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Konzertberichte | BOOKWOOD Festival 2024 – Buchholz

Konzertberichte | BOOKWOOD Festival 2024 – Buchholz

BOOKWOOD Festival 2024 – Buchholz

24.09.2024 | 09:27

18.09.2024, Festplatz K1

Familientreffen auf dem Acker

Konzertberichte | BOOKWOOD Festival 2024 – BuchholzDie Festivalsaison neigt sich dem Ende entgegen und der ein oder andere beginnt schon sein persönliches Resümee zu ziehen, wäre da nicht noch eine kleine Veranstaltung rot im Kalender eingetragen. Traditionell steht nämlich das “Bookwood”-Festival in den Startlöchern um den Sommer entsprechend lautstark ausklingen zu lassen. Dieses wird nun schon zum sechsten Mal ausgerichtet und ist in der Region Südharz längst kein Geheimtipp mehr. Die “Metal Foundation Südharz”, welche auch das “Rock On The Hill”-Open Air unter seiner Schirmherrschaft hat, lädt ein noch einmal den Harz zum Beben zu bringen.

Für mich ist dieses zwei Tages-Festival immer einen Besuch wert, da hier nicht nur gute Livemusik, sondern auch viele bekannte Gesichter zu erwarten sind. Es ist halt wie ein Familientreffen ohne die unangenehmen verhaltenen Stunden nach dem Kaffee, die man ausharren muss, bevor es das erste Bier gibt. Hier trifft sich die Nordhäuser Metal-Szene und gibt sich ein Stelldichein, um über alte Zeiten, neue Projekte und teils verstörende Anekdoten zu sprechen.

Die Anzahl von knapp 600 Besuchern des Festivals unterstreicht hier den Familiencharakter und zeigt, dass das “Bookwood” zu den kleinen, aber feinen Veranstaltungen gehört. Innerhalb von zwei Minuten bin ich hier vom Parkplatz oder der auch angebotenen Camping-Möglichkeit auf das Festivalgelände gelaufen. Dies dürfte so manchem “Wacken”-Besucher wie eine Parallelwelt vorkommen, da dort gut und gern mal über eine Stunde dafür eingeplant werden darf. Natürlich sind die angegebenen Zeiten nur theoretischer Natur, da ich hier so viele Leute treffe, dass der Weg zum Auto dann doch eine gute Stunde dauert. Auch die Getränke und Verpflegungspreise können als absolut fair bezeichnet werden. Natürlich gibt es keine so üppige Auswahl wie auf den großen Festivals, aber braucht es die wirklich, um einen guten Festivaltag zu haben oder sind wir nicht doch alle mit einer guten Portion Pommes zufrieden?

Auch mein Harzer Kollege Stefan Rosenthal lässt sich dieses Event nicht entgehen, und nimmt die nur 30-minütige Autofahrt nach Buchholz, einem Ortsteil von Nordhausen, gern in Kauf.

Die kurze Anreise ist auch für mich der Grund, die Vorzüge des eigenen Schlafgemachs zu nutzen und dementsprechend zum Festival zu pendeln. Ja, man wird nicht jünger…

Aufgrund von zusätzlichen Aufgaben um Haus und Hof ist es mir leider nur möglich in den Abendstunden das “Bookwood”-Festival zu besuchen und ich kann somit lediglich über einen Teil des Line-ups berichten.

Für den ersten Festivaltag sind folgende Bands bestätigt: ORB, TINNITUS ATTACK, FROM SHADOWS TO LIGHT, SLOPPY JOE’S, IRON MAIDEN MORAVIA.

 

FROM SHADOWS TO LIGHT ist die erste Band, welche ich sehe, um mir deren Interpretation von modernem Metalcore live anzuschauen. Die sechs Bielefelder hatten bereits 2021 einen Auftritt auf dem “Bookwood” und für mich ist es somit spannend zu sehen, wie sich die Band entwickelt hat. Das Konzept von typischen Core-Elementen gepaart mit cleanem Gesang und einem Streicher ist hier auch durchaus stimmig. Die Band um Frontmann Simon macht einen guten Job, während dieser sich die Seele aus dem Leib schreit und wie ein Berserker auf der Bühne umherspringt. Raffinierte Soli reihen sich charmant in die eingängigen balladenartigen Refrains ein und bringen in der kühlenden Abenddämmerung das Publikum auf Touren. Trotz aller hochwertigen musikalischen Einzelparts wird für mich das Gesamtkunstwerk dann aber trotzdem nur schwer greifbar. Auch im Nachgang finde ich beim Anhören des Albums “Glow” keinen richtigen Anker, der mich festhält. Wahrscheinlich liegt das auch daran, dass es recht viele Bands gibt, die in diese Kerbe schlagen und sich das Ohr an gewisse Sounds bereits gewöhnt hat. Dies macht es schwer da aus der großen Masse noch herauszustechen. Somit ist für mich FROM SHADOWS TO LIGHT meine erste Band des Festivals, auf die ich mich gern in Zukunft freuen werde, auch wenn sie mich musikalisch nicht ganz abholen kann.

(Norman Wernicke)

Während sich Kollege Norman eine kleine Auszeit gönnt, springe ich mal in die Bresche und berichte vom Co-Headliner des Freitagabends. Die Rockband SLOPPY JOE’S hat mich tatsächlich auf dem Flyer am meisten interessiert, denn wer sich nach einem amerikanischen Verbrechen an guter Esskultur benennt, der muss schon eine gewisse Verrücktheit mit sich bringen. Ihr kennt Sloppy Joe nicht? Der schlampige Joe ist ein pervertierter Burger mit Hackfleischsauce. Und ich bin mir nach der Lektüre des Wikipedia-Eintrages nicht sicher, ob das total geil oder einfach nur vollkommen gaga ist. Sollte es Fans dieses Gerichtes unter unseren Lesern geben, dann würden wir uns über eure Einschätzung sehr freuen. Doch wie klingen die drei Hamburger (höhö) jetzt eigentlich? Man könnte fast sagen, dass der Name Programm ist. Also bei diesem wild wechselnden Rock/Metal-Hybriden liegt der Schwerpunkt schon sehr auf US-Klang und einer nicht zu leugnenden Rockabilly-Attitüde. Dazu etwas MISFITS-Punk, etwas Sleaze und eine leicht bittere Note Grunge beigemischt und fertig ist der Sound von SLOPPY JOE’S. Also schon ziemlich wild, um nicht krude zu sagen und mit Sicherheit nicht für jeden Hörer eine spannende Angelegenheit. Somit sind die Reaktionen auch deutlich verhaltener als bei den anderen Main-Acts der beiden Tage, wobei auch hier einige Besucher ihren Favoriten ausmachen. Mir gefällt insbesondere der Opener und die ältere Nummer ‘Devil’s Music’ ganz gut, weil sie diesen MISFITS-Spirit am besten transportiert und eine schöne American-Dinner-Atmosphäre ins “Bookwood” zaubert. Auf der anderen Seite hört man bei einigen Songs auch etwas VOLBEAT raus, was aus meiner Sicht so gar nicht funktionieren mag. Insbesondere ‘Get In The Ring’ ist schon arg stumpf. Dafür zaubert die Band mir mit einer leichten SLAYER-Hommage noch ein Lächeln aufs Gesicht und dass man CHRIS DE BURGH eh viel mehr covern sollte, ist ein ungeschriebenes Gesetz. Dass die Band jedoch auf ‘Don’t Pay The Ferryman’ setzt, welches von der Harzer Kultband DARK AT DAWN bereits kongenial verwertet wurde, lässt diesen Joker leider etwas unter Wert verpuffen. Das nächste Mal bitte ‘High On Emotion’ und dann funktioniert es zum Ende auch mit der kompletten Ekstase im Publikum. Bei der nächsten Band gebe ich lieber wieder zurück an Norman, denn was IRON MAIDEN betrifft, ist er der wesentlich kompetentere Berichterstatter.

(Stefan Rosenthal)

 

Aus Tschechien angereist und als Headliner für Freitag angesetzt, bringt IRON MAIDEN MORAVIA britischen Heavy Metal mit. Klar, dass es hier im Publikum keine Probleme mit Textsicherheit und Einsatz geben dürfte. Mein Augenmerk liegt hier besonders auf dem Gesang, welcher durch Bruce Dickinson vorgelegt, vielleicht einer der anspruchsvollsten der gesamten Heavy-Metal-Szene ist. Diese Hürde nimmt jedoch F. Václav Kašpar mit Bravour und zeigt ein unglaubliches Spektrum seiner Stimmgewalt. Hut ab, ganz großes Kino. Das Publikum ist natürlich sofort on fire und beginnt den Abriss unter der Regie von Kašpar. Die Songauswahl ist bunt gemischt und reicht von alten Klassikern wie ‘ Flight Of Icarus ‘ bis zu etwas moderneren Stücken à la ‘Brave New World’. Das gesamte Konzert wird von einer gewaltigen Bühnenpräsenz und Interaktion mit dem Publikum begleitet. Lediglich passt das instrumentale Zusammenspiel nicht immer perfekt, kann aber für mich durch die stimmliche Brillanz mehr als wett gemacht werden.

So geht der erste Festivaltag mit einem passenden ‘Always Look On The Bright Side Of Life’ zu Ende.

 

Für Samstag sind folgende Bands angekündigt: BLACK MOOD (kurzfristig eingesprungen), FRANTIC TORNADO, LVL, VOLSTOM, THE DIGGERZ, ENTERA, DEAD PHOENIX, BLACKTOOTHED, ALLEVIATE, SYSTEM OF A STU.

 

Auf meiner Liste ganz oben steht BLACKTOOTHED, welche ich schon vorab kennenlernen durfte und sehr gespannt bin, wie sich das Trio aus Leipzig nun hier schlägt. Mit einem eigenen, ganz besonderen Musikstil aus Breakdowns, gefühlvollem Soul-Metal, kleinen Shreddpassagen und modernem Rock ist BLACKTOOTHED ein Garant für ein außergewöhnliches Konzerterlebnis. Mein erster Kontakt mit der Band fand beim “Rock On The Hill” 2023 (welches unter der Hand als kleiner Bruder des “Bookwood” gehandelt wird) statt. In der noch kleineren Location bei Hermannsacker wurde ich schon zum insgeheimen Fan dieser modernen Symbiose aus auf den ersten Blick nicht ganz zusammenpassenden Musikstilen. Gefühlt konnte BLACKTOOTHED dort jedoch nicht das volle Potential ausschöpfen, da auch das Publikum recht verhalten war und die Stage baubedingt nicht optimale Bedingungen ermöglichte. Somit ist für mich die Frage des Samstags: Wie agiert die Band auf einer Open-Air-Bühne und kann sie die Masse mit auf ihre 80er-Shred- und Melo-Pop-Reise mitnehmen? Kurzum, ja das kann sie und schafft eine angenehm wohlige Dynamik, die einen in den Bann zieht. Frontman Hendrik fühlt sich auf der Bühne sichtlich wohl und schafft es scheinbar spielerisch, dass ihm alle aus der Hand fressen. Unterstützt wird er dabei maßgeblich von Matti mit harmonischen Soli, sowie der zweiten Stimme am Mikrofon. Als diese das erste Mal ertönt und in Hendriks Vocals einstimmt, scheint sich der Raum um die Bühne mit einer Wolke aus Soul und Gefühl zu füllen, welcher sich niemand entziehen kann. Unglaublich! Die Gesichter der Leute zeigen, dass hier etwas transportiert wird. Der Südharz ist jetzt gefangen in den schwarzen Zähnen, welche sich mit Highlight um Highlight immer mehr manifestieren. Kitschig und schnulzig wird es dennoch nicht, denn dafür sorgen zackige Breakdowns und getriebene Riffs. Ein grandioser Auftritt einer Band, die zurecht immer größere Fangemeinden um sich schart und längst nicht mehr nur als Geheimtipp gilt. Ganz klar mein Highlight des “Bookwood”-Festivals (Anm. von Stefan: nicht nur deines).

 

Vor dem letzten Act des Abends bereitet sich ALLEVIATE vor, dem “Bookwood” nochmal ordentlich einzuheizen. Die noch recht junge Truppe, welche sich 2020 gegründet hat, geht ebenfalls mit zwei Sängern an den Start und möchte durch einen Core-Hybrid aus Deathcore, Metalcore und Postcore überzeugen. Den beiden Frontmännern sieht man deutlich an, dass sie einiges an Bühnenerfahrung mitbringen und die Szenerie beherrschen. Die Band steht zu 100% hinter ihrer Musik und zeigt das auch. Bei mir kommt leider nur ein Bruchteil dessen an, was meinen Gehörgang erreichen sollte, da keinerlei Unterschied zwischen den beiden Gitarren auszumachen ist bzw. diese sogar hinter den vielen Samples völlig untergehen. Als ehemaliger Gitarrist macht es mir dieser Umstand natürlich schwer überhaupt zur Band zu finden. Um ALLEVIATE entsprechend abzulichten, wechsle ich oft die Position, aber der Sound wird einfach nicht besser. In der ersten Reihe angekommen, fühle ich mich dann auch wieder sehr alt, denn das Publikum hier vorn ist deutlich jünger als bei den anderen Bands. Die akrobatischen Leistungen sehen hier etwas aus wie die Kreis-Jugendspiele. Was ich vom musikalischen Repertoire hier ausmachen kann, fühlt sich an, als hätte man ähnliches schon öfters gehört. Das Konzept ist nun mal nicht neu, was nicht schlecht sein muss. Die beiden Shouter wechseln sich in den Strophen ab, um im Refrain wieder zueinander zu finden. Eine tiefe und eine hohe Stimme, um das Gesangsvolumen zu vervielfachen und Bandkollegen, die ihre Instrumente beherrschen. Also alles sehr gute Voraussetzungen, um durchzustarten. Leider fehlen mir die eingängigen Refrains oder memorable Soli, die einen wirklichen Wiedererkennungswert geben würden.

 

Headliner dieses Abends und somit auch des Festivals ist SYSTEM OF A STU, welche mit einer Hommage an SYSTEM OF A DOWN den letzten Abriss des “Bookwood”-Festivals einläuten wollen. Der Platz vor der Bühne ist nun auch brechend voll, denn viele Besucher haben Bock auf diese Nu-Metal-Party. Nach einem ausgiebigen Soundcheck, welcher schon ein wenig an den Geduldsfäden zerrt, lässt “Deutschlands Top SOAD Tribute Band” (bandeigene Angabe) keinen Zweifel daran, dass sie zurecht diesen Slot bekommen hat. Trotz Muskelfaserriss gibt der Sänger alles und überzeugt nicht nur durch seine Bühnenpräsenz. Die Stimme ist wirklich klasse und schafft es die schnellen musikalischen Wechsel der Musik auf den Punkt zu begleiten. Wirklich starke Leistung, die ich so noch nicht gesehen habe. Die restliche Band macht hier auch konsequent einen super Job. Ich höre keinerlei Patzer oder verfehlte Einsätze. Die vielen Shows und daraus folgende gemeinsame Spielstunden machen sich bemerkbar. Klassiker wie ‘Chop Suey’ oder ‘Hypnotize’ verfehlen ihre Wirkung nicht und die Menge dreht hier völlig durch. Egal ob genussvolles Zuhören in den hinteren Reihen oder Stagediving ganz vorn, das “Bookwood” ist in Feierlaune. Routiniert spielt SYSTEM OF A STU das Set herunter und hinterlässt einen durchweg positiven Eindruck. Ein echter Knaller zum Abschluss des Festivals.

 

Nachdem die letzten Klänge verstummt und der Südharz wieder zur Ruhe gekommen ist, wird es für mich auch Zeit ein kleines Fazit des “Bookwood”-Festivals zu ziehen. Die “Metal Foundation Südharz” hat dieses Jahr wieder ganze Arbeit geleistet und ein solides Festival auf die Beine gestellt. Mit viel Herzblut und pragmatischen Ansätzen ist diese Veranstaltung zu einer grandiosen Familienparty gewachsen. Deutlich professioneller als in den Anfängen stampft man hier etwas Gewaltiges aus dem Boden, was in unserer Region seinesgleichen sucht. Wie schon beschrieben, gibt es viele Argumente für ein Festival in dieser Größe abseits der großen Brüder, welche mit mehreren tausenden Besuchern aufwarten. Das Konzept für dieses Jahr ist klar, lokale Bands als Opener, gefolgt von überregionalen Acts und jeweils eine Coverband als Headliner pro Festivaltag. Hier geht man erstmal kein Risiko ein, da das Publikum so garantiert abgeholt wird. Für mich stellt sich die Frage, wohin sich das “Bookwood” noch entwickeln möchte oder kann. Klar funktioniert diese Schiene sehr gut für die Nordhäuser Metalheads, aber ich denke, um den nächsten Schritt zu machen, wird man etwas mutiger sein müssen. Denn um auch überregionale Besucher auf sich aufmerksam zu machen, werden als Headliner nur bedingt ausschließlich Coverbands funktionieren. Eine Band wie FALL OF SERENITY könnte ich mir hier tatsächlich sehr gut als Mainact vorstellen, da diese die Feuer der ehemaligen Hardcore-Hochburg Nordhausen erneut zum Lodern bringen könnte. Ich lasse mich überraschen und bin 2025 definitiv wieder dabei, wenn es heißt “auf zum Familientreffen”.

(Norman Wernicke)

Photo Credits: Norman Wernicke

Redakteur:
Norman Wernicke