close
close

Startup macht Millionen-Runde – der Gründer war eben erst bei Olympia

Startup macht Millionen-Runde – der Gründer war eben erst bei Olympia

Startup macht Millionen-Runde – der Gründer war eben erst bei Olympia

Der Deutsche Jakob Meggendorfer segelt bei Olympia in Paris 2024, nebenbei ist er Startup-Gründer.
picture alliance / NurPhoto | Stefanos Kyriazis; / abaca | Apaydin Alain/ABACA

Das Münchner Startup Zählerfreunde hat sich auf digitale Stromzähler spezialisiert, sogenannte Smart Meter. Die sollen bis 2032 in schätzungsweise rund 16 Millionen deutschen Haushalten verpflichtend sein – nämlich solchen mit einem Stromverbrauch von über 6.000 Kilowattstunden im Jahr. Mitgründer Jakob Meggendorfer, den wir vor einem Monat anlässlich seiner Teilnahme bei den olympischen Spielen interviewt haben, sieht hier ein „großes, noch ungenutztes Potenzial“. Daran scheint auch eine Reihe privater und öffentlicher Kapitalgeber zu glauben: 7 Millionen Euro frisches Kapital konnte Zählerfreunde nun einstreichen – von Enpulse Ventures (gehört zu EnBW Innovation), der Salzburg AG, der Stadtwerke Herne AG, sowie den Bestandsinvestoren Capacura und Business Angel Erich Wex.

CEO Tobias Keussen sagt, das Kapital werde in „neue Entwickler und Sales-Mitarbeiter“ fließen. Priorität sei, die Weiterentwicklung der White-Label-Lösung, die an die Systeme von Energieversorgern, Mieterstromunternehmen und Messstellenbetreiber angebunden werden kann. Für Privathaushalte und Unternehmen soll vor allem das Produkt „noch übersichtlicher“ werden. „Zusätzlich erweitern wir die intelligenten Steuerungen durch eine KI-Lösung, damit unsere Kunden Strom immer nur dann verbrauchen, wenn er am günstigsten ist“, sagt Kreussen. Von den Einsparungen durch seine Energiemanagement-Plattform behält das Startup 20 Prozent ein, wobei die Hälfte für gemeinnützige Projekte gespendet werden soll.

Wie ist das eigentlich, im einen Monat bei Olympia um eine Medallie zu kämpfen, im nächsten in Deutschland eine Finanzierungsrunde einzutüten? Wie schauen Investoren darauf? Das haben wir Jakob Meggendorfer und zwei der Zählerfreunde-Investoren gefragt.

In Deutschland ist es wahrscheinlicher, olympisches Gold zu gewinnen, als ein Unicorn zu gründen. Das geht aus einer Studie hervor, die der Early-Stage-VCAntler kurz vor Beginn der Olympischen Spiele erhoben hat. Warum denn nicht beides versuchen? Das mag sich Jakob Meggendorfer gedacht haben: Der 28-Jährige ist Olympionik in Paris 2024 – und nebenbei Gründer eines Energie-Startups.

Die meisten der 10.500 Athleten und Athletinnen, die bei den olympischen Spiele in Paris 2024 antreten, führen ein Doppelleben. Die wenigsten bekommen je die Aufmerksamkeit (geschwiegen denn das Geld) das Promi-Sportler im Fußball oder Tennis verdienen. Die meisten haben ganz normale Jobs. Oder eben weniger normale, so wie der deutsche Segler.

Beim 49er-Segeln liegen die Sportler horizontal über dem Wasser und halten mit ihrem Körpergewicht das Boot aufrecht. Hier Jakob Meggendorfer (l.) und Segel-Partner Andreas Spranger vor Marseille.

Beim 49er-Segeln liegen die Sportler horizontal über dem Wasser und halten mit ihrem Körpergewicht das Boot aufrecht. Hier Jakob Meggendorfer (l.) und Segel-Partner Andreas Spranger vor Marseille.
Team Deutschland

Jakob Meggendorfer hat sich, gemeinsam mit vier anderen, für das Gründen eines Startups entschieden. Kein Beruf, bei dem man eine klassische 40-Stunden-Woche erwarten kann. Trotzdem bekommt er, wie er sagt, beides unter einen Hut. Sein 2022 gegründetes Energie-Startup Zählerfreunde arbeitet gerade an seiner zweiten Finanzierungsrunde. Bei Olympia ist Meggendorfer zwischenzeitlich nun knapp an einem olympischen Treppchen vorbeigesegelt.

Jakobs Diziplin ist der 49er: Ein leichtes High-Performance-Boot, das von zwei Seglern gesteuert wird. Die liegen beim Segeln horizontal über dem Wasser und halten mit ihrem Körpergewicht das Boot aufrecht. Sie erreichen eine Geschwindigkeit von bis zu 30 Knoten, das sind 55 Stundenkilometer. „Damit landet er auf Platz vier im Geschwindigkeitsvergleich aller olympischen Klassen“ schreibt das German Sailing Team. Jakob segelt mit seinem Jugendfreund Andreas Spranger, für beide ist es das erste Mal bei Olympia. Denn: „Segeln ist eine Sportart, wo Erfahrung enorm wichtig ist“, erklärt der Olympionike im Video-Interview.

Wenn ich beim Segeln bin, liegt der Fokus darauf, wenn ich zu Hause bin, auf dem Startup. Wenn beides verschwimmt, wird es stressig.

Jakob Meggendorfer

Olympionike und Gründer

Vor wenigen Tagen hing der 28-Jährige noch waagerecht über dem französischen Mittelmeer. Jetzt sitzt er im sonnengelben Deutschlandtrikot in einem Hotelzimmer in Marseille – und muss einer Wirtschaftsjournalistin sein Startup pitchen.

Jakob, du bist seit 11 Jahren Leistungssportler. Wie kamst du auf die Idee, obendrauf noch ein Startup zu gründen?

Ein Kommilitone aus meinem Bachelorstudium an der TU München hat mich angesprochen. Er kannte Tobi (Tobias Keussen, CEO von Zählerfreunde, Anm. d. Red.), unseren jetztigen Geschäftsführer, aus der Schule. Wir haben uns zusammengetan, ein kleines Team aufgebaut und dann 2022 gegründet.

Lest auch

V.l.: Bastian Busl, Hannes Münzinger und Alexander Priebe, Gründer und Geschäftsführer Homenergy GmbH

„Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt“ – Energie-Startup will es mit 1Komma5° aufnehmen

Ich wusste damals schon, dass das schwierig sein würde, alles unter einen Hut zu bekommen. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich sehen muss, wie viel ich schaffe. Es ist klar kommuniziert, dass ich nicht genauso eingebunden bin wie die anderen – dafür halte ich zum Beispiel auch weniger Anteile.

Letztlich geht es besser als gedacht. Es hat mir auch einen gewissen Ausgleich geboten – sowohl der Sport zum Arbeiten, als auch das Arbeiten zum Segeln. Im Nachhinein war es auf jeden Fall die richtige Entscheidung.

Was ist deine Rolle dort?

Ich bin Softwareentwickler. Ich habe Informatik studiert – da muss ich allerdings noch meine Masterarbeit schreiben – und bin einer der Techies im Team. Das ist eine Rolle, die sich gut auch digital ausfüllen lässt: manchmal bin ich im Trainingslager, bin vormittags auf dem Wasser und setze mich Nachmittags an den Laptop.

Lest auch

Investmentbanker und Ruderer holt für die USA Gold bei den Olympischen Spielen – so schafft er beide Jobs

Das heißt, du jonglierst zwischen Sport, Startup – und Studium?

Das kann man so sagen. Das Studentensein ist seit etwa eineinhalb Jahren weniger im Fokus, da ich mit allen Prüfungen fertig bin. Jetzt bin ich hauptsächlich Sportler, Gründer und Softwareentwickler für Zählerfreunde.

Du bist außerdem auch Sportsoldat.

Das ist eine Möglichkeit im deutschen Spitzensport, bei der man von der Bundeswehr unterstützt wird, seinen Sport auszuüben. Das ist super, weil es uns finanziell absichert und den Sportleralltag enorm erleichtert. Leider gibt es nur begrenzte Plätze pro Sportart in Deutschland. Unser Job ist es im Grunde, Medaillen für Deutschland zu gewinnen, die Unterstützung der Bundeswehr hilft dabei sehr.

Das Gründungs-Team von Zählerfreunde, ganz links CEO Tobias Keussen.

Das Gründungs-Team von Zählerfreunde, ganz links CEO Tobias Keussen.
Zählerfreunde

Hast du manchmal das Gefühl, dass das eine das andere beeinträchtigt?

Ich würde das Startup stärker voranbringen, wenn ich doppelt so viel arbeiten würde, keine Frage. Und andersrum ist es auch beim Segeln so. Man muss irgendwo Kompromisse machen – das bringt auch Vorteile. Ich glaube: Wenn man zu verbissen ist, egal bei was, Startup oder Sport, wird man engstirnig, verliert den Blick auf das große Ganze. Mir hat das Startup eine neue Perspektive aufgezeigt. Ich bin sehr dankbar, dass ich beides kombinieren kann. Man nimmt auch einiges aus dem Sport ins Businessleben mit – wie zum Beispiel, wie Teamarbeit funktioniert und man eine gute Stimmung schafft.

Dein Segelpartner und du sitzt seit über 10 Jahren buchstäblich in einem Boot. Wie hat er reagiert, als du ihm offenbart hast, dass du ein Unternehmen gründen willst?

Er hatte zum einen Vertrauen, dass ich richtig einschätzen kann, wie viel ich nebenbei schaffe. Zum anderen haben wir immer offen darüber gesprochen: es gab ein paar Mal, wo er mir direkt gesagt hat, dass ich gerade zu gestresst bin. Das gespiegelt zu bekommen ist sehr wichtig. Wir haben da einen guten Weg gefunden.

Wie hast du es dann geschafft, weniger gestresst zu sein, dich wieder aufs Segeln zu konzentrieren?

Für mich ist der Schlüssel, in Blöcken zu planen. Mein Trainingsplan strukturiert sich übers Jahr ja auch in mehreren Block-Einheiten, das versuche ich zu übernehmen: Wenn ich beim Segeln bin, liegt der Fokus voll darauf, wenn ich zu Hause bin, dann mehr auf dem Startup. Eine klare Trennung ist extrem wichtig, habe ich festgestellt. Wenn beides verschwimmt, wird es stressig. Der Kopf kann nicht zwei Sachen gleichzeitig bearbeiten. Und ich brauche bei beiden Tätigkeiten absolute Konzentration.

Warum treibst du den Sport auf diesem Level weiter?

Was den Leistungssport ausmacht, ist dieser Nervenkitzel beim Wettkampf und das Bewusstsein: Du misst dich jetzt und hier mit den Besten der Welt. Das ist unglaublich. Du willst einfach sehen, wie weit du es schaffen kannst.

Jakob Meggendorfer im Olympia-Trikot.

Jakob Meggendorfer im Olympia-Trikot.
DSV/Felix Dieme





Was sagen Zählerfreundes Investoren dazu?


Wir haben bei den Investoren von Zählerfreunde nachgehakt: Was sagen sie dazu, dass einer ‚ihrer‘ Founder 150 Tage im Jahr auf dem Wasser verbringt – und derzeit für mindestens drei Wochen ausfällt?

Zählerfreundes bisher größter Investor ist der Impact Investor capacura. Der Early-Stage-VC weiß Leistungssportler in seinem Portfolio besonders zu schätzen, denn „es zeigt, dass jemand in der Lage ist, Doppelbelastungen zu meistern und Prioritäten zu setzen“, so Investment-Managerin Andjela Cvetanovic. „Wir sehen absolute Parallelen zwischen Leistungssport und dem Gründer-Sein, weil einfach so viel Disziplin dahinter steckt. Die mentale Stärke, die man als Sportler aufbringen muss, hat auch im Startup-Bereich viele Vorteile.“ Cvetanovic fügt hinzu, dass eine klare interne Kommunikation und der Support seiner Mitgründer essentiell sei, damit Jakob beide Rollen erfolgreich ausfüllen könne: „Wir haben das sogar besonders gefeiert, weil wir daran sehen, dass das Team gut organisiert ist und jeder klare Aufgabenbereiche hat.“

Noch begeisterter zeigt sich der Zählerfreunde-Business Angel Erich Wex: „Seine Teamfähigkeit, seine Einsatzfreude und Zuverlässigkeit ist nicht nur für den Segelsport relevant, sondern auch für Jakobs Rolle bei den Zählerfreunden.“ Der Gründer habe bei Zählerfreunde eine von Beginn an klar definierte Rolle und erledige diese in vereinbarten Zeiträumen. Wex geht so weit zu sagen: „Ich denke, für jedes Team wäre ein Olympionike mit seinem Ehrgeiz, Leistungswillen und seiner Teamfähigkeit ein Gewinn!“

Wenn man bei einem Event wie den olympischen Spielen auch noch Spitzensportler aus anderen Disziplinen trifft, ist das zusätzlich ein wahnsinniges Privileg. Du nimmst wahnsinnig viel mit, für dein ganzes Leben. Natürlich ist es auch eine Frage der Unterstützung. Wer die Möglichkeit hat, so wie ich durch die Bundeswehr und den Sportverband abgesichert zu sein und seinen Sport professionell ausüben zu können – der nimmt die Chance meistens. Zumal die Zeit als Leistungssportler stark begrenzt ist.

Was war eine besonders einprägsame Erfahrung bei Olympia?

Es ist alles noch sehr präsent, ich muss erst einmal alles ordnen, um ehrlich zu sein. Aber eine besonders schöne Erfahrung war sicherlich, das Deutsche Haus in Paris zu besuchen. Dort kommen alle deutschen Athleten zusammen, um ihre Medaillen zu feiern. Das war enorm beeindruckend.

Dazu kommt: Normalerweise sind wir eine Randsportart, stehen nicht so im Fokus. Hier in Marseille standen jedes Mal, wenn wir aufs Wasser gegangen sind, 3.000 bis 4.000 Leute am Ufer, um uns zuzujubeln. Das ist eine neue und sehr schöne Erfahrung, die wir so nicht gewohnt sind.

Du hattest dir durchaus eine Medaille erhofft, richtig?

Es wäre falsch, zu Olympia zu fahren und sich keine Medaille zu erhoffen. Wir waren keine Favoriten, daher sind wir nicht unglaublich enttäuscht. Wir hatten das Privileg, relativ entspannt in den Wettkampf gehen zu können. Wir lagen allerdings nach der Halbzeit auch auf Platz vier. Natürlich träumt man dann ein bisschen.

Ist man als Segler eigentlich enttäuscht, nicht im olympischen Dorf untergebracht zu sein?

Wir haben hier ein paar Annehmlichkeiten, die es in Paris nicht gibt: Im olympischen Dorf lebt man eher in kleinen WGs, wir haben hier ein Hotel. Andererseits ist es natürlich auch extrem cool, mit allen anderen Sportlern zusammen zu sein und sich zufällig auf der Straße zu treffen. Für das richtige Olympia-Feeling ist das olympische Dorf auf jeden Fall cooler. Um sich auf seinen Wettkampf zu fokussieren, ist das Hotel besser.

Bist du wehmütig, dass Olympia nun zu Ende geht?

Definitiv! Wir haben uns jahrelang vorbereitet, der Wettkampf dauert dann nur vier Tage.

Und Olympia ist zum Glück alle vier Jahre.

Das müssen wir, also mein Segelpartner und ich, uns überlegen, ob wir das nochmal machen. Das ist schon ein extremes Commitment hier.

Du sprichst von Commitment. Wie sieht das konkret aus – wie sah dein Trainingsplan als Olympionik aus?

Das ist bei Seglern nicht so strukturiert wie bei zum Beispiel Leichtathleten. Wir sind wetterabhängig und müssen immer sehr flexibel sein. Wenn der Wind nicht stimmt, können wir nicht trainieren. Das bringt einen großen, organisatorischen Aufwand mit sich.

Unser Trainingsplan setzt sich aus Blocktrainings an verschiedenen Orten zusammen, wo wir dann oft auch Wettkämpfe haben. Im Jahr sind wir etwa 140 bis 150 Tage auf dem Wasser. Das schließt auch Trainingstage in Kiel am Olympiastützpunkt ein. Wenn wir zu Hause sind, machen wir Fitnesstraining. Das ist recht flexibel.

Hattest du während der Spiele komplett Startup-frei?

Ja, während der Spiele habe ich mich komplett zurückgezogen. Kurz vorher war ich noch in Meetings, um up-to-date zu bleiben, aber während der Spiele lag der Fokus nur auf dem Sport.

Wie ist es, wenn du wieder zurückkommst?

Ich habe bis Anfang September noch Luft, das habe ich von Anfang an so vereinbart. Es ist wichtig, nach so einem Wettkampf wie den Spielen auch ein bisschen Zeit für sich zu haben. Ich werde aber langsam die Arbeitsstunden hochfahren.

Hast du vor, die Arbeit im Startup weiter auszubauen – und den Leistungssport runterzufahren?

Wir werden erst mal einige Monate pausieren und dann klarer sehen, wie es weitergeht. Für mich steht fest, dass ich die Arbeit im Startup ausbauen möchte und mich dort wieder mehr beteiligen werde. Wie es mit dem Segeln weitergeht, wird sich zeigen.

Eben hatten wir es von Wehmut. Freust du dich auf der anderen Seite auch ein wenig, wieder zurückzukommen?

Auf jeden Fall. Es ist ein Privileg, das hier erlebt zu haben, aber ich freue mich auch auf einen geregelten Alltag, den ich seit vielen Jahren nicht hatte. Eigentlich brauche ich das nämlich.

Lest auch

Könnt ihr aus dem Startup fliegen, weil euer Hobby zu „extrem“ ist?