken schrillen lassen“, so McConnell bereits im Mai.

Die Versuche Ungarns, die politische Debatte in Washington zu beeinflussen, finden ihren Widerhall in Brüssel, wo Orbáns Anhänger mehrere antieuropäische, rechtsgerichtete Medien und Denkfabriken gegründet haben, von denen MCC Brussels die bekannteste ist.

TRUMPS ZOLL-PLAN: Auch in der Handelspolitik steht bei diesen Wahlen viel auf dem Spiel für Europa.

Donald Trump will einen Zoll von 10 bis 20 Prozent auf alle in die USA importierten Waren erheben, so sein Plan für seine zweite Amtszeit.

Er könnte dies am Kongress vorbei über ein bestehendes Gesetz beschließen, das dem Präsidenten erlaubt, solch hohe Zölle einzuführen, wie Experten und ehemalige US-Beamte meinem Kollegen Doug Palmer verraten haben.

Derzeit beträgt der Wert der in die USA importierten Waren über 3 Billionen Dollar jährlich.

Fokus auf China: Zusätzlich möchte Trump einen 60-prozentigen Zoll auf alle chinesische Waren einführen. 

Phase zwei im Handelskrieg mit Peking: Die zusätzlichen Zölle würden die bereits bestehenden Zölle von 7,5 bis 25 Prozent gegen China ergänzen, mit denen Trumps Handelschef Robert Lighthizer die Industrie nach Amerika zurückholen wollte.

FRAUENRECHTE: Harris setzt diese Woche auf das Thema „Reproductive Freedom“ (das Wort Abtreibung vermeidet sie), um ihren Vorsprung weiter auszubauen. 

Das Thema könnte den Wahlkampf entscheiden: Eine breite Mehrheit der Amerikaner befürwortet Abtreibungsrechte, viele waren vom Urteil des Obersten Gerichts schockiert, das das landesweite Recht auf Abtreibung gekippt hat.

Trump tut sich schwer, verheddert sich in Widersprüchen. Zunächst wollte er das Abtreibungsrecht in seiner Wahlheimat Florida plötzlich erweitern — nur um nach heftiger Kritik evangelikaler Gruppierungen am Wochenende doch wieder zurückzurudern. Es solle bei einem Verbot des Abbruchs nach sechs Wochen Schwangerschaft bleiben. 

Perfektes Timing: Heute beginnt Harris eine Bustour zum Thema „Reproductive Freedom“ mit 50 Stops quer durchs Land. Erster Halt? Florida. 

LABOR DAY: Den Feiertag nutzten die demokratischen Kandidaten für Wahlkampf bei Arbeitnehmern und Gewerkschaften. Für Kamala Harris ging es erst nach Detroit, dann mit Joe Biden nach Pittsburgh zu Gewerkschaftsvertretern. 

Der aktuelle Präsident hatte 2020 gut bei Gewerkschaftsmitgliedern abgeschnitten. Dass Harris ausgerechnet ein Gewerkschaftstreffen für einen ihrer seltenen gemeinsamen Auftritte mit Biden wählte, dürfte kein Zufall sein. 

In Pittsburgh hat sich Harris gegen den Verkauf eines amerikanischen Stahlproduzenten an das japanische Unternehmen Nippon Steel ausgesprochen. Auch Donald Trump und die einflussreiche Gewerkschaft United Steelworkers, die ihren Sitz in Pittsburgh hat, wollen den Verkauf stoppen. 

PODCAST GEGEN TIM WALZ: Im Podcast von Megyn Kelly haben vier ehemalige Nationalgarde-Kameraden von Tim Walz den Vize-Kandidaten von Kamala Harris als „moralisch unvertretbar“ und einen „Feigling“ bezeichnet. 

Walz‘ Zeit in der Armee wird von seinen Gegnern immer wieder als Angriffsfläche genutzt. Walz schied 2005 aus der Nationalgarde aus, um für den Kongress als Demokrat zu kandidieren – kurz bevor seine Einheit den Befehl erhielt, in den Irakkrieg zu ziehen.

WORÜBER WASHINGTON SONST NOCH SPRICHT

KOCH UND KELLNER: Das Weiße Haus bemüht sich, Kamala Harris im Eiltempo außenpolitische ‚Street Cred‘ zu verpassen.

Außenpolitische Erfahrung: Mein Kollege Eric Bazail-Eimil hat öffentliche Protokolle und andere offizielle Dokumente ausgewertet und berichtet, dass die Verwaltung Harris in öffentlichen Erklärungen über Auslandseinsätze seit Juli plötzlich vermehrt erwähnt — also seitdem Biden ankündigte, dass er aus dem Rennen aussteigt.

So habe Harris an Bidens Gesprächen mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu am 1. und 21. August teilgenommen. 

Dagegen fanden meine Kollegen zwischen dem 7. Oktober und dem 25. Juli keine einzige Erwähnung von Harris in den offiziellen Zusammenfassungen über Bidens Gespräche mit dem israelischen Premier. 

Die Erwähnung von Harris ist ungewöhnlich und deutet darauf hin, dass Biden und sein Team versuchen, die Glaubwürdigkeit ihrer Parteifreundin zu untermauern, da sie mit Fragen über ihre Fähigkeit, internationale Angelegenheiten zu managen, konfrontiert ist.

Das war DC Decoded — das Amerika Briefing von POLITICO. Vielen Dank, dass Sie uns lesen und abonnieren. Bis zur nächsten Ausgabe!