close
close

Nach DHDL: Drei Top-Lektionen der Badesofa-Gründerinnen

Nach DHDL: Drei Top-Lektionen der Badesofa-Gründerinnen

Nach DHDL: Drei Top-Lektionen der Badesofa-Gründerinnen

Natalie Steger (l.) und Annika Götz haben mit Kissen für die Badewanne ein Startup aufgebaut, das weltweit 100.000 Kunden erreicht.
Badesofa

Dass Kissen für die Badewanne vermeintlich nur eine Nische seien, haben die Gründerinnen Annika Götz und Natalie Steger schon oft gehört. Trotzdem haben sie es gemacht, vor fünf Jahren ihr Startup Badesofa gegründet und ihre Idee – unbequeme, nackte Wannenränder mit Polstern auszustatten – umgesetzt. Den Risiken waren sie sich bewusst: „Wir hatten Jobs vorher und Familie. Wir waren nicht Anfang 20, als wir gegründet haben“, sagt Steger. Andere Ideen, nachhaltige Schwimmmode für Kinder oder Marktforschung für kleine Unternehmen, schwirrten den Kölnerinnen auch durch den Kopf. Worauf also festlegen? Erstmal gar nicht, dachten sich beide, und verfolgten alles parallel.

In „gemütlichem“ Tempo, ein paar Stunden am Tag, hantierten beide am Küchentisch zunächst selbst mit Stoff und Nähmaschine, bauten 2019 einen Webshop auf, kooperierten mit anderen Händlern und verkauften so erste Kissen. „Irgendwann nahm das Ganze Fahrt auf, wir brauchten mehr Mitarbeiter“, erinnert sich Steger. Die Produktion verlagerten sie in einen Hinterhof am Kölner Großmarkt, dann, als es noch größer wurde, nach Polen. Mit dem ersten Corona-Lockdown stand fest: Die Gründerinnen setzen alles auf eine Karte – Badesofa. So nannten sie ihr Startup, auch wenn sie im Grunde keine Sofas, sondern einfach nur schnelltrocknende Kissen anbieten.

Heute bedienen Götz und Steger eigenen Angaben zufolge mehr als 100.000 Kunden weltweit, erwirtschaften jährlich sechsstellige Gewinne und haben im Juni 2023 eine amerikanische Geschäftseinheit eröffnet. In den Sommerferien waren sie drei Tage in Texas, um die nahgelegene Produktion in Mexico zu besuchen. Ihr Ziel ist es, das US-Geschäft so groß aufzuziehen wir das in Deutschland. Stellt ihnen heute noch jemand die Frage nach der Nische, wird der nur ein müdes Lächeln ernten. Über den Punkt sind die Kölnerinnen weit hinaus. Sie machen Big Business – und das ohne die Hilfe von Investoren. Wie haben sie das geschafft?

Bei den Frauen kam Vieles zusammen. Ehrgeiz und Wille – und „Zufälligkeit“, wie es Götz ausdrückt. Die Pandemie, in der die Menschen gezwungen waren, Zeit in ihren Wohnungen zu verbringen, ließ den E-Commerce-Handel boomen. Zudem verlegten viele ihre Wellness-Oase nach Hause. „Es war genau das richtige Produkt für den Zeitpunkt, in dem die Leute es sich gemütlich gemacht haben,“ sagt Götz. Den letzten Anschubser gaben Götz und Steger ihrem Startup durch einen Auftritt in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ im Jahr 2021.

Lest auch

Die Höhle der Löwen Investor Ralf Dümmel

„Alle sagten: Aus dem wird nichts“: Wie Höhle der Löwen-Investor Ralf Dümmel es zum Millionen-Unternehmer brachte

„Wir hatten auf Fernsehen eigentlich gar keine Lust,“ sagt Götz. Um die Verkäufe am Laufen zu halten, hätten sie aber viel in Werbung investieren müssen. Weil sie sich von der Show einen „Amerksamkeitskick“ versprachen, entschieden sie sich also mitzumachen. Rund 250 Badesofas hatten sie bis dato verkauft. „Wir hatten nicht viel vorzuweisen“, so die Gründerin. Doch ihr Plan ging auf: Die Show verhalf ihnen zu einem Nachfrage-Boom. Investor Ralf Dümmel, der den Gründerinnen in der Sendung einen Deal anbot, half ihnen, in den Handel zu kommen. Sie vereinbarten eine Vertriebskooperation mit der DS Gruppe, wodurch die Badewannenkissen ins Teleshopping bei QVC und in Filialen von Karstadt landeten. „Er war für uns ein guter Mentor, hatte aber nie Anteile an der Firma“, betont Steger. Da die Vorstellungen über die Weiterentwicklung von Badesofa auseinandergingen, zerschlug sich die Zusammenarbeit später.

Im Jahr ihres DHDL-Auftritts verbuchten die Gründerinnen einen Rekord-Gewinn von rund 1,3 Millionen – eine 15-fache Steigerung zum Vorjahr. Laut Northdata hat sich der Gewinn 2022 wieder auf rund 100.000 Euro eingespielt. Aber es läuft. Der Markt gibt ihnen Rückenwind: Das Beratungsunternehmen McKinsey schätzt, dass der globale Wellnessmarkt im Jahr 2023 ein Volumen von 1,8 Billionen US-Dollar (1,6 Billionen Euro) erreicht hat. Laut einer repräsentativen Analyse vom Marktforschungsinstitut IfD Allensbach gaben 2023 zudem rund 35 Prozent der deutschen Bevölkerung an (24,5 Millionen), für Gesundheit und Wellness „einiges an Geld“ auszugeben – Tendenz steigend.

Lest auch

Von KI-Lebensmittelwaage bis Kältekammer: Diese Startups wollen die Fitness-Tools von morgen liefern

Welche drei wesentlichen Lektionen, die Gründerinnen über Bootstrapping und den Consumer-Markt gelernt haben, teilen sie hier.

1. Wähle je nach Kunden eine andere Marketing-Strategie und andere Kanäle.

„Die Deutschen sind ein Volk der Badewannen“, betont Steger. „In 75 Prozent der Haushalte steht eine.“ In absoluten Zahlen ausgedrückt seien das etwa 30 Millionen, die mit Kissen bestückt werden könnten. Zwar suchen sich nicht alle Besitzer freiwillig eine Wanne aus – gerade in älteren Mietwohnungen steht oft eine Badewanne, statt einer Dusche. Dann gibt es Menschen, die grundsätzlich lieber duschen. Dennoch bleibt Steger bei dem Argument: „Wannen sind nie auf den Menschen ausgerichtet, man liegt immer unbequem und häufig sind sie zu groß oder zu klein.“

Um vor allem Konsumentinnen von ihrem Produkt zu überzeugen, fahren die Gründerinnen eine zweigleisige Strategie. „Es gibt die eine Gruppe, die versteht das Problem direkt“, erklärt Götz. Eine Anzeige im Instagram-Feed könne da schon reichen. „Die andere Gruppe, die noch nicht darüber nachgedacht hat, dass ihre Wanne bequemer sein könnte, müssen wir erst überzeugen – zum Beispiel auch durch den Design-Aspekt, dass so ein Kissen schön aussieht und in Nude-Farben erhältlich ist.“ Generell setzen die Gründerinnen verstärkt auf Performance Marketing über Social Media. Jede Werbemaßnahme wird anhand von Kennzahlen wie Nutzerklicks ausgewertet. Auf Instagram posten Götz und Steger viele Bewegtbilder mit wenig Schrift, die kurz hintereinander aufpoppen, machen mal Gewinnspiele, gezielte Rabatt-Aktionen und arbeiten mit Influencern wie Carmushka und Anna Johnson zusammen.

Lest auch

Immobilien, Startups, Mode: Das ist das Unternehmens-Portfolio der Influencerin „Carmushka“

Da ihre Konsumentengruppe breit gefächert sei – vom mittleren Alter bis 70 – seien Offline-Kanäle aber genauso wichtig. Gerade da sieht Steger noch Verbesserungs-Potenzial: „Social Media kriegen wir als bootstrapped Unternehmen gut hin, aber bei Außenwerbung oder Fernsehwerbung sind wir nicht so schnell, sondern eher kostensensitiv unterwegs. Das sorgt zwar für ein gesundes Wachstum, aber hemmt auch.“

2. Diversifiziere dein Produktangebot früh – aber vorsichtig, um Kunden langfristig zu binden.

„Retention ist bei uns ein Thema“, sagt Steger. „Wir müssen einen großen Teil an Neukunden gewinnen.“ Denn die Badesofas sind nicht günstig, kein Accessoire, das sich Verbraucher einmal im Monat gönnen. Eher würden Badesofas häufig als Geschenk-Artikel vor Weihnachten oder zum Muttertag gekauft. Für ein kleines Kissen „Slim“ berechnet das Startup rund 130 Euro. Die große Variante für den Rücken ist nochmal gut 40 Euro teurer. Den Gründerinnen ist bewusst: „Unsere Zielgruppe muss eigenes Geld verdienen, nicht gerade erst in den Job eingestiegen sein – und ein bisschen gestresst sein, hilft auch.“

Steger und Götz entschieden sich daher, ihr Portfolio früh zu diversifizieren. Als das Geschäft 2021 in Schwung kam, brachten beide ein zweites Produkt auf den Markt: Das Saunasofa – eine gepolsterte Matte mit dazugehörigem Kissen. Wieder besteht ein ähnliches Problem: Statt der ungemütlichen Wanne steht nun die harte Sauna-Holzbank im Fokus. Nach dieser Logik hangeln sich Gründerinnen im Wellness-Markt schrittweise vor. Durch Zubehör wie Bademäntel, Handtücher in den Farben der Badewannenkissen oder Duftkerzen, Badeschaum- und Salz, versuchen sie zudem Stammkundinnen zu halten. Der Stil bleibe laut Steger immer gleich: Die Textilien seien farblich abgestimmt, funktional und aus ähnlichen Materialien gefertigt.

Dass das Startup sein Angebot ausweitet, hat dabei noch einen anderen Grund: Steigende Fixkosten, etwa durch 15 Mitarbeiter, die die Gründerinnen bis heute eingestellt haben. „Wir mussten deswegen aus der Saisonalität rauskommen“, betont Götz. Das heißt konkret: Von der winterlichen Badewanne zum Sommer draußen. Seit diesem Jahr gehen die Gründerinnen gezielt in den Outdoor-Bereich – mit einer Kisseninsel, die im Pool schwimmen kann. „Im Winter kann man es als Gästebett benutzen“, meint Steger. „Das ist für uns eine total spannende Entwicklung, mehr in die Möbelrichtung zu gehen.“

Lest auch

Boostrapping

Erfolgreich durch Bootstrapping: Das haben drei Gründer dabei gelernt

Anderen Gründern rät sie, anfangs kleine Stückzahlen zu produzieren und nicht zu sehr auf die Marge zu achten. „Man muss erstmal schauen, ob ein Produkt vom Markt angenommen wird.“ Dadurch, dass sie gebootstrapped seien, hätten sie „nicht einfach mal eine Million in die Produktentwicklung“ gesteckt. Stattdessen sollten Mengen schrittweise erhöht werden, sodass die neuen Produkte „irgendwann auch finanziell Spaß machen.“ Nur so ließe sich auch der Bestand effizient managen. Gerade bei großvolumigen Produkten wie Kissen sei das wichtig, betont Götz. „Das ist uns in den Anfangsjahren auch nicht immer gut gelungen.“ Gerade nach der DHDL-Teilnahme sei es schwergefallen, Umsätze zu erahnen.

3. Expansion in die USA: Denk daran, die Amerikaner ticken anders.

Die Gründerinnen stellten früh fest, dass sich eine Expansion in die USA lohnen könnte. Über den Webshop sei die Kundenzahl aus den Staaten stetig gewachsen. Dazu Steger: „In den USA gibt es mehr Badewannen als Einwohner, nämlich 500 Millionen.“ Laut der Gründerin besäßen Amerikaner oft Häuser mit drei bis vier Bädern, die jeweils Badewannen eingebaut hätten. Den US-Markt von Deutschland aus zu bedienen, habe sich allerdings nicht gleich positiv auf die Umsätze ausgewirkt. „Wir haben erstmal draufgezahlt“, sagt Steger. „Der hohe Versand war nicht kosteneffizient zu gestalten.“ Dennoch hätten sie sehen können, dass ihr Produkt funktioniert. Co-Gründerin Götz betont: „Wir haben das ein bisschen als Marktforschung gesehen.“

Bei der Niederlassung in den USA hat den Badesofa-Gründerinnen letztlich die Teilnahme am staatlich geförderten German Accelerator geholfen. Dieser unterstützt Gründer, die sich  nach San Francisco, ins Silicon Valley, nach New York oder Boston orientieren wollen, in Form von Trainings, Workshops und Coachings vor Ort. „Das können wir nur jedem raten, der mit dem Gedanken, in die USA zu expandieren, spielt, solche Accelerator-Programme zu suchen. Das ist sehr hilfreich. Von hier aus ist es sonst schwierig, einen fremden Markt miteinzubinden“, betont Götz. Inzwischen haben die Gründerinnen eine feste Mitarbeiterin in den USA eingestellt.

Lest auch

„Weniger Zeit zu pitchen“ – was dieser Gründer bei seiner US-Expansion gelernt hat

Nach gut zwei Jahren, die sie den US-Markt nun bedienen, bemerken sie zudem einige Unterschiede beim Verhalten der Konsumenten. Das betrifft zum Beispiel die Größe der Warenkörbe. „Wenn der Amerikaner einmal da ist, dann kauft er auch – am liebsten in Bündeln“, sagt Götz. Deswegen seien Produkte neben den Badesofas so wichtig. Steger spricht vom „American Set.“ Während deutsche Kunden häufig nur ein Rückenkissen kaufen würden, landeten bei amerikanischen Kunden oft gleich drei verschiedene Kissen im Einkaufskorb. Bademäntel oder Handtücher kämen laut Steger teilweise noch on top. „Dann haben sie quasi ihre Grundausstattung fürs Badezimmer zusammen.“

Auch in der Kundenansprache und Tonalität müsse man in den USA deutlich direkter sein. Werbung müsse „in your face“ sein, meint Steger. Statt dem nordisch reduzierten Stil, der hier gut funktioniere, hätten große Letter mit Preis mehr Wirkung. Zudem experimentieren die Gründerinnen auch mit dem Produktsortiment in beiden Ländern. Saunakissen würden im Vergleich zu Badewannenkissen etwa weniger gut laufen. Anstelle des Handtuchs aus Waffelpiqué-Stoff würde die klassische Variante aus Frottee bevorzugt. Auf dem Tisch im Kölner Büro von Badesofa stehen derzeit zudem einige Raumsprays und -Düfte. „Die testen wir gerade für den amerikanischen Markt“, erklärt Steger.

Generell finden die Gründerinnen aber: Als Startup muss man einfach machen und flexibel sein. Erst kürzlich seien sie wieder überrascht worden. Diesmal von den österreichischen Konsumenten, die sich – wider Erwarten – anfingen, mit Poolsofas einzudecken. Für Steger sind das Erfahrungen, die sich nicht mit Studien herausfinden ließen. „Man muss den Weg selbst gehen.“

Lest auch

Kolumne: Ein Unternehmerpaar wandert aus