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150 Jahre Favoriten: Bezirk der großen Gegensätze

150 Jahre Favoriten: Bezirk der großen Gegensätze

Am 27. September 1874 wurden Teile des damaligen vierten und fünften Bezirks außerhalb des Linienwalls, des heutigen Gürtels, eigenständig. Benannt wurde Favoriten nach dem Schloss Favorita, dem heutigen Theresianum, das allerdings im vierten Bezirk liegt. Schon seit dem Frühjahr feiert die Stadt das Jubiläum: Bis Samstag läuft noch das Festival „Favorite Fall“, weitere Events folgen.

Das beste Image hatte Favoriten als Arbeiter- und Zuwandererbezirk nie. Gewalt auf dem Reumann- und dem Keplerplatz und die am 30. März etablierte Waffenverbotszone sorgten wohl auch dafür, dass ihm in einer „Standard“-Umfrage das schlechteste Image aller Bezirke zugesprochen wurde. Selbst eingeschworene Favoritner und Favoritnerinnen geben zu, dass ihr Bezirk es ihnen in Sachen Zuneigung nicht immer einfach macht.

Station Reumannplatz der Straßenbahnlinie 67, Wien 2016
Fußgängerzone Reumannplatz nach dem Rückbau der Straßenbahngleise, Wien 2024

Bezirksmuseum Favoriten



ORF/Christian Öser

Der Reumannplatz im Vergleich 2016 und 2024

Größer als fast alle Landeshauptstädte

Mit rund 220.000 Einwohnerinnen und Einwohnern beherbergt der Bezirk mehr Menschen als fast alle Landeshauptstädte. Linz wurde vor einiger Zeit überholt, nur Graz ist größer. Dennoch ist Favoriten nicht mehr der bevölkerungsreichste Bezirk, heuer wurde er von der Donaustadt überholt. Beide wuchsen in den vergangenen Jahren durch zahlreiche neue Stadtentwicklungsgebiete und Wohnanlagen kräftig, der 22. Bezirk allerdings noch ein wenig mehr.

Kaum ein anderer Bezirk ist dabei so vielschichtig wie Favoriten: „Das reicht von den enorm großen gründerzeitlichen Vierteln über große Wohnbauanlagen, Kleingarten- und Einfamilienhausareale bis zu dörflichen Strukturen wie in Oberlaa. Es ist quasi eine Kombination aus einem Bezirk innerhalb des Gürtels mit einem ‚Zwischenstadt‘-Bezirk wie 21., 22., 23.“, sagt Stadtforscher Robert Temel gegenüber ORF.at.

Bezirk mit vielen Gesichtern

Fotostrecke mit 17 Bildern

Überblicksaufnahme des Reumannplatz, Wien


ORF/Christian Öser

Der Reumannplatz, das südliche Ende der Fußgängerzone, ist zuletzt zu unrühmlicher Bekanntheit gelangt. Derzeit gilt dort noch ein Waffenverbot, abseits davon ist er ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt für den öffentlichen Nahverkehr.

Obst- und Gemüsestände auf dem Viktor-Adler-Markt in Wien


ORF/Christian Körber

Der Viktor-Adler-Markt, gegründet 1877, zählt mit seinem Bauernmarkt und internationalen Ständen zum Fixpunkt in der Nahversorgung des Bezirks

Überblicksaufnahme des Laaerbergbads in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Das Laaerbergbad beim Verteilerkreis wurde 1959 eröffnet und bietet als Freibad mit Sport- und Wellenbad viele Sportmöglichkeiten sowie Liegeflächen unter Bäumen

Außenansicht des Eingangsbereichs der Therme Wien


ORF/Christian Öser

1967 wurde die 1934 entdeckte Schwefelquelle in Oberlaa offiziell als „wertvoll“ anerkannt, ein paar Jahre darauf begann ein provisorischer Kurbetrieb. 2010 wurde die Therme Wien am südlichen Ende des Kurparks in ihrer jetzigen Form eröffnet

Menschen gehen in Wien auf der Favoritenstraße am Domenighaus vorbei


ORF/Christian Körber

Das Domenighaus, benannt nach seiem Architekten Günther Domenig, in der Fußgängerzone Favoritenstraße war einst eine Filiale der Zentralsparkasse, mittlerweile ist ein türkisches Restaurant samt Hotel eingezogen

Außenansicht von Ferhat Döner auf der Favoritenstraße, Wien


ORF/Christian Körber

Kultstatus hat Ferhat Döner auf der Favoritenstraße erlangt – fast zu jeder Tageszeit stehen Menschen in langen Schlangen um einen Döner an

Volksparkteich im Volkspark Laaerberg, Wien


ORF/Christian Öser

Favoriten hat sehr viel Grünflächen und Naherholungsflächen, hier der Volksparkteich im Volkspark Laaerberg

Eingang zum Stadion des FavAC in Wien-Favoriten


ORF/Christian Körber

Der FavAC, kurz für Favoritner Athletikclub und seit 1910 aktiv, liegt inmitten einer Wohngegend des Bezirks

Außenansicht des FH Campus Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Die Fachhochschule FH Campus Wien, die aktuell größte in Österreich, hat ihren Hauptstandort neben dem Verteilerkreis, der zuletzt unter anderem durch Studentenheime groß erweitert wurde

Überblicksaufnahme der Generali Arena in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Die Generali Arena, Heimstatt der Wiener Austria, ist ein weiteres „Wahrzeichen“ Favoritens – ebenfalls direkt neben dem Verteilerkreis angesiedelt

Wandgemälde (Mural) „Love, Life and Death“ des Künstlers NYCHOS in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Kunst findet sich an auch unerwarteten Orten, wie hier das Wandgemälde „Love, Life and Death“ des Künstlers Nychos, Ecke Knöllgasse/Quellenstraße

Menschen warten vor dem Eissalon Tichy in Wien


ORF/Christian Öser

„Der Tichy“ und seine Eismarillenknödel auf dem Reumannplatz gelten seit 1952 als Institution im Bezirk

Straßenschild vor einem Acker in Wien-Oberlaa


ORF/Christian Öser

Auch das ist Favoriten: Am südlichen Rand des Bezirks, in Oberlaa und Rothneusiedl, gibt es noch viele Bauern und Bäuerinnen und Landwirtschaft

Außenansicht der Katholischen Pfarrkirche hl. Antonius von Padua auf dem Antonsplatz, Wien


ORF/Christian Öser

Die Antonskirche auf dem Antonsplatz wird seit 1901 genutzt, es ist die größte Kirche des Bezirks

Überblicksaufnahme des Columbusplatz in Wien


ORF/Christian Öser

Der Columbusplatz, zwischen Fußgängerzone (Favoritenstraße) und Laxenburger Straße, war einst ein Marktplatz. Später fuhren hier Straßenbahnlinien, mitterweile gibt es hier Einkaufszentrum, Cafes und Sitzbänke.

Autobus der Wiener Linien in ländlicher Gegend in Oberlaa, Wien


ORF/Christian Öser

Noch sehr ländlich ist die Struktur in Oberlaa südlich der Bahn, diverse Bauprojekte lassen regelmäßig bei den Bewohnerinnen und Bewohnern, die diesen Charakter konservieren wollen, die Wogen hochgehen.

Wienerbergteich im Erholungsgebiet Wienerberg, Wien


ORF/Christian Körber

Der Wienerberg mit dem Wienerbergteich, ein Produkt der früheren Ziegelherstellung, ist ein sehr beliebtes und gut besuchtes Naturschutzgebiet mit eigenem FKK-Areal. Er bietet wichtigen Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten.

Prägende Ziegelproduktion

Das heutige Favoriten und sein Sozialgefüge ist ein Produkt seiner Geschichte: Diese ist vor allem geprägt durch die Industrie – und da in erster Linie durch die Ziegelproduktion. Die 1775 unter Kaiserin Maria Theresia am Wienerberg errichtete erste staatliche Ziegelei machte der mährische Unternehmer Alois Miesbach ab 1820 zur größten Ziegelfabrik des Kontinents. In den folgenden Jahrzehnten verschärfte sich die Ausbeutung der vorwiegend aus Tschechien stammenden Arbeiter und Arbeiterinnen („Ziegelböhm“), gleichzeitig zog der Standort weitere Industrie- und Fertigungsbetriebe an.

Für die Arbeitenden wurden in weiterer Folge unzählige billige „Zinskasernen“ mit Kleinstwohnungen gebaut, die den Bezirk nachhaltig prägten. Die katastrophale soziale Lage der Arbeitenden und ihrer Elendsbehausungen spielte auch eine Rolle in der Gründung der SPÖ: Eine maßgebliche Figur war dabei der Arzt und Journalist Victor Adler, der eine viel beachtete Reportage über die Arbeitsbedingungen in den Ziegelwerken schrieb.

Spitzenreiter bei Gemeindewohnungen

Anfang der 1920er Jahre sollte die nächste entscheidende Phase beginnen: Wien errichtete die ersten Gemeindebauten, auch in Favoriten – und viele weitere sollten folgen. Heute gibt es in Favoriten laut Wiener Wohnen rund 27.800 Gemeindebauwohnungen in 123 Gemeindebauten – so viele wie in keinem anderen Bezirk. Sie beherbergen rund 50.000 Menschen.

Historische Aufnahme des schwer beschädigten Amalienbads in Wien zur Zeit des Zweiten Weltkriegs
Amalienbad in Wien, 2024

Bezirksmuseum Favoriten



ORF/Christian Öser

Das 1926 eröffnete Amalienbad wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt – es gilt als eines der Wahrzeichen Favoritens

Die Per-Albin-Hansson-Siedlung in Favoriten ist der größte Gemeindebau Wiens. Der Westteil der Anlage wurde ab 1947 errichtet, in den folgenden Jahrzehnten entstanden dann insgesamt 5.900 Wohnungen. Der wohl bekannteste Teil im Osten, der Olof-Palme-Hof, wurde in den 1970er Jahren gebaut. Doch die damals in der Peripherie gelegenen Großgemeindebauten, wie auch der 1972 bis 1982 gebaute Karl-Wrba-Hof (und die Siedlung Rennbahnweg in Donaustadt), galten bald als soziale Brennpunkte.

Vorreiter bei U-Bahn und Fußgängerzone

Bis 2017 sollte es dauern, bis die Per-Albin-Hansson-Siedlung auch per U-Bahn erreichbar wurde. Dabei spielt Favoriten im U-Bahn-Netz eine tragende Rolle: 1978 ging die U1 von Karlsplatz bis Reumannplatz als erste neu errichtete U-Bahn-Strecke in Betrieb. Und eine Vorreiterrolle hatte Favoriten auch in Sachen Fußgängerzone: Die Favoritenstraße wurde bereits 1973 – kurz nach der Kärntner Straße – den Fußgängern vorbehalten.

Außenansicht des ehemaligen Tlapa-Gebäudes in der Favoritenstraße in Wien
Außenansicht des neuen Tlapa-Gebäudes in der Favoritenstraße in Wien

Bezirksmuseum Favoriten



ORF/Christian Öser

Das bekannte Modehaus Tlapa in der Favoritenstraße schloss 2016 und wurde durch einen Neubau ersetzt

Die Industriegebiete im Süden des Bezirks waren da schon großteils Geschichte. Die Areale der Ziegelproduktion wurden – teils nach Zwischennutzung als, mitunter wilde, Mülldeponien – sukzessive in Grünzonen verwandelt, so etwa die Erholungsgebiete Wienerberg, Laaer Wald, Löwygrube und der Kurpark Oberlaa. Andere Industriebauten wurden in Wohnraum umgewandelt.

Favoriten im Wandel der Zeit

Fotostrecke mit 24 Bildern

Neugierige Fahrgäste während der U1-Eröffnung vom Reumannplatz bis Karlsplatz am 25. Februar 1978 am Karlsplatz


Wiener Linien

Am 25. Februar 1978 wurde die neu gebaute U1 eröffnet: Sie fuhr damals vom Reumannplatz bis zum Karlsplatz. Heute fährt sie von Oberlaa bis Leopoldau und quert dabei als längste U-Bahn insgesamt sechs Bezirke.

Neu eröffnete U-Bahn-Station Oberlaa in Wien-Favoriten, 2017


ORF/Christian Öser

2017 wurde die U1 bis Oberlaa und damit bis zur Therme Wien und zum Kurpark Oberlaa verlängert

Historische Luftaufnahme des Verteilerkreises, des Horr-Stadions und der Südosttangente aus den 1970er-Jahren in Wien-Favoriten


Bezirksmuseum Favoriten

Anfang der 1970er Jahre wurde der Verteilerkreis mit der Südosttangente gebaut und eröffnet. Hier eine Aufnahme aus der Zeit mit dem alten Horr-Stadion und noch viel Brachfläche.

Überblicksaufnahme des Verteilerkreises in Wien-Favoriten, 2024


ORF/Christian Öser

Nach der Verlängerung der U1 gab es verschiedene Pläne für den Verteilerkreis, ehemals auch „Favoritner Ast“ genannt, darunter der Bau von Bürogebäuden und eines Busbahnhof. Derzeit gibt es Mietcontainer und einen Parkplatz.

Historische Luftaufnahme der Per-Albin-Hansson-Siedlung-West, 1951


Bezirksmuseum Favoriten

Die Per-Albin-Hansson-Siedlung West, fotografiert im Jahr 1951. Es war das erste große Wohnbauvorhaben nach dem Zweiten Weltkrieg, mit vielen Gärten für die Selbstversorgung. Der bekanntere Teil, der Olof-Palme-Hof, kam in den 1970er Jahren dazu.

Außenansicht der Per-Albin-Hansson-Siedlung Ost in Wien-Favoriten, 2024


ORF/Christian Öser

Die Per-Albin-Hansson-Siedlung Ost, der Olof-Palme-Hof, galt lange Zeit als sozialer Brennpunkt

Historische Aufnahme der Flaniermeile im Böhmischen Prater in Wien, unbekanntes Jahr


Bezirksmuseum Favoriten

Der Böhmische Prater hat eine lange Geschichte als Vergnügungsort

Flaniermeile im Böhmischen Prater in Wien-Favoriten, 2024


ORF/Christian Öser

Heute ist der Böhmische Prater im Vergleich zum Prater im 2. Bezirk sicher weit weniger spektakulär, sein Charme hat aber viele Fans

Historische Außenaufnahme des Südbahnhofs in Wien wenige Monate vor dem Abriss, 2008


ORF/Christian Öser

Der Südbahnhof, hier 2008, musste dem Hauptbahnhof weichen – davor standen hier bereits andere Bahnhöfe

Innenansicht der futuristischen Architektur auf dem Hauptbahnhof Wien, 2015


ORF/Christian Öser

Der 2014 eröffnete Hauptbahnhof ist der meistfrequentierte Fernbahnhof Österreichs

Historische Aufnahme der Ziegelteiche Oberlaa, unbekanntes Jahr


Bezirksmuseum Favoriten

Ziegelwerke prägten lange Zeit den Bezirk, wie hier in Oberlaa – und bis heute existieren die durch den Aushub des Tons entstandenen Ziegelteiche. Einige Szenen des monumentalen Stummfilms „Metropolis“ (1927) von Fritz Lang wurden hier gedreht.

Mosaik „Ziegelarbeiterinnen“ aus dem Jahr 1955 von Rudolf Pleban an einem Wohnhaus in Wien-Favoriten, 2024


ORF/Christian Öser

An vielen Orten im Bezirk wird an die Ziegelarbeiterinnen erinnert, wie mit diesem Mosaik aus dem Jahr 1955 von Rudolf Pleban

Historische Aufnahme der Ankerbrotfabrik in Wien-Favoriten mit Blick in einen Lagerraum für Mehlsäcke, unbekanntes Jahr


Bezirksmuseum Favoriten

Prägend für Favoriten ist auch die Ankerfabrik, in der viele Jahrzehnte Brot für die Stadt und darüber hinaus gebacken wurde

Außenansicht der Ankerbrotfabrik in Wien-Favoriten, 2024


ORF/Christian Öser

Mittlerweile sind auch in der Ankerfabrik Wohnungen und Räume für Kunst und Begegnung angesiedelt

Historische Aufnahme des Aero Tower Hotels und der Endstation der Straßenbahnlinie 167 in Oberlaa in Wien-Favoriten, ca. 1978


Bezirksmuseum Favoriten

Die Straßenbahnlinie 67 war lange Zeit ein relevanter Bestandteil des öffentlichen Nahverkehrs, sie wurde durch de U1-Verlängerung obsolet. Das Aero Tower Hotel an der früheren Endstation in Oberlaa ist heute auch Wohngebäude.

TABA Tower und ehemalige Endstation der Straßenbahnlinie 67 in Oberlaa in Wien-Favoriten, 2024


ORF/Christian Öser

Der nunmehrige TABA Tower und die ehemalige Endstation der Straßenbahnlinie 67 – auch hier sind weitere Wohnprojekte geplant

Historische Luftaufnahme der Heller-Fabrik in Wien-Favoriten, unbekanntes Jahr


Bezirksmuseum Favoriten

Zuckerl und andere Süßwaren wurden ebenfalls lange in Favoriten produziert, unter anderem von der Firma Heller, hier in einer Luftaufnahme zu sehen

Außenansicht der ehemaligen Heller-Fabrik in Wien-Favoriten, 2024


ORF/Christian Öser

Die Heller-Fabrik wird seit der Stilllegung 1971 ebenfalls anderweitig genutzt, unter anderem ist hier nun ein Pflegeheim untergebracht

Historische Aufnahme der Wiener Internationalen Gartenbauausstellung (WIG) 1974 im Kurpark Oberlaa


Bezirksmuseum Favoriten

Die Wiener Internationale Gartenbauausstellung (WIG) 1974 war ausschlaggebend für die Neugestaltung des ehemaligen Ziegeleigeländes am Südhang des Laaerbergs – heute der Kurpark Oberlaa. Das ehemals wilde Gelände wurde hart konfektioniert.

Blumenschmuck anlässlich 50 Jahre WIG74 im Kurpark Oberlaa in Wien-Favoriten, 2024


ORF/Christian Öser

Heute ist „die WIG“, trotz viel Kritik beim Bau, Anziehungspunkt für viele Besucher und Besucherinnen

Außenansicht des historischen Amtshauses in Wien-Favoriten, 2024


ORF/Christian Öser

Das historische Amtsgebäude in der Laxenburger Straße beherbergt viele Einrichtungen des Bezirks

Außenansicht der ehemaligen Maschinenfabrik H. R. Gläser in der Quellenstraße in Wien-Favoriten, 2024


ORF/Christian Öser

Nicht alle alten Fabriksgebäude wurden abgerissen, das der ehemaligen Maschinenfabrik H. R. Gläser in der Quellenstraße steht noch

Historische Aufnahme der Endstation der Straßenbahnlinie 67 in Rothneusiedl, unbekanntes Jahr


Bezirksmuseum Favoriten

Die Endstation der Straßenbahnlinie 67 in Rothneusiedl lag einst etwas entrisch

Außenansicht des Haschahofs in Wien-Favoriten, 2024


ORF/Christian Öser

Heute ist Rothneusiedl, hier der Haschahof, vor allem durch Busse erreichbar

Wohnraum als sozialer Faktor

Im Kern blieb Favoriten über die Jahrzehnte aber ein Arbeiter- und Zuwandererbezirk, nicht nur wegen des großen Angebots an historischem, teils schlecht ausgestattetem und daher billigem Wohnraum: Stadtforscher Temel verweist auch darauf, dass Bahnhofsnähe hier – wie auch in den Bezirken zwei, 20 und 15 – ein Faktor ist.

Teilweise sei der Wohnraum aber auch im Privateigentum, so Temel, und biete deshalb Raum für eine kleinteilige, vor allem migrantische Ökonomie mit vielen Selbstständigen. Das führe zu einer dichten „Durchmischung von Wohnen und Gewerbe/Handel“. Tatsächlich gehört Favoriten in die Top Drei der Wiener Bezirke mit den meisten Unternehmenssitzen, gleichzeitig aber auch zu jenen mit dem geringsten Durchschnittseinkommen. Der Anteil an Ausländerinnen und Ausländern betrug 2021 rund 42 Prozent.

Historische Aufnahme der Triester Straße mit Spinnerin am Kreuz in Wien, 1937
Triester Straße mit Spinnerin am Kreuz in Wien

Bezirksmuseum Favoriten



ORF/Christian Öser

Die Spinnerin am Kreuz 1937 und 2024

Hartes Pflaster

Favoriten war aber auch immer sozialer Brennpunkt, Armut und Kriminalität waren präsenter als in wohlhabenderen Bezirken. Grätzl wie das „Kreta-Viertel“, das Gerhard Bronner in seinem „Favoriten-Lied“ über seine Kindheit besingt, galten schon Ende des 19. Jahrhunderts als Problemviertel. Der Liedermacher Fritz Nussböck widmete Favoriten gleich einige Lieder.

Vielzahl neuer Wohnprojekte

Seit der Jahrtausendwende wächst Favoriten stark – vor allem aufgrund neuer Stadtentwicklungsgebiete mit einer Vielzahl an neuen Wohnungen. Neu gebaut wurde etwa an der Laaerbergstraße, das Gebiet Monte Laa wird auch derzeit ständig erweitert. Mit dem Sonnwendviertel rund um den neuen Hauptbahnhof bekam Favoriten eine ganz neue Visitenkarte. Rege Bautätigkeit gab und gibt es auch am „Neuen Landgut“ bei den ehemaligen Gösser-Hallen, am Wienerberg, am Eisring Süd, in Oberlaa und Rothneusiedl. Und in Baulücken zwischen Gründerzeithäusern wachsen zunehmend moderne Wohngebäude.

Bei der Stadtteilentwicklung geht man heute freilich andere Wege als früher: Gemeindebauten werden derzeit kaum gebaut, wenn auch der erste Gemeindebau nach langer Zeit in Favoriten eröffnet wurde. Der Fokus liege derzeit auf gemeinnützigem Wohnbau, so Temel. Man versuche, in einem Areal mehrere Bauträger bauen zu lassen und „geförderten und frei finanzierten Wohnbau zu mischen“ – wiewohl es auch Beispiele für Investorenstädtebau in Favoriten gebe, bei dem Wohnraum vor allem als Wertanlage gesehen wird.

Wohnen in allen Varianten

Fotostrecke mit 19 Bildern

Außenansicht des Karl-Wrba-Hofs („Senfbauten“) in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

„Senfbauten“ heißt der Karl-Wrba-Hof wegen seiner Farbe im Bezirk liebevoll. Architektonisch interessant, gilt er in Sachen Sozialgefüge als nicht ganz einfach.

Wasserturm zwischen Neubauten am Eisring-Süd, Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Wo früher der Eisring-Süd Platz zum Eislaufen bot, wurden nahe dem Wasserturm mittlerweile Hunderte geförderte Wohnungen sowie Gemeindewohnungen errichtet

Wohnhaus mit „Vogelhaus“-Balkonen im Kreta-Viertel in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Dieses Wohnhaus mit „Vogelhaus“-Balkonen im dicht bebauten und von Zinskasernen dominierten Kreta-Viertel nahe der Ankerfabrik wurde und wird kontroversiell diskutiert

Gasse im „Superblock“ in Wien-Favoriten


ORF/Christian Körber

Nach dem Vorbild Barcelonas wurde auch in Favoriten in dicht bebautem Gebiet ein Superblock, Supergrätzl genannt, zur Verkehrsberuhigung und für mehr Grün an Ort und Stelle umgesetzt

Verwahrlostes Wohnhaus in der Hasengasse in Wien-Favoriten


ORF/Christian Körber

Eine rare Baulücke in der Hasengasse – in dieser Gasse spielte auch die ORF-Kultserie „Ein echter Wiener geht nicht unter“ . In der Gasse wuchs auch Künstler Gottfried Helnwein auf.

Außenansicht der Per-Albin-Hansson-Siedlung Ost in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Die Per-Albin-Hansson-Siedlung, der größte Gemeindebau Wiens, hier der Teil Ost, lag einst am Rand des Bezirks, mittlerweile ist der Bezirk samt U-Bahn herangewachsen

Gebäude auf dem ehemaligen Siemens-Areal in Wien-Favoriten


ORF/Christian Körber

Auf den ehemaligen Siemens-Gründen sollen 1.100 Wohnungen entstehen. Das Projekt verbindet das Sonnwendviertel mit dem Wohngebiet Monte Laa.

Hochhäuser Monte Laa hinter der A23 Südosttangente in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Auf der Überplattung der Südosttangente (A23) ist seit 2001 der Stadtteil Monte Laa entstanden, weithin sichtbar sind die Hochhäuser

Außenansicht des Viktor-Adler-Hofs in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Am Anfang der Triester Straße liegt der 100 Jahre alte Viktor-Adler-Hof. Er ist benannt nach dem Begründer der Sozialdemokratie, Victor Adler, der sich besonders für die Ziegelarbeiter des nahen Wienerbergs eingesetzt hatte.

Wohnhochhaus Kundratstraße in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Ebenfalls (fast) an der Triester Straße liegt das Wohnhochhaus Kundratstraße, das ebenfalls weithin sichtbar ist

Außenansicht des Gemeindebaus Barbara-Prammer-Hofs in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Der Barbara-Prammer-Hof ist der erste Gemeindebau, den die Stadt Wien nach langer Zeit wieder gebaut hat. Er liegt im neuen Wohnviertel Oberlaa nahe der Therme Wien, nördlich der Bahngleise.

Vienna Twin Towers und Business Park Tower in der Wienerberg City, Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Neben vielen Wohngebäuden gibt es auf dem Wienerberg mit den Twin Towers und dem Business Park Tower auch zahlreiche Büros auf einem Gelände, wo einst Ziegel gepresst wurden.

Neubauten im Stadtentwicklungsgebiet Biotope City, Wien-Favoriten


ORF/Christian Körber

Viele ehemalige Industriegebiete im Bezirk wurden und werden für Wohnbauten genutzt wie hier die alten Amatil-Gründe (Coca-Cola) an der Triester Straße für das Stadtentwicklungsgebiet Biotope City

Wohnterrassenhaus Buchengasse in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Die vielen Neubauprojekte im Wohnbau der letzten Jahre haben interessante Formen zu Tage gefördert, wie hier in der Buchengasse

Ehemaliges Philippshaus an der Triester Straße, Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Wer vom Süden über die Triester Straße nach Wien und damit auch durch Favoriten fährt, kommt seit über 60 Jahren unweigerlich am ehemaligen Philipshaus vorbei – auch hier wird mittlerweile gewohnt statt gearbeitet.

Helmut-Zilk-Park und Neubauten im Sonnwendviertel in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Das Sonnwendviertel, hier vom Helmut-Zilk-Park aus, nahe dem Hauptbahnhof ist eines der größten Stadtentwicklungsgebiete des Bezirks. Rund 5.500 Wohnungen wurden bis 2023 gebaut, dazu 20.000 kamen Arbeitsplätze.

Gesundheitszentrum Favoriten und Wohnhäuser in der Wienerberg City, Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Die Wienerberg City, hier von der Wienerbergstraße aus gesehen mit dem Gesundheitszentrum Favoriten davor, liegt auf dem Kamm des Wienerbergs. Früher wurde auch hier Ton zu Ziegeln und diversen anderen Produkten wie Abflussrohren geformt.

Außenansicht der Neubauten rund um die ehemaligen Gösserhallen in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Frisch bebaut ist das Projekt „Neues Landgut“ rund um die ehemaligen Gösserhallen, ebenfalls nahe dem Hauptbahnhof

Außenansicht des George-Washington-Hofs in Wien-Favoriten


ORF/Christian Öser

Beim Bau des weitläufigen und denkmalgeschützten George-Washington-Hofs neben der Spinnerin am Kreuz wurden zahlreiche menschliche Überreste gefunden – bei der Spinnerin am Kreuz wurden sehr lange Zeit Exekutionen durchgeführt.

Infrastruktur als Achillesferse

Nicht immer gelingt zudem die Durchmischung von Wohnbau und anderen Nutzungsformen wie Gewerbe und Handel – das liege vor allem an den Bauträgern, so Temel. Und damit müssen sich auch einige neue Wohnviertel den Vorwurf gefallen lassen, fast reine „Schlafstädte“ zu sein. Im besten Fall, wie etwa beim Sonnwendviertel, ist man auf die Infrastruktur der benachbarten Gründerzeitgrätzl angewiesen. Mit den Neubauten wird jedenfalls ein neues Publikum Richtung Favoriten geholt, von einer flächigen Gentrifizierung ist aber noch kaum die Rede.

Historische Außenansicht des ehemaligen Arbeiterheims Favoriten mit dem Amalienkino, Wien
Außenansicht des ehemaligen Arbeiterheims Favoriten, Wien 2024

Bezirksmuseum Favoriten



ORF/Christian Öser

Das 1902 eröffnete Arbeiterheim in der Laxenburger Straße beherbergte später Austrofaschisten, die Kreisleitung der Nationalsozialisten und die Sowjetrussische Kommandantur. Später wurde das Haus mehrmals als Hotel genutzt, nun will die Wiener SPÖ hier ihre Zentrale einrichten.

Bei größeren Wohnbauarealen sei der Bildungscampus Standard, in dem Kindergarten, Volks- und Mittelschulen integriert seien, so Temel. Der Bau von höherbildenden Schulen liegt allerdings nicht in der Hand der Stadt. Und mit nur drei – wenn auch großen – öffentlichen Gymnasien scheint für Favoriten, dem Bezirk mit dem höchsten Anteil an Menschen mit Pflichtschule als höchstem Bildungsabschluss, noch Luft nach oben.