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Das wollen die Parteien für die Thüringer Gesundheitspolitik

Das wollen die Parteien für die Thüringer Gesundheitspolitik

/Andreas Prott, stock.adobe.com

Erfurt – Am Sonntag ist Landtagswahl in Thüringen. Die sieben Parteien, die eine Chance haben in den Erfur­ter Landtag einzuziehen, klären in ihren Wahlprogrammen unter anderem über ihre gesundheitspolitischen Ziele auf.

So denkt etwa die Thüringer SPD über Arztlotsen nach, die CDU verfolgt ein 20-Minuten Versprechen, die Grünen sind offen gegenüber neuen Versorgungsstrukturen, für die FDP ist eine Entbürokratisierung als Ent­lastung für Ärzte zentral, das BSW will wieder Polikliniken etablieren, die Linke setzt auf kommunale medizi­nische Versorgungszentren und die AfD will die Gesundheitsversorgung von Geflüchteten reduzieren.

Kaum Unterschiede in den Wahlprogrammen gibt es etwa bei der Stärkung der ambulanten Versorgung – vor allem in unterversorgten Regionen und einer zukunftsfähigen Krankenhausplanung. Auch hinsichtlich der Ver­besserung der Geburtshilfe sind sich fast alle Parteien einig. Viele fordern zudem eine Weiterentwicklung der Telemedizin, um die Gesundheitsversorgung zu entlasten und zu verbessern.

Ambulante Versorgung im Fokus

In Thüringen sind derzeit etwa 100 Hausarztsitze nicht vergeben, insbesondere in ländlichen Regionen fehlt es an Versorgungsstrukturen im haus- und fachärztlichen Bereich. Ein gutes Instrument gegen den bestehen­den Ärztemangel seien medizinische Versorgungszentren (MVZ), erklärte der Landtagsabgeordnete Ralf Plöt­ner aus Altenburg (Linke) vergangene Woche bei der Veranstaltung „Faktencheck Gesundheitspolitik“, organi­siert von der Gemeinschaft der Heilberufe in Thüringen.

„Die Ärztinnen und Ärzte wünschen sich, in Angestelltenverhältnissen zu arbeiten“, sagte er. Der Linken ist dabei wichtig, dass diese nicht privat getragen werden, sondern in öffentlicher Hand seien und kein Profit­interesse hätten. Um dies zu regeln, brauche es eine Anreizfinanzierung, die private Investoren nicht anziehe, ergänzte der Bundestagsabgeordnete Ates Gürpinar (Linke) bei der Veranstaltung. Die Vergabe von MVZ sollte deshalb über die Kommunen laufen.

Auch für die Grünen ist es wichtig, mehr MVZ in kommunaler Trägerschaft zu haben, erklärte die Grünen-Poli­tikerin und Landtagsabgeordnete Ann-Sophie Bohm. In den Gesundheitszentren sollen alle Gesundheitsbe­rufe unter gemeinsamer Trägerschaft auf Augenhöhe zusammenarbeiten und Ärztinnen und Ärzte angestellt werden können, heißt es in deren Wahlprogramm. Bohm setzt sich zudem für eine stärkere Verzahnung des ambulanten und des stationären Sektors ein. Es benötige weniger Konkurrenzdenken zwischen den beiden Bereichen, betonte die Grünen-Politikerin.

Dies fordert auch die SPD. „Das Fachpersonal in den Krankenhäusern, den ambulanten Angeboten und im Rettungsdienst muss unkompliziert zusammenarbeiten können“, heißt es in ihrem Wahlprogramm. Die SPD will einen Sonderfonds in Höhe von 100 Millionen Euro, analog zum Transformationsfonds Wirtschaft, ein­richten. Damit soll eine „intersektorale, vernetzte, digitale, Fachkräfte als auch ressourcenschonende und energieeffiziente medizinische Versorgung mit Fokus auf wohnortnahe Patientenversorgung“ ermöglicht werden. „Ergänzend schaffen wir ein Ministeriumsreferat für die Förderung der Vernetzung aller medizini­schen Akteure im Sinne einer Transformationsberatung.“

Freiberuflichkeit stärken

Auch die AfD will künftig weniger MVZ in privater Hand, erklärte der AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Lauerwald. Eine ambulante und wohnortnahe Versorgung sei besser als die stationäre Versorgung in einer „anonymen Klinik“, erklärte er. „Klinken dürfen nicht bevorzugt werden und Klinikambulanzen sind der falsche Weg“, so Lauerwald. Die Freiberuflichkeit müsse stattdessen stärker unterstützt werden.

Für den CDU-Landtagsabgeordneten Christoph Zippel ist die Stärkung der Freiberuflichkeit ebenfalls ein wichtiger Punkt. Wichtig sei, die Freude am ärztlichen Beruf in den Vordergrund zu stellen und entsprechend Nachweispflichten zu reduzieren, die diese Freude einschränken würde. Es brauche zudem Digitalisierung, die bereichere und nicht den beruflichen Alltag erschwere, so Zippel.

Die FDP setzt auf die Stärkung der Selbstverwaltung. „Wir wollen die Selbstverwaltung in die Lage versetzen, vor Ort von ihrer Möglichkeit, mit innovativen Konzepten von Bundesvorgaben abzuweichen, Gebrauch ma­chen zu können“, heißt es im Wahlprogramm der Liberalen. Dies soll die Innovationskraft angesichts der vie­len Herausforderungen stärken. Die FDP Thüringen will die Ärzte in ihrer Forderung nach der zeitnahen Um­setzung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) unterstützen.

Erreichbarkeit der Versorgung sicherstellen

Für Johannes Nowak, Kandidat für die neugegründete Partei BSW, könnten Institutsambulanzen künftig eine Rolle in unterversorgten Gegenden spielen. Das BSW fordert zudem, dass die fachärztliche, ambulante Versor­gung nach dem Vorbild früherer Polikliniken in erreichbaren Versorgungszentren organisiert und zentralisiert sein sollte, heißt es in deren Wahlprogramm.

Um die Versorgung zu sichern, verspricht die CDU in Thüringen zudem innerhalb von 20 Minuten wichtige medizinische Anlaufstellen, etwa Arztpraxen oder Apotheken erreichen zu können. Auch die Notfallversorgung soll innerhalb von 20 Minuten erreichbar sein. „Allerdings muss auch die Versorgung und die Qualität gewähr­leistet werden“, erklärte Zippel. Es gehen nicht darum „irgendwas vorzuhalten“. Die Nachfolge von niederge­las­­se­nen Ärztestellen müsse zudem sichergestellt werden.

Weil in Arztpraxen, aber auch in Kliniken zunehmend Gewalt gegen medizinisches Personal stattfinde, fordert die AfD, dass zuständige Behörden Rettungsdiensten, Notaufnahmen und Privatpraxen geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr anbieten sollten. Welche genauen Maßnahmen helfen könnten, schreibt die AfD jedoch nicht in ihrem Programm.

Reformen im stationären Bereich

Für den stationären Bereich wird vor allem die Umsetzung der Krankenhausreform in Thüringen in den kom­menden Jahren wichtig. Das BSW will etwa die Krankenhausreform „sinnvoll“ umsetzen, um eine gute medizi­nische Grundversorgung zu erhalten, insbesondere im ländlichen Raum.

Die CDU will Qualität und Spezialisierung stärker fördern. Hierfür braucht es der Partei zufolge die Bildung von Qualitätszentren im stationären Bereich. „Je spezialisierter und planbarer die medizinischen Leistungen werden, desto stärker werden die Leistungen an großen Schwerpunktversorgern, Maximalversorgern und dem Universitätsklinikum Jena konzentriert“, heißt es im CDU-Wahlprogramm.

Damit alle Kliniken von diesem Prozess profitieren, müssten Kooperationsanreize zwischen den Kliniken ge­schaffen werden. Für die Krankenhausplanung will die CDU ein „permanentes Expertengremium“ vorschalten. Dieses solle grundlegende Einigungen mit der Landeskrankenhausgesellschaft, der Landesärztekammer und den Krankenkassen vorbereiten. Auch die CDU verspricht, die Landesmittel für Krankenhausinvestitionen zu erhöhen.

Auch die FDP will eine stärkere Spezialisierung und Zentrenbildung bei den Kliniken vorantreiben. Für die Liberalen in Thüringen ist es unter anderem wichtig, kleine Krankenhäuser im Dialog mit den Krankenhäu­sern entsprechend dem regionalen Bedarf zu innovativen regionalen Gesundheitszentren weiterzuentwickeln. Mit der Krankenhausstrategie 2030 müsse die stationäre Versorgung zukunftsfest aufgestellt werden. Dafür soll ein empirisches Instrument zur Analyse und Auswertung des Versorgungsgeschehens Transparenz imple­mentiert werden, schreibt die Partei in ihrem Programm.

Mehr öffentliche Krankenhäuser

Die Linke setzt sich für den Erhalt aller Krankenhausstandorte in Thüringen ein. Dafür brauche es eine Ände­rung der aktuellen Finanzierung. Hierfür sieht die Linke den Bund in der Verantwortung. Die Linke arbeite aber derzeit bereits am 8. Thüringer Krankenhausplan. Krankenhäuser sollten dafür stärker in öffentliche Trä­gerschaft geholt werden. Für den Erhalt aller Standorte müsse es aber Anpassungen geben, um auf den ver­änderten Versorgungsbedarf zu reagieren. Es brauche eine wohnortnahe Grundversorgung, planbare Eingriffe sollten dort stattfinden, wo die jeweilige größte Erfahrung vorhanden sei, heißt es in dem Wahlprogramm.

Auch die SPD Thüringen lehne eine weitere Privatisierung kommunaler Kliniken ab. Wo es möglich ist, sollen kommunale Lösungen gesucht und Privatisierungen verhindert werden, heißt es in ihrem Wahlprogramm. Die Partei möchte die Digitalisierung von Kliniken vorantreiben. Diese sollen „interoperabel vernetzt“ werden, Insellösungen gelte es zu vermeiden.

Für einen Ausbau der Investitionskosten des Landes Thüringen setzt sich die AfD ein. Der jahrelang aufge­staute Mangel bei den Investitionen müsse abgebaut werden, erklärt die AfD in ihrem Wahlprogramm. Kran­kenhäuser der Grund- und Regelversorgung in ländlichen Gebieten Thüringens müssten in kommunaler oder freier Trägerschaft verbleiben und erhalten werden. Es brauche regionale Verbünde kommunaler Krankenhäu­ser und die Einrichtung einer Landesgesellschaft, die kommunale Träger bei der finanziellen Absicherung der Grund und Regelversorgung entlasten solle. Es brauche zudem ein dichtes Netz für die Notfallversorgung im ländlichen Raum.

Die Grünen wollen einen „bedarfsgerechten“ Investitionszuschuss für Kliniken ermöglichen. Gezielte Unterstützung soll es für Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität gebe.

Geburtshilfe stärken

Ein wichtiges Thema für fast alle Parteien ist die Geburtshilfe. Die Versorgung von Schwangeren und werden­den Müttern sollte verbessert werden, darin sind sich die Parteien (außer BSW und FDP) einig. Kreißsäle in mangelversorgten Regionen sollten etwa gezielt unterstützt werden, fordern die Grünen. Es brauche einen Ausbau von Geburtshäusern und hebammengeleiteten Einrichtungen. Zudem werde ein Pilotprojekt zur bes­seren Verzahnung von Geburtshilfe und Rettungsdienst benötigt, heißt es im Grünen-Wahlprogramm.

Die Linke will die Geburtshilfe vor Ort und vor allem in ländlichen Regionen stärken. „Insbesondere familien­begleitende Maßnahmen und leicht zugängliche Informations- und Beratungsangebote zu Hebammenleis­tungen müssen dauerhaft mit Landesmitteln unterstützt werden“, erklärt die Partei in ihrem Wahlprogramm. Ziel müsse die Eins-zu-Eins-Betreuung jeder Gebärenden sein.

Die SPD will ebenfalls eine flächendeckende Erreichbarkeit von Geburtskliniken. „Kleinere Geburtskliniken sollten allerdings nur solche Entbindungen vornehmen, für die sie ausgestattet sind“, erklärt die SPD in ihrem Programm. Der Hebammenberuf müsse an Attraktivität gewinnen, insbesondere durch eine bessere Gestal­tung der Arbeitsbedingungen.

Die CDU setzt sich für Familienhebammen ein und will die Geburtshilfe durch Hebammenportalpraxen und hebammengeleitete Kreißsäle sicherstellen. Die AfD will eine entsprechende Versorgungsdichte und eine Erreichbarkeit der Geburtsklinik innerhalb von maximal 40 Minuten sicherstellen.

Studienkapazitäten aufstocken

Ein weiteres landespolitisches Thema ist die Ausbildung von Ärzten. Die Rot-Rot-Grüne Landesregierung hat in Thüringen vor wenigen Jahren zehn Prozent an Medizinstudienplätzen aufgestockt. „Man kann aber nicht jedes Jahr weitere zehn Prozent aufstocken, weil die Studierenden irgendwann gar nicht mehr in den Hörsaal passen“, erklärte die Bundestagsabgeordnete und Thüringerin Tina Rudolph (SPD) vergangene Woche.

Medi­zin­studienplätze seien außerdem teuer. Man müsse sich darum kümmern, dass Absolventinnen und Absol­venten auch in Thüringen blieben und eine Perspektive sähen, betonte Rudolph. Dafür sei das Angebot der Stiftungspraxen sinnvoll, so Rudolph.

Die CDU, die FDP, das BSW und die AfD wollen Studienkapazitäten erhöhen. Dafür soll es höhere Investitionen geben, um notwendige Neubauten und Kapazitäten beispielsweise im Bereich der Zahnmedizin und Pharma­zie zu erhöhen, erklärt die CDU. Für die CDU-Bundestagsabgeordnete Simone Borchardt wäre es zudem denk­bar, von den strengen Numerus Clausus-Zulassungsbeschränkungen beim Medizinstudium abzuweichen. Viele wollen das Studium aufnehmen, können es aber nicht. „Da müssen wir ansetzen“, so Borchardt.

Eine Verbesserung der Situation in der Zahnmedizin fordert zudem die Linke. „Unter anderem wollen wir die hohen Zulassungsbeschränkungen lockern und den Einstieg in das Studium für medizinisch vorgebildete Menschen weiter erleichtern“, erklärt die Partei in ihrem Wahlprogramm. Die Linke will zudem die Zahl der Pharmaziestudienplätze in Jena erhöhen. Die AfD fordert zudem, dass an der Universitätsmedizin Jena „Studienplätze speziell für Landeskinder vorgehalten werden“.

Private Studienkapazitäten nutzen

Die FDP kann sich vorstellen, bis ein Ausbau der Studienkapazitäten erfolgt ist, zunächst Studienkapazitäten privater oder europäischer Hochschulen zu nutzen. Die Studiengebühren an privaten Hochschulen sollen aus Landesmitteln finanziert werden, wenn sich Studierende dazu verpflichten, Praxisbestandteile der Studien­gänge und der Weiterbildungen in Thüringen zu erbringen und sich anschließend für fünf Jahre in Thüringen niederzulassen, schlägt die FDP vor.

Zudem will die FDP das Landesverwaltungsamt als Approbationsbehörde bei der Landesärzte- und Landes­zahn­ärztekammer ansiedeln, um Bearbeitungszeiten von Approbationsurkunden zu verkürzen. Hinsichtlich der Anerkennungsverfahren bei Medizinern oder Zahnmedizinern, die ihr Studium außerhalb der Europäischen Union absolviert haben, soll die Gleichwertigkeits- und Kenntnisprüfung abgeschafft werden. „Statt lange und teure Anerkennungsverfahren fordern wir das Ablegen der auch für Inländer notwendigen Prüfungen und Examen.“

Landarztquote ausbauen

Um den Ärztemangel auf dem Land besser zu managen, plädieren die Linke, die AfD, die CDU, das BSW für eine stärkere Landarztquote. Die AfD will etwa Landesstipendien bereitstellen, mit dem sich Medizinstudie­rende verpflichten, für eine Dauer von zehn Jahren in unterversorgten Gebieten Thüringens zu praktizieren.

„Ähnliche Modelle können auf kommunaler Ebene etabliert werden“, schreibt die AfD. Die CDU will 20 Prozent der verfügbaren Studienplätze an Bewerberinnen und Bewerber vergeben, die sich zu einer Niederlassung als Haus-, Frauen-, Kinder- oder Zahnarzt oder als Apotheker in unterversorgten Gebieten in Thüringen entschlie­ßen.

Auch das BSW will mehr Förderprogramme, in denen Ärzte für fünf bis zehn Jahre an eine Tätigkeit in Thürin­gen gebunden werden.

Für die Grünen Politikerin und Landtagsabgeordnete Ann-Sophie Bohm sei es zudem wichtig, besser für medi­zinische Berufe zu werben. Die Ausbildung müsse attraktiver werden, das Niveau der Vergütung müsse man sich anschauen, erklärte Bohm. Zudem setzten sich die Grünen dafür ein, ein Azubiwerk zu gründen, das günstigen Wohnraum für Auszubildende bereitstelle.

Interprofessionelle Zusammenarbeit ausbauen

Ein weiteres Thema auf Landes- und Kommunalebene ist die interprofessionelle Zusammenarbeit von Ärzten mit anderen Gesundheitsberufen. Die Thüringer SPD will in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt die Stelle einer Arztlotsin oder eines Arztlotsen schaffen.

„Die regional vernetzten Arztlotsinnen/Arztlotsen sollen die Übergabe von Praxen und die Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten in ländlichen Gebieten frühzeitig organisatorisch unterstützen, um eine nahtlose Versorgung zu gewährleisten“, heißt es in ihrem Wahlprogramm.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Zippel erklärte, die CDU setze sich für eine Verstetigung des ARMIN-Projektes ein. Dieses sei erfolgreich verlaufen, es wurde Geld hineingesteckt, aber nicht weitergeführt, bemängelte er. Die CDU-Fraktion plädiert deshalb dafür, die Zusammenarbeit zwischen Apothekern und Ärzten in dauerhafter Form wieder einzuführen.

Weiter brauche es „Landschwestern“, die als weitergebildete medizinische Fachangestellte über ein digitales Endgerät Hausbesuche machen und Rücksprache mit Hausärzten halten können, fordert die CDU in ihrem Wahlprogramm. Gemeinsam mit Gemeindepflegekräften soll Thüringen zu einer entsprechen­den Modellre­gion nach dem Sozialgesetzbuch werden. Als drittes will die CDU Gemeindenotfallsanitäter erproben und gezielt dort einsetzen, wo Wege zum Krankenhaus länger sind.

Klare Kompetenzverteilung zwischen den Gesundheitsberufen

Für die Grünen-Politikerin Bohm ist es wichtig, die Kompetenzverteilung zwischen ärztlichem Personal und Gesundheitsfachberufen besser zu regeln. Community Health Nurses würden nicht in Konkurrenz zu nieder­gelassenen Ärzten arbeiten, sondern seien ein weiterer, ergänzender Teil der Versorgung. Die Partei wolle sich für die Erprobung und Etablierung neuer Versorgungsstrukturen, darunter auch Gesundheitskioske oder Primärversorgungszentren, einsetzen, schreiben die Grünen in ihrem Wahlprogramm.

Die Linke setzt sich in ihrem Wahlprogramm für die Förderung einer wohnortnahen Gesundheitsversorgung durch Gesundheitskioske und Gemeindeschwestern ein. Die derzeit bestehenden vier Gesundheitskioske sollen weiter ausgebaut werden. Zudem sollten geriatrische Versorgungsnetzwerke ausgebaut werden.

Gegen Gesundheitskioske spricht sich die FDP aus. Stattdessen wolle die FDP ein Modellprojekt in Anlehnung an das Projekt AGnES vorantreiben. Darin sollen medizinische Fachangestellte hinsichtlich eines besseren Case Managements in der ambulanten Versorgung weitergebildet werden. „Diese sollen unter anderem den individuellen Bedarf durch Assessment und Beratung erheben und anstatt von Gesundheitskiosken den Patienten durch das Gesundheitssystem helfen.“

Digitalisierung vorantreiben

Auch in der Notfallversorgung gibt es noch Entwicklungspotenzial, findet die CDU. So sollen etwa telemedizi­nische Möglichkeiten erweitert werden. Damit sollen bodengebundene Rettungsdiensteinsätze künftig nicht mehr im Krankenhaus enden müssen. Ein entsprechendes Modellvorhaben im Rahmen der telemedizinischen Praxisregion wolle die CDU in Thüringen auf den Weg bringen. Zentraler Netzwerkakteur soll das Universi­täts­klinikum Jena sein.

Die SPD will zudem Videosprechstunden ausbauen. Kinder und Jugendliche sollen einen ersten Kontakt mit Psychotherapeuten etwa auch per Video haben dürfen. So stünden Therapeutinnen und Therapeuten aus ganz Deutschland zur Verfügung, argumentiert die SPD. Auch die Grünen setzen sich für mehr Kassensitze für den psychotherapeutischen und psychiatrischen Bereich ein – insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugend­psychiatrie.

Für die FDP gilt bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen das Once-Only-Prinzip. Dabei werden Daten nur einmalig erhoben und automatisch verarbeitet.

Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken

Der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) sollte den Parteien Die Linke, SPD, Grünen und der FDP zufolge ge­stärkt werden. Das Medizinstudium sollte etwa zusätzliche Elemente des öffentlichen Gesundheitswesens (Public Health) enthalten, findet die SPD. Teile der Weiterbildung sollten in Gesundheitsämtern absolviert werden können.

Zudem wolle sich die SPD dafür einsetzen, einen Lehrstuhl für das Öffentliche Gesundheitswesen an der Uniklinik Jena einzurichten. Für die FDP ist eine Digitalisierungs- und KI-Strategie wichtig, um den ÖGD von routinemäßigen Verwaltungsaufgaben zu entlasten.

Sucht- und Drogenpolitik ausbauen

Der Partei Die Linke zufolge sollte die Suchtprävention, Beratungs- und Vernetzungsangebote sowie Drug-Checking in Thüringen ausgebaut und gestärkt werden. „Statt Drogenkonsum zu kriminalisieren, wollen wir einen effektiven Jugend- und Gesundheitsschutz ermöglichen“, heißt es in ihrem Wahlprogramm. Ähnlich beschreiben die Grünen ihre Schwerpunkte in ihrem Programm. Aufklärung statt Kriminalisierung und eine Stärkung des Kinder- und Jugendschutzes, versprechen die Grünen.

Neben der medizinischen Versorgung wird auch das Thema Prävention angesprochen. Die Grünen wollen künftige Landesregierungen etwa zur Vorlage eines Gesundheitsförderplans zu Beginn der neuen Legislatur verpflichten. Präventionsangebote sollten gestärkt, evaluiert und weiterentwickelt werden. Es brauche Konzepte für mehr Freizeit- und Sportangebote und mehr öffentliche Trainingsmöglichkeiten für Menschen jeden Alters (Calisthenics-Anlagen oder „Seniorenspielplätze“).

Die Linke möchte zudem das Thema Frauengesundheit in den Landesgesundheitszielen festsetzen. Konkret wirbt die Partei damit, allen Frauen eine vollständige Kostenübernahe für hormonelle als auch hormonfreie Verhütungsmittel gewährleisten zu wollen. „Dazu wollen wir im Bundesrat aktiv werden“, verspricht die Partei.

Schwangerschaftsabbrüche flächendeckend ermöglichen

Die SPD will realisieren, dass in allen Krankenhäusern mit einer Geburtsklinik nach Krankenhausplan sowie der Universitätskliniken, Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden können. Damit will die Partei Frau­en ermöglichen, nicht nur die theoretische, sondern auch die praktische Wahlfreiheit ermöglichen, Schwan­ger­schaftsabbrüche ohne große zeitliche, geographische oder finanzielle Hürden vornehmen zu können. Auch die Grünen wollen ein landesweites Angebot an Anlaufstellen für Schwangerschaftsabbrüche sichern.

Die Grünen legen zudem einen Fokus in ihrem Programm auf besseren Hitzeschutz. „Mit der Toolbox Hitze­schutz haben wir den Kommunen bereits eine ganze Maßnahmenpalette an die Hand gegeben. Diese gilt es nun flächendeckend umzusetzen“, erklärt die Partei.

Für die FDP ist es wichtig, den Standort Thüringen als Versorgungs-, Wissenschafts-, Ausbildungs- und Wirt­schaftsstandort für Gesundheit weiterzuentwickeln. „Dazu wollen wir den Wissenstransfer zwischen Industrie und Wissenschaft verbessern und somit die Translation von Forschungsergebnissen in die Praxis beschleuni­gen“, heißt es im FDP-Wahlprogramm. Auch die Grünen wollen Thüringen als medizinischen Forschungs­standort stärken.

Verschiedene Ansichten zur Gesundheitskarte für Geflüchtete

Die Linke wolle zudem die Gesundheitskarte und den „anonymen Krankenschein“ für die medizinische Versor­gung von geflüchteten Menschen fortführen. Dafür soll der Ausbau der psychosozialen und therapeutischen Versorgung sichergestellt sowie die Übernahme von Übersetzungsleistungen für die medizinische Versorgung als Sozialleistung gesichert werden. Auch die Grünen wollen den anonymen Krankenschein weiter finan­zieren, „bis eine bundesweite Lösung gefunden ist“.

Die AfD hingegen will die Gesundheitskarte für Geflüchtete abschaffen. „Eine Grundversorgung für anerkannte Asylbewerber darf nicht der Versorgung von regulär Versicherten gleichgestellt werden“, fordert die AfD. Für ausländisches Gesundheitspersonal, das in Deutschland arbeiten wolle, fordert die AfD zudem ein Sprachni­veau von C1. Sie lehnt zudem die aktive Abwerbung aus dem Ausland ab, „da diese dann in der medizinischen Versorgung ihrer Herkunftsländer fehlen“.

Effizienz und Entbürokratisierung

Auch zu einigen bundespolitischen Themen äußern sich die Parteien. So erklärt etwa die Thüringer FDP das Ziel eines verstärkten Bürokratieabbaus im Gesundheitswesen. „Es liegen Vorschläge von der ABDA, KBV oder KZBV vor“, erklärte der FDP-Landtagsabgeordnete Robert-Martin Montag vergangene Woche. „Wir stehen in Ostdeutschland aufgrund der Demografie unter erheblichem Innovationsdruck“, sagte er weiter. Deswegen müsse man entsprechende Probleme mit Dokumentationsanforderungen auch angehen.

Auch die AfD will sich für Entbürokratisierung einsetzen. „Arzt oder Apotheker sind Frustberufe geworden, das muss sich wieder ändern“, sagte der AfD-Landtagsabgeordnete Lauerwald. Man müsse den Ärzten mehr Ver­trauen schenken, mehr Eigenverantwortung werde benötigt. Die CDU will ebenfalls das Leben der Menschen „wieder einfacher machen“ und überflüssige Bürokratie abschaffen. Wie dies konkret gelingen kann, lassen aber alle drei Parteien offen.

Die FDP Thüringen ist zudem der Überzeugung, dass es deutliche Einsparpotenziale im Gesundheitssystem gebe. So könnte man beispielsweise bei der Auseinzelung von Medikamenten mehr darauf achten, was der Patient wirklich braucht, erklärte der FDP-Landtagsabgeordnete Robert-Martin Montag.

Das könnte 750 Millionen Euro jährlich einsparen. Mit einem optimal eingestellten Medikationsplan, etwa durch das Projekt ARMIN, könnte man etwa 1,5 Milliarden Euro einsparen. Das Gesundheitssystem ist ein Solidarsystem, dies könne aber ein unbegrenztes Leistungsversprechen abgeben, sagte Montag.

Für Johannes Nowak vom BSW wäre ebenfalls ein effizienteres Gesundheitssystem nötig. So seien etwa 50 Prozent der medizinischen Leistungen in der Radiologie nicht unbedingt nötig, werden aber aus wirtschaftlichen Gründen geleistet. Es bräuchte Anreize dies zu verändern, erklärte Nowak. © cmk/aerzteblatt.de