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Ärzte von „Christliche medizinische Hilfe direkt“ kämpfen um Vertrauen nach Skandal um „Oldenburg hilft“

Ärzte von „Christliche medizinische Hilfe direkt“ kämpfen um Vertrauen nach Skandal um „Oldenburg hilft“

Ärzte aus Oldenburg und der Umgebung unterstützen mit dem Verein „Christliche medizinische Hilfe direkt“ ihre Kollegen in Krankenhäusern und an der Front in der Ukraine. Doch die Turbulenzen um „Oldenburg hilft“ bringen die Ärzte unter Druck.

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Oldenburg
Röntgen-, Ultraschall- und Beatmungsgeräte, palettenweise Materialien zur Wundversorgung, Medikamente wie Antibiotika und Schmerzmittel – unermüdlich schaffen Oldenburger Ärzte seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine medizinisches Material, Geräte und andere Hilfsmittel in das Kriegsland, um Ärzte in den Krankenhäusern und an der Front bei der Versorgung der Kriegsopfer und Kranken zu unterstützen. Doch in Oldenburg führt der Verein „Christliche medizinische Hilfe direkt e.V.“ (CMHDEV) einen ganz anderen Kampf: den um seinen guten Ruf.

Infos zum Verein

Gegründet hat sich der Oldenburger Verein „Christliche medizinische Hilfe direkt e.V.“ unmittelbar nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Ärzte aus Oldenburg und der Umgebund, viele von ihnen mit Wurzeln in der Ukraine, wollen über den Verein frontnahe Krankenhäuser mit Medikamenten, medizinischen Hilfsmitteln und technischer Ausstattung versorgen. Teils werden dringend benötigte Dinge von Spendengeldern gekauft, viele Sachspenden bezieht der Verein auch über Krankenhäuser, Ärzte, Apotheken und Fachfirmen.

Der Verein hat seine Adresse an der Zaunkönigstraße 55 in Oldenburg und ist per Mail erreichbar unter [email protected]. Weitere Informationen, auch zu Spendenmöglichkeiten, gibt es unter

Ruf geschädigt

Seit dem Bekanntwerden möglicherweise dubioser Geschäfte des Vereins „Oldenburg hilft“ und Ermittlungen der Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft gegen diesen Verein spüren andere Hilfsvereine trotz klarer Distanzierung von „Oldenburg hilft“ und dessen ehemaligem Vorsitzenden Maik Günther eine deutliche Zurückhaltung in der Gesellschaft. „Diese Entwicklungen haben dem Spendenzulauf und unserem Ruf geschadet. Wir müssen immer wieder erklären, dass wir nicht zu dem Verein gehören“, sagt Bogdan Shcheglov, der sich im Vorstand um die Finanzen kümmert.

20 Krankenhäuser

Dmytro Hnoianko, Gefäßchirurg vom Oldenburger Pius-Hospital, gehört wie Shcheglov zu den Gründungsmitgliedern von „Christliche medizinische Hilfe direkt“. Sie leisten mit ihren Mitstreitern Hilfe quasi von Arzt zu Arzt. Teilweise kaufen die Mediziner aus Oldenburg gezielt dringend benötigtes Material von Spendengeldern ein, oft werden sie auch von Krankenhäusern, Fachfirmen und niedergelassenen Ärzten mit Sachspenden unterstützt und bekommen beispielsweise Geräte, die hier ausgemustert wurden, aber in der Ukraine Leben retten. „Über 20 Krankenhäuser sind uns in der Ukraine angeschlossen“, sagt Hnoianko, viele davon lägen im Osten, manche an der Frontlinie.

Gewöhnung an den Tod

Über ihre engen, oft privaten Kontakte überprüfen die Oldenburger Ärzte, ob die Hilfsgüter ankommen. Dmytro Hnoianko übergibt unserer Redaktion einen USB-Stick mit Hunderten Fotos und Videoaufnahmen. Zu sehen sind Krankenschwestern, die kistenweise Medikamente und Verbandsmaterial auspacken, Krankenzimmer, die neu eingerichtet werden konnten, Röntgenaufnahmen von Verletzten, Chirurgen, die im Operationssaal Patienten versorgen und Raketen, die in Häuser einschlagen. „Wir können uns überhaupt nicht vorstellen, was dort los ist“, sagt Dmytro Hnoianko, der wie seine Mitstreiter selbst aus der Ukraine stammt. Es stimmt ihn nachdenklich, dass der Krieg in der Öffentlichkeit zunehmend weniger wahrgenommen wird. „Aber der Krieg hat überhaupt nicht aufgehört. Die Lage hat sich stabilisiert, aber auf dem Niveau, dass dort jeden Tag Menschen sterben und verschwinden“, sagt der Arzt, dem im Austausch mit den Menschen vor Ort manchmal die Worte fehlen: „Es gibt Situationen, da wissen wir nicht, wie wir uns benehmen sollen. Viele sind psychisch nicht mehr normal, haben sich an die Bomben und an die Sterbenden gewöhnt. Sie sind abgestumpft.“ Viele würden am liebsten „weg wollen, andere wollen den Krieg gewinnen oder dort sterben, andere funktionieren einfach nur noch und machen immerzu weiter“, so Hnoianko.

Spenderin gesucht

Den 17. Lastwagen hat der Verein gerade in Richtung Krieg geschickt, andere Transporte werden in kleineren Fahrzeugen organisiert, viele davon im Verborgenen, weil die Werte der medinischen Geräte auf den Ladeflächen hoch sind und man keine Aufmerksamkeit erregen will. Hnoianko: „Unser Verein ist mega wichtig – gerade jetzt, wenn alle müde vom Krieg und erschöpft sind. Deshalb machen wir weiter, wir kämpfen hier.“ Die Ärzte hoffen, dass die Spendenbereitschaft zurückkehrt. Dabei zählen nicht nur große Summen und Einzelspenden. Bei diesem Thema liegt Bogdan Shcheglov ein Posten auf dem Kontoauszug am Herzen: „Es gibt eine Frau, die überweist uns seit Kriegsbeginn jeden Monat 20 Euro. Wir kennen nur ihren Namen, aber sonst nichts. Zu ihr hätten wir gerne Kontakt, um danke zu sagen. Es wäre toll, wenn sie sich melden würde.“

Anja Biewald