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Wie kann Kamala Harris Donald Trump schlagen? US-Experte verrät Erfolgsformel

Wie kann Kamala Harris Donald Trump schlagen? US-Experte verrät Erfolgsformel

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Wie kann Kamala Harris Donald Trump schlagen? US-Experte verrät Erfolgsformel
Donald Trump oder Kamala Harris – wer wird die Wahl am 5. November gewinnen? © UPI Photo/Imago; Brian Cahn/Zuma Press Wire/Imago; Montage: RUHR24

In den USA konkurrieren Trump und Harris um das mächtigste Amt der Welt. Im Interview mit RUHR24 wagt US-Experte Elmar Theveßen einen Blick in die Zukunft.

Dortmund – Das Duell zwischen Donald Trump und Kamala Harris ist ein Duell der Gegensätze. Ein verurteilter Straftäter, rhetorischer Bombenleger und rechtsoffener Konservativer trifft auf eine ehemalige Generalstaatsanwältin mit linksliberalen Positionen und indisch-jamaikanischen Wurzeln. Im Exklusivinterview mit RUHR24 blickt US-Experte Elmar Theveßen zurück auf den Aufstieg von Harris, die Chancen beider Kandidaten und den entscheidenden Faktor für den Wahlausgang.

Trump-Dilemma: US-Experte verrät das Erfolgsrezept von Kamala Harris

Herr Theveßen, werfen wir zunächst einen kurzen Blick zurück. Nach dem TV-Duell zwischen Joe Biden und Donald Trump hatten Sie dem US-Präsidenten ein sogenanntes „Roosevelt-Manöver“ empfohlen. Biden hätte auf dem Parteitag einen Schritt weitergehen sollen als Roosevelt im Jahr 1944 und die Delegierten ein neues Kandidaten-Paar wählen lassen. Nun ist Biden zwar tatsächlich zurückgetreten, Harris ist allerdings nachgerückt – aus Sicht der Demokraten ein Fehler?

Im Nachhinein erweist sich das als goldrichtig. Ich war völlig überrascht, dass das so gelaufen ist. Auch ich habe Kamala Harris nicht zugetraut, innerhalb von 48 Stunden die komplette Partei – und zwar von der Spitze der Partei bis zur Basis – hinter sich zu vereinen. Und sie hat damit witzigerweise sogar diejenigen ausgehebelt, die Joe Biden dazu gebracht haben, sich zurückzuziehen. Nancy Pelosi, Barack Obama und andere, die sich gewünscht hätten, dass es so eine Art innerparteiliche Vorwahl gegeben hätte – so einen kleinen Wahlkampf am liebsten vor oder auf dem Parteitag, was natürlich auch zu Chaos hätte führen können, wie 1968.

Wie hat Harris es denn geschafft, sich in so kurzer Zeit die große Unterstützung ihrer Partei zu sichern?

Harris hat innerhalb der ersten Stunden nach dem Rückzug von Biden durch über 100 Anrufe und durch lang gepflegte Kontakte, unter anderem bei den Gewerkschaften, bei den Latino-Verbänden und vor allen Dingen auch bei den Gouverneuren dafür gesorgt, dass sie sich alle hinter ihr versammeln. Keiner von den Beteiligten hatte ein Gespür dafür, ob das so gut funktionieren würde, wie es jetzt funktioniert hat. Aber besser geht es ehrlicherweise gar nicht. Und es hat vielleicht auch ein Stück mit der Bredouille zu tun, in der man sich befand. Das war so, dass sich alle so bereitwillig für diese neue Kandidatin begeistert haben.

Elmar Theveßen

Elmar Theveßen (geb. am 3. Juni 1967 in Viersen) ist ein deutscher Fernsehjournalist und Autor. Seit März 2019 ist der studierte Politologe Leiter des ZDF-Studios Washington. Dieses ist zuständig für die Berichterstattung aus den USA sowie El Salvador, Guatemala, Haiti, Honduras, Jamaika, Kuba, Mexiko, Nicaragua und Panama. In Vergangenheit arbeitete Theveßen unter anderem als freier Mitarbeiter im ZDF-Studio Bonn, war Verantwortlicher Redakteur der Sendung „Bonn direkt“ und Reporter des ZDF-Magazins „Frontal21“ im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin. Er ist Mitglied der Atlantikbrücke und wurde während seiner Laufbahn mit dem Medienpreis des Deutschen Bundestages (1994), dem Fernsehpreis der RIAS-Kommission (1998, 2001, 2002), dem Deutschen Fernsehpreis (2012) sowie dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis (2023) ausgezeichnet.

Elmar Theveßen in der ARD-Talkshow maischberger im Studio Berlin Adlershof.
Elmar Theveßen beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der US-Politik und ist regelmäßig zu Gast in diversen Talkshows. © Thomas Bartilla/Imago

US-Wahl 2024: Trump reagierte laut Theveßen auf Harris-Kandidatur „ratlos und hilflos“

Und was hat diese Entwicklung für Donald Trump bedeutet?

Die Republikaner, und allen voran Donald Trump, haben ratlos und hilflos sowie mit sexistischen, rassistischen Angriffen auf diese neue Herausforderung reagiert. Hinzu kam die „alte Leier“, ihr jetzt auf einmal das Etikett „Kommunist“ anzukleben, was man vorher Joe Biden ankleben wollte. Und das ist nach hinten losgegangen, weil sich wichtige Wählergruppen davon nicht beeindrucken lassen.

Sie hatten noch Ende Juni betont, dass Donald Trump die Wahl gegen Kamala Harris „klar gewinnen“ würde, weil sie „politisch zu weit links verortet“ ist. Nun zeigen aber Umfragen, wie die jüngste Erhebung von ActiVote, dass es wohl ein enges Rennen geben wird. Wie schätzen Sie die Chancen von Kamala Harris gegen Donald Trump rund zwei Monate vor der Wahl grundsätzlich ein?

Ich hätte zu dem Zeitpunkt nicht gedacht, dass wir jetzt in dieser Situation sind. Insofern habe ich da grandios falsch gelegen, das muss man auch mal klar sagen. Weil ich mich da aber auch in guter Gesellschaft befinde, habe ich kein Problem damit, das zu sagen (lacht). Der Faktor Freude ist ein Stück weit wieder Teil des Wahlkampfs, verbunden mit Begriffen wie Freiheit und Zukunft – das sind positive Konnotationen. Hinzu kommt die Entscheidung, einen Normalo wie Tim Walz (als Vizepräsidentschaftskandidat, Anm. d. Red.) auszuwählen, der gut bei den Leuten ankommt. Wer hätte das gedacht? In dieser Kombi, in diesem Dreiklang, also Freude, Freiheit, Zukunft, scheint das eben echt super zu funktionieren. Trägt das bis zum 5. November? Das ist die entscheidende Frage.

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US-Wahl 2024 wird laut Theveßen durch Emotionen und nicht durch ein „Riesenprogramm“ entschieden

Aber was ist mir der inhaltlichen Ebene?

Ich glaube nicht, dass das notwendig ist, was manche in Deutschland schreiben: Dass man jetzt ein Riesenprogramm vorlegen muss. Ich kann mich an kaum einen Wahlkampf erinnern, in dem detaillierte Wirtschafts- und Politikprogramme wirklich einen Unterschied gemacht hätten. Es kam viel auf die Stimmung und Emotionen und auf ein paar attraktive Vorschläge an. Und genau das versucht Kamala Harris jetzt gerade. Ich vermute, es wird extrem knapp am Ende, weil es sich gemäß dem amerikanischen Wahlsystem möglicherweise wieder in ein, zwei Bundesstaaten entscheidet. Momentan sieht es danach aus, als hätte sie eine gute Chance, Donald Trump knapp zu schlagen.

Kamala Harris hat bei Themen wie dem Nahost-Konflikt oder ihrer Wirtschaftspolitik, wo Amerikaner traditionell eher den Republikanern mehr zutrauen, eher noch Nachholbedarf. Demgegenüber profiliert sie sich insbesondere über ihre liberale Position zum Thema Abtreibung oder über ihr klares Bekenntnis zur Nato. Reicht das wirklich aus, um Trump schlagen zu können?

Ja, sie hat das Problem, dass sie es ein Stück weit anders machen muss als Joe Biden. Das muss sie den Wählern vermitteln, zum Beispiel mit Blick auf Nahost oder auch in der Wirtschaftspolitik. Sie kann gleichzeitig aber auch nicht alles ganz anders machen, weil sie natürlich auch wichtige Wählergruppen riskiert, die Joe Biden in der sogenannten „Biden-Coalition“ von 2020 ja zusammengebracht hat. Also muss sie da ein bisschen vorsichtig unterwegs sein. Ich glaube aber, sie vermittelt momentan glaubwürdig den Eindruck, dass sie mit dem Thema Nahost offensiver und anders umgehen würde als Joe Biden. Das betrifft die Anerkennung eines Palästinenserstaates oder ein mögliches schärferes Waffenembargo (gegenüber Israel, Anm. d. Red.). Bestimmte Bomben- oder Granatenkategorien werden ja nicht mehr geliefert. Nur sagt sie das natürlich nicht vor der Wahl, aber sie vermittelt, dass sie bereit wäre, da Dinge anders zu machen, also ein Ziel vielleicht auf anderen Wegen zu erreichen.

Kamala Harris (Demokraten)

Kamala Harris
Kamala Harris soll Joe Biden als Präsidentschaftskandidatin für die Demokraten ablösen. © White House

Name: Kamala Devi Harris
Alter: 59 (20. Okt. 1964)
Geburtsort: Oakland, Kalifornien, USA
Partei: Demokratische Partei

US-Wahl 2024: Donald Trump hat laut Theveßen ein „Führergefolgschaftsprinzip“ etabliert

Und was beobachten Sie mit Blick auf die wirtschaftliche Agenda von Kamala Harris?

Bei der Wirtschaftspolitik passiert gerade genau dasselbe. Und man nimmt ihr das vielleicht auch deshalb ab – Sie sprachen das Thema Abtreibung an – weil sie eben gerade bei so einem Thema sehr glaubwürdig und viel glaubwürdiger als jeder alte weiße Mann vermittelt, dass sie besser weiß, wovon sie redet. Und dass sie nach vernünftigen Lösungen sucht, statt nach der radikalen ideologischen Lösung, die im Grunde alles erlaubt oder alles verbietet. Das, glaube ich, hat eine Chance anzukommen. Für die Wähler liegen natürlich gerade im Bereich Wirtschaft Dinge noch viel näher: Also trotz der tollen Wirtschaftsdaten Amerikas sind die Preise bei Nahrungsmitteln, an der Zapfsäule und beim Häuserkauf immer noch deutlich zu hoch. Und da muss sie gucken, wie sie vermittelt, wie man das wieder herunterkriegt. Weil das für die Lebenswirklichkeit und am Ende auch für die Wahlentscheidung der Menschen eine viel größere Rolle spielt.

Donald Trump (Republikaner)

Donald Trump kandidiert erneut für das Amt des US-Präsidenten.
Donald Trump kandidiert erneut für das Amt des US-Präsidenten. © Shealah Craighead/White House

Name: Donald John Trump
Alter: 78 (14. Juni 1946)
Geburtsort: Queens, New York City, USA
Partei: Republikanische Partei

Blicken wir auf Trump: Sie hatten in der Vergangenheit immer wieder betont, dass er im Wahlkampf vor allem auf „Lügen, Unterstellungen und Rachedrohungen“ setzt und auf eine „unendliche Leere des trumpschen Wahlprogramms“ hingewiesen. Hinzu kommen unter anderem seine Verurteilung im Schweigegeld-Prozess und die erneuerte Anklage mit Blick auf Trumps Rolle beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021. Wieso hat er dennoch Chancen, wiedergewählt zu werden?

Er hat es geschafft, auf Grundlage dieser großen Lüge von der angeblich gestohlenen Wahl ein Band zwischen sich und seiner Gefolgschaft – also der republikanischen Basis – zu schmieden. Und ich nehme das Wort auch in den Mund, das hat etwas von „Führergefolgschaftsprinzip“. Und dieses Band zwischen ihm und seinen Anhängern ist so stark, dass die Führer der republikanischen Partei die Knie gebeugt haben. Weil sie Angst vor dem eigenen Machtverlust hatten. Denn alle, die es gewagt haben, in irgendeiner Form gegenzuhalten, sind ja abgestraft worden. Adam Kinzinger, Liz Cheney und andere können ein Lied davon singen. Mit anderen Worten: Diese republikanische Partei ist eine reine Trump-Partei geworden, ausschließlich auf den Anführer ausgerichtet. Und die 27 Seiten Wahlprogramm, die sind eigentlich nur Trump. Womit er 2016 schon angetreten ist, damit tritt er jetzt wieder an. Es ist kein wirkliches Wahlprogramm. Aber noch mal: In amerikanischen Wahlkämpfen haben große Wahlprogramme wie in Deutschland nie eine Rolle gespielt. Das gilt für die demokratische Seite ganz genauso.

US-Wahl 2024: Donald Trump würde Niederlage gegen Kamala Harris wohl nicht akzeptieren

Ist es denn überhaupt möglich, dieses Band zwischen Trump und seinen Anhängern in irgendeiner Weise zu durchtrennen?

Dieses Band zu zerschlagen ist schwieriger geworden, weil seine Anhänger nicht mehr geworden sind. Die sind sogar unterm Strich weniger geworden. Aber sie sind radikaler. Sie sind noch dichter mit ihm verbunden. Und das sorgt dafür, dass wir am Ende folgende Situation haben werden: Er wird bei dieser Wahl in absoluten Zahlen deutlich hinter Kamala Harris abschneiden. Ich glaube, das kann man jetzt schon sagen. Aber durch das Wahlsystem wird es am Ende auf vielleicht wenige tausend, zehntausend Stimmen ankommen. Und wenn er knapp verliert, das ist auch schon klar das Signal, was er da überall sendet, dann wird er die Legitimität dieser Wahl bestreiten. Und dann haben wir möglicherweise ein noch größeres Problem als vor vier Jahren. 

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Zuletzt mehrten sich die Gerüchte, dass sich sogar Trumps eigene Frau Melania einen Wahlsieg von Kamala Harris wünscht. Melania Trump soll die mitunter derbe Rhetorik ihres Mannes nicht sehr schätzen und keine Lust auf weitere vier Jahre im Weißen Haus haben – das glaubt zumindest der Ex-Trump-Mitarbeiter Anthony Scaramucci. Was sagen sie dazu?

Also aus den ehelichen Differenzen oder Übereinstimmungen zwischen den beiden halte ich mich mal komplett raus (lacht). Aber ich nehme mal das Beispiel, dass es doch eine nennenswerte Zahl konservativer Republikaner wie Liz Cheney (US-Politikerin und große Trump-Gegnerin, Anm. d. Red.) gibt, die sich offen für Harris engagieren. Die auf dem Parteitag teilweise aufgetreten sind und ganz klar sagen, dass er eine Gefahr ist für dieses Land und sie deshalb Kamala Harris wählen und zu ihrer Wahl aufrufen. Weil sie glauben, das ist die einzige Chance, die die Republikanische Partei hat, um sich zu erneuern und wieder auf der Basis alter konservativer Werte zu neuer Macht und Kraft zu gelangen.

US-Wahl 2024: Experte zeichnet düsteres Zukunftsszenario im Falle eines Trump-Sieges

Abschließende Frage, wie werden sich die USA denn verändern, wenn Donald Trump die Wahl am 5. November gewinnt?

Wenn Trump die Wahl gewinnt, werden wir mit Sicherheit ein autoritäreres System in Amerika sehen. Wo die Macht des Kongresses weiter beschränkt, die Macht des Präsidenten massiv ausgebaut würde und wo wir auch in konservativen Bundesstaaten wahrscheinlich einen Vormarsch trumpistischer Überlegungen und Überzeugungen sehen würden. Er hätte vielleicht auch die Chance, noch einen weiteren Sitz im obersten Gerichtshof zu besetzen, was es dann noch mehr ermöglichen würde, genau das zu tun. Also ein autoritäres System in Amerika mit Auswirkungen massiv auf Europa und auf den Rest der Welt.

Und welche Konsequenzen hätten ein Wahlsieg von Kamala Harris?

Bei Kamala Harris kann man davon ausgehen, dass sie die demokratischen Strukturen stärkt, auch ein verlässliches Wahlsystem stärken will und versucht, die Brücke zur konservativen Seite zu schlagen. Ich glaube aber nicht, dass es „Friede, Freude, Eierkuchen“ geben wird. Weil die politischen Mehrheitsverhältnisse im Parlament am Ende eine entscheidende Rolle spielen, ob so etwas gelingt oder nicht. Und auch da wird es ja sehr, sehr knapp werden. Lange Rede, kurzer Sinn: Für Europa und Deutschland wäre eine Harris-Administration ein verlässlicher Partner und eine Trump-Administration ein antagonistischer, unverlässlicher und unberechenbarer Partner.

Herr Theveßen, vielen Dank.