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Waffenverbotszone bald nicht nur im Bahnhofsviertel? Dezernentin wird deutlich

Waffenverbotszone bald nicht nur im Bahnhofsviertel? Dezernentin wird deutlich

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Personalmangel und Diskussionen um die öffentliche Sicherheit beschäftigen Frankfurts Ordnungsdezernentin Annette Rinn im Interview.

Frankfurt – Mit multiplen Problemen muss Annette Rinn (FDP), Frankfurts Dezernentin für Ordnung, Sicherheit und Brandschutz, umgehen: Die angespannte Sicherheitslage im Bahnhofsviertel, Personalnot allenthalben in ihren Ämtern, das überlastete Einwanderungsamt, das bundesweit in die Schlagzeilen geraten war. Im Interview mit Redakteur Dennis Pfeiffer-Goldmann erklärt Rinn, warum viele Lösungen so viel Zeit brauchen – und wie sie als passionierter Fahrgast derzeit durch die Stadt kommt.

Frau Rinn, wie sicher können sich Menschen im Frankfurter Bahnhofsviertel fühlen?

Ich glaube, man kann sich im Bahnhofsviertel sicher fühlen – tagsüber sowieso, in den Abend- und Nachtstunden ist es sicherlich weniger sicher als in anderen Stadtteilen. Aber das ist so, seit ich das Bahnhofsviertel kenne, das sind schon mehr als 50 Jahre.

Welchen Nutzen bringt dort die Waffenverbotszone?

Dass die Landespolizei, die das kontrolliert, Waffen, die sie findet, einbehalten kann. Diese Waffen können dadurch nicht mehr für Straftaten eingesetzt werden. Das erhöht die Sicherheit also ganz praktisch. Es geht auch nicht um die Waffen, die ohnehin verboten sind wie Lang- oder Butterflymesser oder Schusswaffen. Die kann man auch ohne Waffenverbotszone konfiszieren. Es geht speziell um Messer mit einer Klingenlänge zwischen vier und zwölf Zentimetern. Das sind auch die Messer, die im Wesentlichen gefunden werden. Das sind Messer, mit denen man schon erhebliche Verletzungen zufügen kann.

Waffenverbotszone bald nicht nur im Bahnhofsviertel? Dezernentin wird deutlich
Frankfurter Ordnungsdezernentin Annette Rinn. © Enrico Sauda

Rechtlich ist es aktuell nicht möglich die Waffenverbotszone in Frankfurt auszuweiten

Seit dem Messer-Terrorangriff von Solingen wird in der Politik über verschärfte Waffenverbote diskutiert. Wie viel schärfer müsste die Waffenverbotszone sein, die bisher ja nur nachts gilt?

Derzeit wäre es rein rechtlich nicht möglich, diese Zone auszuweiten, zum Beispiel auf die Tageszeit. Wir haben das geprüft, aber es wäre rechtlich nicht durchsetzbar, weil es viel zu viele Menschen gibt, die aus irgendwelchen Gründen Messer bei sich führen, und wenn sie sie nur gerade in der Innenstadt gekauft haben und zum Bahnhof laufen.

Gelingt die Verschärfung auch deshalb nicht, weil die Grünen in der Römer-Koalition nicht mitziehen?

Das würden der Oberbürgermeister und ich einfach machen, wenn wir es rechtlich für möglich und für sinnvoll erachten würden. Für tagsüber ist es aber derzeit nicht umsetzbar.

Glauben Sie, die Grünen im Römer nach der Tat von Solingen davon überzeugen zu können, doch im Stadtparlament der Waffenverbotszone zuzustimmen?

Die Wirkung der Waffenverbotszone wird zwei Jahre lang wissenschaftlich untersucht. Ich vermute, dass die Grünen das Ergebnis dieser Evaluierung abwarten werden. Allerdings weiß ich auch nicht, ob der Täter von Solingen kein Messer dabei gehabt hätte, wenn für das Fest eine Waffenverbotszone gegolten hätte. Manchen Menschen ist so etwas egal.

Bahnhofsviertel Frankfurt – Polizeipräsenz erhöht Sicherheitsgefühl der Anwohner

Die Stadt bemüht sich seit Jahresbeginn um die Verbesserung der Lage im Bahnhofsviertel. Wie entwickelt sich die Situation seither?

Die Stadt bemüht sich schon eine ganze Ecke länger ums Bahnhofsviertel. Viele Dinge brauchen einfach eine viel längere Zeit, als man sich das vorstellen kann. Ich bekomme inzwischen die Rückmeldungen von vielen Anwohnerinnen und Anwohnern und Geschäftsleuten, dass sie sich schon deutlich sicherer fühlen. Und das hauptsächlich durch die erhöhte Polizeipräsenz. Die gibt es schon seit mehr als zwei Jahren und das hat sehr geholfen. Ebenso helfen die Videoschutzanlagen und die Waffenverbotszone.

Die Videoüberwachung war schon 2019 Beschlusslage der Stadtverordneten, sie wurde Anfang 2024 realisiert. Warum dauerte das so lange?

Das müssten Sie meinen Vorgänger im Amt fragen. Es waren sehr, sehr, sehr viele Ämter und städtische Gesellschaften zu beteiligen. Das ist dieses berüchtigte Ping-Pong-Spiel, dass einer sagt, dass es nicht geht, weil …, dann geht es zurück, dann ist der Sachbearbeiter krank, und dann sagt ein anderer Nein. Es mussten deshalb alle an einen Tisch und sie mussten verstehen: Jetzt gilt’s.

Zur Person: Frankfurter Ordnungsdezernentin Annette Rinn

Annette Rinn (64) ist seit drei Jahren Frankfurts Dezernentin für Ordnung, Sicherheit und Brandschutz und steht nun in der Mitte ihrer Amtszeit. Die Frankfurterin hatte 1985 das Preungesheimer Rollladen-Geschäft ihrer Eltern zusammen mit ihrem Bruder übernommen. 2008 wechselte sie in die hauptberufliche Politik als Fraktionsgeschäftsführerin der FDP im Römer.

Auf der parlamentarischen Seite war sie vor ihrem Wechsel in den Magistrat seit fast 30 Jahren aktiv: von 1993 bis 1997 im Preungesheimer Ortsbeirat 10, von 2001 an im Römer als Stadtverordnete, dabei ab 2007 Fraktionsvorsitzende. Rinn war zehn Jahre lang Mitglied im Sicherheitsausschuss sowie 15 Jahre lang im Finanz- und im Verkehrsausschuss. Studiert hat sie Anglistik an der Goethe-Universität mit Nebenfächern BWL und Amerikanistik. Sie lebt mit ihrem Lebensgefährten in Preungesheim.

Wie haben Sie das Beharrungsvermögen der Verwaltung überwunden?

Durch die Tatsache, dass der Oberbürgermeister und ich gesagt haben: Es muss jetzt einfach passieren. Wir haben da sehr insistiert. Ich will nicht schlecht über meinen Vorgänger im Amt sprechen. Damals wurde auch die Videoüberwachung an der Haupt- und Konstablerwache beschlossen, und die hat Markus Frank umgesetzt. Da gab es aber auch wesentlich geringere Widerstände. Dort mussten im Wesentlichen vorhandene Anlagen ersetzt und ertüchtigt werden. Im Bahnhofsviertel war es baulich schwieriger, es mussten noch viel mehr Menschen beteiligt werden.

Wieso kann eine Verwaltung solche politischen Beschlüsse so lange hinauszögern?

Die sagen nicht: Wir wollen es nicht und wir machen es nicht. Die sagen: Wir können nicht, weil zum Beispiel nicht in den Untergrund gebohrt werden kann für den Kameramast. Dann geht es von der Stelle, die das Bohren veranlassen soll, zurück, und es muss ein neuer Standort gefunden werden. Dann sagt der Denkmalschutz: Nein, dort geht es nicht. Dann muss wieder ein neuer Standort gesucht werden. So kann man das endlos spielen. Da war es nötig, dass wir auf den Tisch gehauen und gesagt haben: Egal wie, macht es einfach!

Die CDU fordert seit dem Messerangriff nahe der EZB am Mainufer eine Ausweitung der Waffenverbotszone. Was halten Sie davon?

Das ist momentan rechtlich nicht durchsetzbar. Im Bahnhofsviertel war die Zone rechtlich möglich, weil es dort einen starken Anstieg von Attacken mit Messern gegeben hatte. Wegen einer einzelnen Messerattacke am Mainufer alleine wird es in gar keinem Fall möglich sein, das Mainufer zur Waffenverbotszone zu erklären. Es ist nur zeitlich und anlassbedingt möglich wie zuletzt zur Fußball-EM. Es passieren überall auch einmal Messerattacken. Das rechtfertigt juristisch betrachtet noch lange nicht, dass man ganz Frankfurt zu einer Waffenverbotszone erklärt.

Antragstau bei der Ausländerbehörde in Frankfurt – Digitalisierung zeigt Wirkung

In der Ausländerbehörde gab es seit 2022 einen großen Antragsstau, erst seit Mitte 2023 wird dem entgegengearbeitet, nun, 2024, wird die Lage langsam besser. Warum dauert das so lange?

Als ich Ende 2021 anfing, war man auf einem ganz guten Weg in der Ausländerbehörde. Dann kam aber der Krieg in der Ukraine und damit ein Riesenberg an Anträgen. Seit 2023 wird der Antragsberg wieder langsam kleiner, weil wir das Antragsformular digitalisiert haben. Das zu entwickeln, ging nicht von heute auf morgen. Daran musste die Behörde lange basteln, denn es gibt über 100 verschiedene Anträge. Es ist sinnvoll, den richtigen zu erwischen, sonst verzögert sich alles.

Warum ist das Antragstellen so kompliziert?

Dass es über 100 verschiedene Anträge gibt, haben nicht wir als Stadt uns ausgedacht. Das ist Bundesrecht, an dem wir auch – leider – nichts ändern können.

Gleichzeitig beklagt sich das Einwanderungsamt über zu wenig Personal. Hätten Sie das nicht längst lösen können?

Wir haben die Zusage des Personaldezernenten, dass wir jede Stelle, die wir besetzt bekommen, auch besetzen können. Wenn wir geeignete Bewerber finden, dann haben wir die Stellen. Es gibt dafür eine Dauer-Stellenausschreibung. Es ist aber problematisch, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Der allgemeine Personalmangel betrifft auch das Frankfurt Immigration Office, das FIO.

Also das Einwanderungsamt. Wieso funktioniert das mit dem Personalaufbau im FIO nicht so richtig gut?

Es gibt noch eine relativ hohe Fluktuation. Mitarbeiter, die dort anfangen, hören wieder auf, weil die Arbeitsbelastung noch viel zu hoch ist. Wir bekommen jetzt im Herbst weitere Ausbildungslehrgänge dazu. Die Personalsituation verbessert sich peu à peu.

Warum finden sich nicht schneller Mitarbeiter dafür?

Wir können uns halt keine Leute backen oder malen. Wir müssen Menschen gewinnen. Das geht am besten, indem sich die Zustände verbessern und die Leute Lust kriegen, dort zu arbeiten.

Zu hohe Mieten in Frankfurt sind ein Grund für zunehmenden Personalmangel

Was ist das Grundproblem, Leute dafür zu bekommen, in Frankfurt zu arbeiten?

Die Mieten sind hoch, die Lebenshaltungskosten sind hoch, Kita-Plätze sind schwer zu bekommen. Wenn ich für den gleichen Job in meiner Heimatgemeinde das gleiche Geld bekomme, überlege ich mir das schon zweimal, ob ich wirklich nach Frankfurt pendeln will. Dieses Problem betrifft viele Teile der Stadtverwaltung.

Diese Begründung ist seit Jahren von vielen Magistratsmitgliedern zu hören. Sprechen Sie im Magistrat darüber und an welche Lösungen denken Sie?

An den höheren Lebenshaltungskosten wird der Magistrat nichts ändern können. An den hohen Mieten auch nicht. Da wäre die Lösung, dass die Stadt günstigen Wohnraum schafft, worum sie sich ja auch bemüht.

Eigenen Wohnraum schaffen für die Mitarbeiter?

Einen solchen Ansatz gibt es nun bei der Feuerwehr. Aber das muss auch bezahlt und gebaut werden. Mir wäre es lieber, wenn wir eine Ballungsraumzulage bezahlen könnten, um beispielsweise einem Stadtpolizisten oder einer Stadtpolizistin die höheren Kosten fürs Leben in der Stadt ausgleichen zu können.

Warum machen Sie das nicht?

Das geht aus tarifrechtlichen Gründen nicht.

Lässt sich das nicht ändern?

Das müsste das Land Hessen ändern. Ich habe bisher wenig davon gehört, dass man dazu neigt.

Der Ministerpräsident und sein Stellvertreter sind Frankfurter, sie sollten das Problem kennen.

Ich werde sie bei Gelegenheit wieder einmal darauf ansprechen. Grundsätzlich verweist das Land uns in der Stadt aber immer darauf, dass wir ohnehin so hohe Steuereinnahmen haben, dass wir damit klarkommen sollten.

Tarifgesetz: Stadt Frankfurt könnte höhere Gehälter zahlen, darf aber nicht

Aber die Stadt darf die höheren Gehälter gar nicht zahlen, obwohl sie kann.

Nein, das dürfen wir nicht.

Ihre Partei, die FDP, tritt in der Römer-Koalition immer wieder bockig auf, aktuell stemmt sie sich gegen den Masterplan Mobilität. Warum tritt die Partei so auf?

Beim Masterplan Mobilität will die Fraktion nicht über das hinausgehen, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Ich war in der Verhandlungsgruppe Verkehr, das waren harte Verhandlungen. Das, was darüber hinausgeht, kann aus Sicht der Fraktion nicht par ordre du mufti kommen, darüber muss zunächst wirklich ausführlich gesprochen werden.

Im Bund agiert die FDP ganz ähnlich, die Umfragewerte sind desaströs. Haben Sie nicht Angst, dass es in Frankfurt ähnlich läuft?

Was die Fraktion macht, entspricht ihrer innersten Überzeugung. Dann sollte man nicht auf Umfragewerte schauen. Man ist zum Beispiel definitiv überzeugt, dass Diagonalsperren schlecht sind, weil sie nur den Verkehr in die Nebenstraßen umlenken.

Auch im Frankfurter ÖPNV ist der Personalmangel ein großes Problem

Als passionierte Nutzerin des öffentlichen Personennahverkehrs: Wie zufrieden sind Sie derzeit mit dem Mobilitätsangebot in Frankfurt?

Ich finde es sehr bedauerlich, das die Taktzeiten so ausgedünnt sind. Dafür kann aber offenbar niemand etwas. Dort hat man das gleiche Problem mit der schwierigen Personalgewinnung, das wir beim FIO und bei der Stadtpolizei und in allen möglichen Ämtern auch haben.

Welche Auswirkungen auf Ihre tägliche Arbeit hat das? Sie fahren ja auch dienstlich fast nur mit Bahn und Bus.

Seit die U5 wieder zum Hauptbahnhof durchfährt, geht es mir wieder besser. Ich schaue jetzt immer in die App, ob etwas ausfällt, und gehe nicht mehr einfach so zur Haltestelle. Das ist schon ein Unterschied, aber das kann man aushalten. (Dennis Pfeifer-Goldmann)