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Was fehlt Jugendlichen in Bad Wörishofen?

Was fehlt Jugendlichen in Bad Wörishofen?

 Mit einem Eis in der Hand schlendern Ramona (18) und ihr Bruder Christopher Steiner (21) durch die Fußgängerzone. „Ich find, Bad Wörishofen macht optisch einfach was her“, sagt Ramona, „ich mag die gepflegte und bepflanzte Innenstadt“. Karina-Winona Petra (18) und Arda Osmanoglu (17) sehen das genauso. Doch ihnen fehlt mehr als ein neues Jugendzentrum.

„Das Thema Jugend liegt mir sehr am Herzen“, betont Bürgermeister Stefan Welzel (CSU) und zählt eine lange Liste an attraktiven Angeboten für den Wörishofer Nachwuchs auf. Ein breites Vereinsangebot, das von Musik über zahlreiche Sportarten, Fasching bis hin zum Brauchtum reicht, Fußball- und Basketballplätze, ein Beach-Volleyball-Feld, eine Skater- und Disc-Golf-Anlage im Ostpark, Freibad, Eishalle, Jugendtreff „Neue Mitte“, ein vielfältiges Angebot der Kirchengemeinden und noch so viel mehr. „Neben diesen offen zugänglichen Angeboten gibt es in der Kneippstadt offene Ganztagsangebote der Mittelschule, der Wirtschaftsschule sowie die Schulsozialarbeit der Wirtschaftsschule“, freut er sich, „es gibt außerdem einen Mädchentreff in der alten Berufsschule“. Ab September werde es zudem jede Woche eine Jugendsprechstunde geben, in der Probleme aller Art besprochen werden können und insbesondere auch Hilfen für Schulabgänger angeboten werden. Klingt doch eigentlich perfekt, oder?

Die Konzerte in der Kurmuschel sind vor allem für Ältere. Warum?

„So wirklich fehlen tut uns in Bad Wörishofen nichts, weil wir es gar nicht anders kennen“, betont Christopher Steiner, der genau wie seine Schwester Ramona in seiner Heimatstadt tief verwurzelt ist und einen großen Freundeskreis genießt. „Für mich als junger Mensch ist es ein bisschen schade, dass die Akzeptanz der jungen Leute nicht immer sehr gut ist“, erzählt Christopher, wenn es nach 22 Uhr bei einer Party mal ein bisschen lauter sei, stehe beipielsweise schnell mal die Polizei vor der Tür, weil sich die Nachbarn gestört fühlen. „Bad Wörishofen ist ein Kurort und man merkt, dass viel für die Kurgäste gemacht wird“, gibt Ramona zu bedenken und bedauert, dass die Konzerte in der Kurmuschel meist auf die ältere Generation zugeschnitten seien. „Wenn etwas für die Jugend ist, bekommt man es oft nicht so mit, weil es nicht sehr beworben wird“, erzählt sie und schlägt vor, sowohl im Jugendtreff in der Gartenstadt als auch mittels Facebook, Instagram oder Flyern konkret bei der Jugend zu werben, „wenn beispielsweise auf dem Stadtfest coole Gruppen spielen“.

Ramona (18) und ihr Bruder Christopher Steiner (21) sind tief in Wörishofer Vereinen verwurzelt. In ihrer Heimatstadt wünschen sich mehr Akzeptanz für die junge Generation.

Ramona (18) und ihr Bruder Christopher Steiner (21) sind tief in Wörishofer Vereinen verwurzelt. In ihrer Heimatstadt wünschen sich mehr Akzeptanz für die junge Generation.
Foto: Kathrin Elsner

Die 18-jährige Karina-Winona Petra ist vor sechs Jahren aus Spanien nach Bad Wörishofen gezogen. „Es ist cool hier, es ist eine kleine Stadt“, findet sie, „ich find´s gut, dass alles sehr nah ist, wenn man Eisessen gehen will, muss man nur wenige Minuten laufen“. Die Leute in Spanien seien ein wenig netter gewesen, erzählt sie, inzwischen fühle sie sich jedoch wohl hier. Im Taekwondo-Training lernte sie ihren guten Freund Arda Osmanoglu kennen, der in Bad Wörishofen aufgewachsen ist. Obwohl es einerseits reizvoll wäre, in einer größeren Stadt zu wohnen und die Vielfalt an sozialen Kontakten und Möglichkeiten zu genießen, schätze er die Ruhe in seinem Heimatort sehr. „Man hat den Großstadtlärm nicht, man hat es schön ruhig“, findet er und erntet immer wieder Begeisterung von Freunden aus anderen Bundesländern. „Ihr habt so eine schöne Stadt, lebt ihr überhaupt noch in Deutschland?“, habe kürzlich ein Freund aus Rheinland-Pfalz zu ihm gesagt, der 17-jährige Arda strahlt. Die Gartenanlagen in der Innenstadt und der Kurpark sehen superschön aus, findet er, „zum Entspannen hat man es hier sehr schön“.

Das Juze Bad Wörishofen ist seit 2017 für Veranstaltungen gesperrt. Viele Jugendliche in der Kneippstadt würden sich ein JuZe wünschen und wären auch bereits, sich dafür zu engagieren. (Archivfoto)

Das Juze Bad Wörishofen ist seit 2017 für Veranstaltungen gesperrt. Viele Jugendliche in der Kneippstadt würden sich ein JuZe wünschen und wären auch bereits, sich dafür zu engagieren. (Archivfoto)
Foto: Victoria Moser

Wenn man ein wenig Adrenalin und Aufregung erleben möchte, gäbe es hier lediglich den Skyline Park, weshalb er mit Freunden ab und zu mal in die umliegenden Großstädte flüchte, erzählt er mit einem Augenzwinkern, zum Shoppen seien etwa Ausflüge nach Augsburg, München oder Memmingen beliebt. Auch Lindau oder Nürnberg stehen mal für einen Tagesausflug auf dem Programm, „dann fährt man abends wieder zurück, hat genug von der Aufregung, ist in Bad Wörishofen und hat seine Ruhe“. In seinem Heimatort selbst wünsche er sich eine Lokalität, die es anders als in einer Bar ermögliche, sich abends mit Freunden in Ruhe zu unterhalten. Der Jugendtreff in der Gartenstadt, der von „Bimbo“ in „Neue Mitte“ umbenannt wurde, sei eigentlich nur für die Jüngeren attraktiv, der Altersunterschied sei einfach zu groß. „Es fehlt was für Jugendliche von 14 bis 20 Jahren“, findet er.

Das damalige Juze, das von den Jugendlichen selbst verwaltet und organisiert wurde und tolle Konzerte wie beispielsweise die Toten Hosen in die Stadt holte, gibt es schon so lange nicht mehr, dass keiner der befragten Jugendlichen es aus eigener Erfahrung kennt. Auch heute würden sich noch genügend junge Menschen finden, die sich mit Begeisterung für ein Juze engagieren würden, ist Arda überzeugt. „Ich bin einer der Ersten, die dafür zu haben sind, Karina auch, weil wir so was einfach mögen“, betont er, „es muss halt einfach ein Startschuss von der Stadt kommen“. Wenn die Jugendlichen nicht erkennen können, dass etwas passiert, seien viele schnell desinteressiert und fühlen sich nicht gehört, erklärt der 17-Jährige, „auch wenn im Hintergrund administrativ sehr viel passiert“. Mit einem Juze die Gemeinschaft der Jugendlichen in Bad Wörishofen zu stärken, kleine Konzerte oder beispielsweise eine Talentshow zu organisieren, fände er eine tolle Sache.

Ganz so einfach sei das heutzutage nicht mehr, erzählt Christopher aus der Organisationserfahrung einer Faschingsparty. „Es ist eine wahnsinnige Arbeit und es werden einem viele Steine in den Weg gelegt“, von Gema-Gebühren bis hin zu Einlassbeschränkungen wären heute viel mehr Regelungen und Richtlinien zu beachten. „Obwohl man es gut meint, kann man sich schnell in eine unangenehme Situation manövrieren“.
Es sei auch gesellschaftlich um einiges schwieriger geworden, erzählt Ramona, die vor ihrem geplanten Studium der sozialen Arbeit derzeit als Betreuerin unter anderem an der Grund- und Mittelschule Bad Wörishofen arbeitet. Unterschiedliche Sitten und Bräuche führen häufiger zu Konflikten, sei ihre Erfahrung. Dennoch hält sie das Wiederauflebenlassen des Juze für eine interessante und coole Sache, „weil das so ein unverbindliches Angebot zum Treffen wäre“ und es schön wäre, einen Treffpunkt für die älteren Jugendlichen zu haben. Bei der Umsetzung wünschen sich alle befragten Teenager, dass die Jugend selbst einbezogen wird. „Ein 30- oder 40-Jähriger kann nicht wissen, was ein Jugendlicher genau will“, findet Arda, „deshalb muss man da auch mal die Jungen ranlassen“. Derzeit fänden interne Gespräche statt, erläutert Bürgermeister Stefan Welzel den Stand der Juze-Planungen, zusätzlich tausche er sich regelmäßig mit Robert Holzmann vom Kreisjugendring aus. „Zunächst muss für das Projekt die Standortfrage geklärt werden“, erläutert er, „diese hängt von äußeren Faktoren ab“. Die zuletzt vorgeschlagene Anbindung an die Arena Eishalle sei technisch und praktisch nicht möglich.

Ohne Juze wären für die älteren Jugendlichen derzeit der Ostpark, der Stadtpark, der Bahnhof und der Park am Kurhaus die abendlichen Haupttreffpunkte, erzählt Arda. „Sitzen, reden, Musik hören – richtig langweilig auf gut deutsch, aber es gibt halt nichts anderes“. Ramona kennt die Problematik. „Um mit anderen Jugendlichen im selben Alter feiern zu können, muss man hier eigentlich in einem Verein sein“, findet sie, „weil man dadurch einfach auch die Connections kriegt und dann auch weiß, wo vielleicht mal ausserhalb eine Party ist, auf die man zusammen hinfahren kann“. Sie selbst sei in der Stadtkapelle verwurzelt, ihr Bruder Christopher schon seit vielen Jahren bei der Feuerwehr und beim Roten Kreuz. „Wenn man ein gemeinsames Interesse hat, verbindet das ja auch und man hat was zu reden, das ist schon wichtig“, findet Christopher.

Das Stadtfest in Bad Wörishofen ist ein Highlight für Jung und Alt – wenn es stattfindet

Ein absolutes Highlight sei das Stadtfest, sind sich die Jugendlichen einig, und zwar für alle Generationen. „Es war schon immer toll, sowohl als Kind, als auch jetzt und für unsere Eltern, die dann alle ihre Freunde und Bekannten treffen“, sagt Christopher. Auch Arda ist begeistert und wünscht sich eigentlich nur, dass das Stadtfest nicht nur einmal, sondern zwei- oder dreimal im Jahr stattfindet. „Das Stadtfest ist einfach optimal, es bringt die ganze Stadt zusammen, und es sind auch sehr viele junge Leute dort, so wie es ist find ich´s super“. Auch der Kunsthandwerkermarkt und Street Food Markt komme sehr gut an, allgemein biete Bad Wörishofen eine gute Vielfalt an Events. „Das BR-Festival dieses Jahr finde ich schonmal eine sehr coole Sache“, freut sich Ramona, „man merkt, es wird was gemacht, es kommt immer mehr dazu“.

„In der Innenstadt gibt es nichts, was man wirklich verbessern kann“, findet Arda, einzig ein Geschäft mit jugendlicher Kleidung und ein 24×7 Selbstbedienungsladen für die wichtigsten Produkte sei aus seiner Sicht wünschenswert. „Selbst die Tankstelle macht bei uns schon um 22 Uhr zu, das ist schon schade“. Auch die Möglichkeit, nach 21 Uhr noch eine warme Mahlzeit zu bekommen, sei sehr beschränkt, die Ausweichmöglichkeit McDonalds in Türkheim inzwischen auch nicht mehr so attraktiv. Ein hipper Burgerladen mit der Möglichkeit, auch zu späterer Stunde essen zu gehen und mit Freunden in Ruhe etwas zu trinken, wäre schön für Bad Wörishofen, ist er überzeugt. Christopher gefällt die gebotene Vielfalt der vorhandenen Speiselokale gut, zum Sitzenbleiben und Weggehen eigne sich das Chaplin und die Weinstube besonders gut, findet er. „Im Sommer gibt´s die Eisdielen, das Café Handwerk immer voll, es ist schon was da“, bestätigt Ramona.

Dass immer mehr Geschäfte in der Innenstadt schließen, findet Arda schade. „Aber es ist auch ein Zeichen dafür, dass die Produkte, die dort angeboten worden sind, nicht mehr nachgefragt werden“, auch das Wörishofer Publikum ändere sich. „Irgendwo ist es festgefahren, dass Wörishofen eine Stadt für alte Leute ist“. Dabei zeigt die Gesamteinwohnerstatistik einschließlich der Stadtteile und Weiler Stand Dezember 2023, dass es genügend Nachwuchs in der Stadt gibt. Laut dieser Statistik hat Bad Wörishofen 18.572 Einwohner, davon 1.021 zwischen 0 und 6 Jahren, 1.255 zwischen sieben und 15 Jahren, 401 zwischen 16 und 18 Jahren und 3.560 zwischen 19 und 35 Jahren. Einen Jugendgemeinderat gibt es derzeit in Bad Wörishofen nicht. „Die Jugendlichen in die Zukunftsplanung einer Stadt einzubinden, ist eine gute Sache“, findet Bürgermeister Stefan Welzel, das Jugendzentrum „Neue Mitte“ habe bereits einen Jugendbeirat. „Über Robert Holzmann als Schnittstelle können hier Anliegen ausgetauscht werden“, erläutert Welzel, darüber hinaus habe er auch ein offenes Ohr für Anregungen, die auf dem „kurzen Dienstweg“ über die den Jugendlichen bekannten Ansprechpartner in der Schule, dem Kreisjugendring, den Vereinen oder direkt an ihn herangetragen werden. Neben Robert Holzmann als direkten Ansprechpartner für die Jugendarbeit befasse sich auch Stadtrat Tobias Kotonski als Sozialreferent mit Jugendthemen. Einer stärkeren Einbindung der Jugendlichen und der Bildung eines weitergehenden Jugendbeirats stehe er sehr positiv gegenüber, betont Kotonski. „Ich würde das definitiv unterstützen“, betont er, allerdings müsse auch der Wille der Verwaltung und des Stadtrats da sein, ein Budget und ein Handlungsfeld zu schaffen. „Dass auch was passiert, anders macht es keinen Sinn“.

Jugendliche wollen in Bad Wörishofen mitentscheiden und sich einbringen

Zudem müssten genügend Jugendliche gefunden werden, die Lust auf diese ehrenamtliche Arbeit haben. Die Lust sei aus seiner Sicht gar nicht das Problem, gibt der 21-jährige Christopher zu bedenken. „Um ehrlich zu sein, wüsste ich nicht, ob sich da viel ändern würde, wenn da junge Leute mitreden würden“, sagt er nachdenklich, „meine Einschätzung ist, dass man sich das anhören würde, aber ich glaube nicht, dass man dadurch in Wörishofen viel verändern könnte“. Genau diese Erfahrung hätten er und seine Schwester Ramona immer wieder in Vereinen gemacht. „Man versucht auch öfter in den Vereinen, die Jugend einzubeziehen, aber wirklich funktionieren tut es eigentlich nie“, bestätigt Ramona. „Man wird wahrgenommen und akzeptiert“, findet Christopher, „aber man kann als junger Mensch, glaube ich, Dinge nur in gewissem Maße beeinflussen und nicht großartig verändern“. Der 17-jährige Arda wünscht sich dennoch, die Zukunft seiner Heimatstadt bereits als Jugendlicher mitgestalten zu können. „Toll wäre es, die Möglichkeit zu bekommen, sich mit Stadtrats-Mitgliedern auszutauschen und zu diskutieren“, verrät er, „dass die Jugend sich auch einbringen und mitentscheiden kann, was aus Bad Wörishofen wird“.