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Wie Startups den Geschmack ohne Bohnen kopieren wollen

Wie Startups den Geschmack ohne Bohnen kopieren wollen

Auf den Päckchen aus den Niederlanden prangt ein Oxymoron: „Kaffeefreier Kaffee“ steht auf den rosa-weiß und blau-grün gemusterten Tüten. Das Start-up Northern Wonder hat uns für eine Verkostung gemahlenes Pulver und Kapseln geschickt, mit und ohne Koffein. Laut Aufdruck enthält die Kaffeealternative Kichererbsen, Feigen, Zichorien, Zitronensäure und beim Espresso zudem Backpulver – für die Crema. Chemiker würden das Gemisch Surrogat nennen, aber auch der alte Begriff Muckefuck – abgeleitet vom französischen „mocca faux“, also falscher Mokka – trifft es im Grunde. Nur ist dieser Muckefuck eben besonders ambitioniert.

Geht es nach Onno Franse, einem der Gründer von Northern Wonder, dann werden solche Kaffeealternativen künftig vermehrt in den Supermarktregalen zu finden sein. Er hat in der Lebensmittelbranche schon viele Trends kommen und gehen sehen. „Erst sollte alles billig sein, dann sicher, lecker, gesund und heute – aus guten Gründen – nachhaltig“, berichtet er. Auch Kaffee sei daher auf die Agenda gerückt, „vor allem wegen der Regenwaldabholzung“. Die Idee, Alternativen aus lokalen Zutaten zu kreieren, erschien Franse und seinen Mitstreitern daher naheliegend – und auch wirtschaftlich interessant.

Mit dieser Idee ist das Unternehmen nicht allein. Etwa eine Handvoll Start-ups weltweit versuchen sich zurzeit an Ersatzkaffees mit ähnlichen Zutaten, unter anderem Atomo in Seattle, Prefer in Singapur und Minus in San Francisco. Neben deren Ersatzprodukten sind auch Kaffeepulver in der Entwicklung, die aus Blattzellen von Kaffeepflanzen hergestellt werden. Daran arbeiten unter anderem ein Team am finnischen Forschungsinstitut VTT, die Start-ups Food Brewer in der Schweiz und California Culture in den USA sowie das Biotechnologie-Unternehmen Pluri aus Israel. Wie Northern Wonder werben sie mit Benefits fürs Klima und für die Umwelt. Und sie wollen mit den Alternativen zum klassischen Kaffee aus Bohnen eine potenzielle Lücke schließen, die zwischen klimawandelbedingt schrumpfenden Anbauflächen und einem zugleich weltweit steigenden Konsum entstehen könnte.

Dieser Text ist zuerst in der Ausgabe 4/2024 von MIT Technology Review erschienen. Darin beschäftigen wir uns damit, wie wir uns besser für Katastrophen wappnen können. Hier könnt ihr die TR 4/2024 bestellen.

Kaffeeverbrauch zieht an

Noch steigt die Menge an produziertem Kaffee von Jahr zu Jahr. Laut der Internationalen Kaffeeorganisation ICO ist sie von 1990 bis 2020 von 95 auf knapp 169 Millionen Sack Kaffee gestiegen – ein Sack fasst 60 Kilogramm. Im gleichen Zeitraum kletterte aber auch der weltweite Verbrauch von 91 auf 166 Millionen Sack. Setzt sich dieser Trend fort, entsteht schon 2030 eine Lücke von drei Millionen Sack. Hinzu kommt: Rund 80 Prozent der weltweiten Kaffeeproduktion stammen von Kleinbauern, die an der Armutsgrenze leben. Bereits kleine Verschlechterungen in den Anbaubedingungen oder Schwankungen auf den Märkten könnten dazu führen, dass sie aufgeben.

Generell gilt: Je höher die Temperatur, desto schneller reift der Kaffee, desto schlechter ist seine Qualität und desto anfälliger werden die Pflanzen für Krankheiten. In Mexiko etwa klagen die Farmer darüber, dass der Kaffeekirschenkäfer mittlerweile Pflanzungen bis in 1200 Meter Höhe befällt. Bis vor Kurzem galten Pflanzungen zwischen 600 und 1600 Meter noch als sicher.

Vom Klimawandel profitieren werden hingegen wohl nur wenige Regionen, berichten Forschende der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Fachblatt PLOS ONE. Sie ermittelten, wie sich verschiedene Szenarien bis 2050 auf den Kaffeeanbau auswirken könnten. Als Haupteinflussfaktor betrachteten sie den Anstieg der mittleren Temperatur. Das Ergebnis: Die am besten für den Anbau von Kaffee geeigneten Flächen gingen in allen drei Szenarien um rund 50 Prozent zurück. Die Regionen, in denen zurzeit der meiste Kaffee produziert wird – Brasilien, Vietnam, Indonesien und Kolumbien – sind dabei am stärksten betroffen. Sie verlieren bis zu 97 Prozent der besten Anbauflächen.

„Wir haben alle Kaffeerezepturen aus lokalen Zutaten evaluiert“

Die Zutaten, die Northern Wonder für seine Kaffeealternativen nutzt, sind deutlich unempfindlicher, was die Temperaturen betrifft. Sie wachsen auch außerhalb der Tropen und sogar auch in den Niederlanden, wo Onno Franse und seine Mitstreiter vor einigen Jahren die Unternehmensgründung angingen. Schnell fanden sie Industriepartner und starteten mit Doktoranden der Universität Wageningen eine umfangreiche Recherche. „Wir haben alle Kaffeerezepturen aus lokalen Zutaten evaluiert, die es gab, seit Napoleon die Grenzen Europas blockierte“, erzählt er. Das Team habe Hunderte Früchte und Getreidesorten getestet, erst roh, dann geröstet. „Wir haben sie chemisch analysiert, verkostet und dann eine Art Spinnennetz, ein Aromaprofil, kreiert, das uns hilft, unsere Rezepturen immer besser zu machen“, so Franse. Um mehr Geschmacksnoten zu erhalten, setzt das Team außerdem Mikroben zur Fermentierung der Pflanzenstoffe ein.

Auch heute noch brüht das Team täglich etliche Tassen kaffeefreien Kaffee auf, analysiert die Aromen, verkostet und schmeckt heraus, was fehlt. „Ist das Produkt zu bitter? Fehlen florale Noten? Dann ändern wir die Rezeptur entsprechend und beginnen wieder von vorne“, erzählt Franse. Auch professionelle externe Verkoster testen die Produkte. So seien auch Händler aus der Schweiz auf das Unternehmen aufmerksam geworden, hätten den Kontakt gesucht und verkauften das Produkt mittlerweile in ihren Läden, berichtet Franse. Und es könne beim Hersteller online bestellt werden. Bohnenimitate will das Team im Sommer präsentieren.

Kaffee-Test in der Redaktion

In unserer Verlagsküche testen wir zwei der aktuellen Produkte. Der „Espresso Blend mit Koffein“ ist laut Packungsaufschrift das kaffeeähnlichste Produkt des Start-ups. Er ist für Siebträgermaschinen oder Espressokännchen gemahlen. Wir füllen die vorgeschriebenen 20 Gramm für einen „double shot“ in einen Siebträger. Haptisch wirkt das Pulver tatsächlich wie halbwegs fein gemahlener Kaffee. Es riecht angenehm – allerdings nicht wie Espresso, sondern mehr wie Kakao mit ein paar Röstnoten.

Die Menge passt. Wir drücken den Kaffee mit einem Profi-Tamper fest und koppeln den Siebträger ein. Dann fließt der Kaffee und in 30 Sekunden bekommen wir einen doppelten Espresso mit schöner Crema. Geschmacklich enttäuscht der Ersatzkaffee allerdings: Er ist recht bitter und sauer und erinnert eher an löslichen gefriergetrockneten Kaffee als an einen Espresso aus dem Siebträger. Aufgeschäumte Milch verbessert den Geschmack leider auch nicht.

Danach probieren wir den „Filter Blend“, zubereitet in einer Kaffeemaschine – ein Teelöffel pro Tasse und ein Löffelchen für die Kanne. Auch dieses Pulver riecht leicht nach Kakao, hat aber weniger Röstnoten. Das Resultat schmeckt wie ein schwacher Filterkaffee, der irgendwie mit gerösteten Erdnüssen in Berührung gekommen ist. Ungewöhnlich, aber nicht unangenehm.

Herausforderung Aroma

Warum es so schwierig ist, den typischen Kaffeegeschmack nachzuahmen, erklärt Chahan Yeretzian am Coffee Excellence Center der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Auf einem Labortisch thront die „Emma“. So hat sein Team ein chemisches Analysegerät mit Röhrchen, Schaltern und Schläuchen getauft, das Gaschromatographie mit Massenspektroskopie kombiniert und die enthaltenen flüchtigen Stoffe nicht nur trennen, sondern auch identifizieren kann. Über einen Extraauslass am Gerät können die Forscher sie einzeln riechen.

Zwar seien weniger Moleküle für das typische Kaffeearoma verantwortlich, als gemeinhin angenommen werde, sagt der Chemiker. „Aber es sind immerhin noch 25. Bei einer Banane oder Ananas ist es jeweils nur ein einziges Molekül, das für den typischen Geschmack sorgt.“ Außerdem komme es auch auf das Mengenverhältnis an. In Kakao etwa steckten sehr ähnliche Leitaromen wie in Kaffee, nur eben anders komponiert. Die Vorläufersubstanzen, aus denen diese Aromen beim Rösten entstehen, sollten also in einer guten Kaffeekopie enthalten sein.

Doch selbst das garantiert keinen typischen Kaffeegeschmack. Denn die Vorgänge beim Rösten, die Maillard-Prozesse, sind nur schwer zu kontrollieren. Entwickeln sollen sich nussige, getreideähnliche Pyrazine und fruchtige Noten, die bestimmte Aldehyde liefern können. Dazu kommen Butter- und Karamell-Geschmackskomponenten, unter anderem aus Ketonen. Es geht um Säure, Schärfe und – natürlich – um die für Kaffee charakteristische Röstnote. Jedes Molekül liefert ein ganzes Set an Aromen. Auch das macht die Komposition des Kaffeegeschmacks so komplex.

Der ZHAW-Wissenschaftler Sebastian Opitz justiert das Einlasssystem eines wichtigen Messgeräts für die Analyse von Kaffee und Alternativen. Das Gerät heißt Ion-Mobility Time-of-Flight Mass Spectrometer (IM-ToF-MS) und kann verschiedene Moleküle eines Gemisches voneinander trennen – unter anderem über Flugzeiten in einem elektrischen Feld. (Foto: Brüderli Longhini AG, Frank Brüderli, Zentralstrasse 37, CH 8003 Zürich, www.bruederlilonghini.ch)

Damit diese Aromen beim Rösten auch tatsächlich entstehen, kommt es nicht nur auf den Temperaturverlauf an. Beim echten Kaffee spielt auch die innere Struktur der Bohnen eine entscheidende Rolle. „Intakte Bohnen sind aus Zellen aufgebaut, die beim Rösten geschlossene Poren bilden. Diese wirken wir Mikroreaktoren, in denen ein hoher Druck entsteht“, erklärt Yeretzian. Mahle man grüne Kaffeebohnen und röste sie anschließend, entstünden die gewünschten Aromen nicht. „Vor dem Rösten die richtigen Vorläufersubstanzen zu haben, reicht also nicht aus.“ Damit Pulver – was bisherige Kaffeealternativen in der Regel sind – nicht verkohlten, könne man zudem nicht mit so hohen Temperaturen arbeiten, wie sie für das Rösten sonst üblich sind.

Nachgebaute Bohnen

Das Start-up Atomo hat deshalb die Kaffeebohne regelrecht nachgebaut – aus geschroteten Dattelkernen. Diese Bohnennachbauten haben eine ähnliche innere Struktur wie grüne Kaffeebohnen. „Die Dattelkerne fallen als Nebenprodukt auf einer Farm an, mit der wir zusammenarbeiten“, sagt Ed Hoehn, Chief Operating Officer des Unternehmens. Die Kerne werden gereinigt, getrocknet und gemahlen, bis sie in etwa die Größe von Kaffeebohnen haben. Anschließend baden sie in einer Art Marinade, die das Team aus weiteren pflanzlichen Zutaten komponiert hat. „Wir nutzen zum Beispiel Sonnenblumenkerne, die wie grüne Kaffeebohnen viel Chlorogensäure enthalten“, erzählt der Unternehmer. Auch Hirse, Zitrone, Guave, entfettete Bockshornkleesamen und Samen des Brotnussbaums steckten im Produkt. Die marinierten Dattelkerne könnten mit üblichen Verfahren geröstet werden, sagt Hoehn. Für die koffeinhaltige Version nutzt das Unternehmen Koffein aus grünem Tee, das beim Entkoffeinieren anfällt. Das Ergebnis ist ein gemahlenes Espressopulver, das in einer Siebträgermaschine zubereitet werden sollte und in den USA in Supermärkten schon zu kaufen ist. Auch wir konnten den Espresso schon probieren. Die Crema war nicht ganz so üppig, und der Kaffee war recht sauer. Mit Zucker schmeckte er aber wie ein brauchbarer Espresso aus Bohnen.

Eine Ökobilanz, die Atomo bei einem externen Institut in Auftrag gegeben hat, ist zwar noch nicht veröffentlicht worden. CO2-Fußabdruck und Landverbrauch seien jedoch in jedem Fall deutlich kleiner als bei der Produktion konventionellen Kaffees, betont Hoehn. Das liege zum einen am Upcycling pflanzlicher Nebenprodukte und zum anderen daran, dass schnell wachsende Kulturen genutzt würden, die über Photosynthese immer wieder Kohlendioxid binden können.

Kaffee aus dem Bioreaktor

Noch klima- und umweltfreundlicher ist vermutlich eine andere Produktionsmethode für alternativen Kaffee: die zellkulturbasierte Herstellung. „Zellen werden aus Teilen der Pflanze extrahiert und in Reaktoren kultiviert. Dabei entsteht ein Pulver, ähnlich einem gemahlenen grünen Kaffee“, erklärt Yeretzian. Das Pulver könne man anschließend rösten und extrahieren. Über die Kultivierungsbedingungen lasse sich die chemische Zusammensetzung steuern. Zellkultivierter Kaffee komme zudem ohne den Einsatz von Pestiziden und Düngern aus. „Und er ist zu 100 Prozent Kaffee, dem man allfällige Geschmackseigenheiten vermutlich eher verzeihen würde als den Surrogaten“, glaubt der Wissenschaftler.

Sichtprüfung von Arabica-Pfanzen im Gewächshaus: Heiko Rischer hat es auf die Blätter der Pflanzen abgesehen, aus denen das VTT zellbasierten Kaffee produziert. (Foto: Vesa Kippola / VTT)

Auch Heiko Rischer arbeitet seit einigen Jahren an zellkulturbasiertem Kaffee – am Technischen Forschungszentrum Finnland VTT. „Als Ausgangsmaterial nehmen wir eine Arabica-Pflanze, einen Klon – ein Schnipsel eines Blattes genügt. Bei größeren Mengen sind es vielleicht 20 Schnipsel. Diese Zellen können wir im Bioreaktor beliebig vermehren“, erzählt er. Ende letzten Jahres veröffentlichte sein Team eine Machbarkeitsstudie im Fachblatt Journal of Agricultural and Food Chemistry. „Unser Kaffee enthält noch nicht alle wichtigen Kaffeearomen, obwohl es viele Überschneidungen gab“, so der Forscher. Es gebe noch viele Stellschrauben, darunter die Kaffeesorte, Trocknungsverfahren, die Bedingungen bei der Kultivierung, Temperatur, pH-Wert und Mischtechnik. „Wir glauben daher, dass wir am Ende ohne Zusatz von künstlichen Aromen auskommen.“ Aber auch das wäre eine Möglichkeit. Mit künstlichen Kaffeearomen werden zum Beispiel viele der trinkfertigen Kaffees aus dem Kühlregal aufgepeppt.

Der aktuell sehr niedrige Koffeingehalt des zellbasierten Kaffees ließe sich ebenfalls noch steigern, sagt Rischer. „Koffein ist ja ein Abwehrgift gegen Insekten, das die Pflanze unter Stress bildet. Und solchen Stress können wir über die Kultivierungsbedingungen erzeugen.“ Die vielleicht größte Herausforderung ist die Regulierung. „Für eine Zulassung nach der EU-Novel-Food-Verordnung müssen wir zeigen, dass das Produkt sicher ist, wofür wir aber ein marktreifes Produkt bräuchten. Und dieses wiederum können wir nur entwickeln, wenn klar ist, dass eine Zulassung wahrscheinlich ist. Das ist ein Henne-Ei-Problem“, so der Forscher.

Kaffeepflanzen wachsen im Schatten größerer Bäume auf einer Farm in Kolumbien. Das Mischkonzept macht den klassischen Kaffeeanbau nicht nur klimaresilienter, sondern steigert auch die Artenvielfalt. (Foto: Brian Smith/American Bird Conservancy)

Bioethiker sehen zudem Herausforderungen anderer Art. Die Produktion von synthetischem Kaffee in großem Stil könne zu ethischen und ökologischen Problemen führen, schreiben etwa Zoe Robaey von der Wageningen University und Cristian Timmermann von der Universität Augsburg in ihrem Paper Who owns the taste of coffee?. Werde die Arbeit der Kaffeebauern durch neue Formen der Kaffeeproduktion ersetzt, gäbe es keinen Anreiz mehr zur Entwicklung und Erhaltung von Kaffeesorten vor Ort. Damit würde den Kaffeeproduzenten nicht nur die ökonomische Grundlage entzogen. Es würde auch der ökologische Beitrag verschwinden, den kleine Kaffeefarmen leisten. Ein Anreiz könnte den Autoren zufolge eine neue Art Eigentumsrecht am Kaffeegeschmack sein, etwa indem man Kaffee und Kaffeeanbau zum Weltkulturerbe erklärt. „Unser Ziel ist es nicht, diese neuen Entwicklungen zu stigmatisieren, sondern darüber nachzudenken, wie wir verantwortungsvoll vorgehen können.“

Klimaresistenterer Kaffee

Tatsächlich gibt es Ansätze, klimawandelbedingte Ernteverluste beim echten Kaffee zu mindern. Unter anderem zielen Forscher darauf ab, neue Sorten zu züchten, die auch höhere Temperaturen gut vertragen. 2021 präsentierte ein britisch-französisches Forscherteam in Nature Plants Coffea stenophylla (schmalblättrigen Kaffee) als Alternative zu Arabica.

Die Kaffeeforscherin Athina Koutouleas von der Universität Kopenhagen wiederum plädiert dafür, das historisch gewachsene Wissen zur Kaffeepflanze zu nutzen, um steigenden Temperaturen Paroli zu bieten. Schließlich habe sich die Pflanze in einem afro-montanen Waldgebiet entwickelt. „Sie ist eigentlich eine Unterwuchspflanze“, sagt sie, „und verfügt über diese genomische Plastizität, die es ihr ermöglicht, in voller Sonne, im Schatten, in verschiedenen Höhenlagen und in niedrigen Lagen zu gedeihen. Sie ist eine phänomenale Pflanze.“ Statt den Kaffee in riesigen Monokulturen anzubauen, könnte man ihn zumindest in den ersten Jahren durch andere Pflanzen beschatten, ihn beispielsweise unter Bananenstauden pflanzen, die ohnehin nur zwei bis drei Jahre alt werden. „Das ist eigentlich das, was Landwirte intuitiv tun. Sie ahmen nach, was die Mutterpflanze in einem Wald tun würde“, sagt Koutouleas. „Der Kaffeeanbau ist so tief in der äquatorialen Kultur verwurzelt. Wir im Westen wissen das oft nicht, bis wir es tatsächlich sehen. Man beginnt zu verstehen, dass dies eine Schatzkammer alten Wissens ist. Wir müssen zu diesem Wissen zurückkehren.“

Die Start-ups, mit denen wir gesprochen haben, erkennen das offenbar an. Sie sähen ihre Kaffeealternativen nicht als Ersatz für den konventionellen Kaffeeanbau, sondern als Ergänzung, sagen sie. Das Team um Maricel Saenz aus San Francisco – sie hat mit ihrem Unternehmen Minus einen Coldbrew aus alternativen Pflanzenquellen entwickelt – will Kaffeebauern unter anderem durch Beratung und mit hochwertigen Samen unterstützen, um deren Gewinne zu steigern. „Wir haben großen Respekt vor den traditionellen Kaffeeanbauern und treffen uns regelmäßig mit ihnen. Wir kämpfen den gleichen Kampf – für eine umweltfreundliche Produktion, bei der alle angemessen bezahlt werden.“

Der Artikel entstand aus einer Zusammenarbeit der TR-Redakteurin Andrea Hoferichter und dem TR-Redakteur Wolfgang Stieler.

 

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