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Von Pennsylvania bis Nevada: Diese Themen entscheiden in den Swing States die Wahl

Von Pennsylvania bis Nevada: Diese Themen entscheiden in den Swing States die Wahl

Die Wahl des Jahres rückt immer näher: Kamala Harris oder Donald Trump? Wer die US-Präsidentschaftswahl gewinnt, entscheidet sich in sieben Bundesstaaten. Jeder “Battleground” hat seine Eigenheiten. Die wahlentscheidenden Themen könnten von Wirtschaft, über Abtreibungen, Einwanderung bis zu Puerto Rico reichen.

Der Wahlkampf in den USA biegt auf die Zielgerade ein. Es ist weiter nicht absehbar, ob Donald Trump oder Kamala Harris die Wahl gewinnt. Beide Präsidentschaftskandidaten reisen an den letzten Tagen vor der Wahl von Swing State zu Swing State. In diesen sieben Bundesstaaten entscheidet sich kommende Woche Dienstag, ob Trump zum zweiten Mal Präsident wird oder erstmals eine Frau ins Weiße Haus einzieht. Ein Überblick über die Ausgangslage in den wahlentscheidenden Bundesstaaten.

Pennsylvania: Der Bundesstaat im Nordosten der USA sticht selbst unter den so wichtigen Swing States besonders hervor. Der offizielle Spitzname von Pennsylvania lautet “Keystone State”. Er bezieht sich auf die historische Bedeutung des Bundesstaates als einer von 13 Gründerstaaten der USA, mit seiner größten Stadt Philadelphia als Unterzeichnungsort der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Ein “Keystone” ist der Schlussstein eines steinernen Bogens. Ohne ihn fällt der Bogen zusammen. Pennsylvania könnte zum “Keystone” für einen Wahlsieg werden. Demokraten und Republikaner haben das meiste Werbegeld in Pennsylvania investiert. Es geht um 19 Wahlleute, kein Swing State ist wichtiger. Wer hier gewinnt, kommt der Präsidentschaft ein großes Stück näher.

Die Demokraten haben im Wahlkampf versucht, vor allem in Philadelphia, Pittsburgh und den Randbezirken der beiden größten Städte des Bundesstaates zu mobilisieren. Die Republikaner setzen auf die weiße Arbeiterschaft auf dem Land und in den Kleinstädten. Trump muss in den einwohnerschwächeren, dafür aber stark von weißen Arbeitern geprägten Kleinstädten einen möglichst großen Vorsprung auf Harris herausarbeiten. Nur so kann er die demokratischen Mehrheiten in Philadelphia und Vororten ausgleichen. Der Anteil der weißen Bevölkerung ist in Pennsylvania deutlich höher als im gesamten Landesschnitt.

2016 gewann Trump hier gegen Hillary Clinton, es war ein Meilenstein auf dem Weg zum überraschenden Triumph über die Demokratin. 2020 hatte Joe Biden in den einwohnerstarken Vorstädten von Philadelphia deutlich besser abgeschnitten als Trump (19 Prozentpunkte Vorsprung). Am Ende lag Biden gut 80.000 Stimmen (1,17 Prozentpunkte) vor seinem Gegner.

Möglicherweise wahlentscheidend könnten Puerto-Ricaner werden. Alleine fast eine halbe Million Menschen aus dem US-Außengebiet leben inzwischen in Pennsylvania. Viele kehrten ihrer Heimatinsel in der Karibik nach Hurrikan “Maria” im Jahr 2017 den Rücken. Damals hatte Donald Trump nicht angemessen auf die Zerstörungen in Puerto Rico reagiert und damit viele Menschen zur Abwanderung getrieben, analysiert “The Atlantic”. Bei Trumps Großveranstaltung im Madison Square Garden in New York Anfang bezeichnete ein Comedian, der als Trump-unterstützender Gastredner auftrat, Puerto Rico als “Insel aus Müll”. Acht Prozent der Einwohner von Philadelphia sind Puerto-Ricaner. Wenden sich einige von ihnen von Trump ab, könnte das in einem umkämpften Staat wie Pennsylvania bereits den Unterschied machen.

  • Anzahl der Wahlleute: 19
  • Wahlsieger 2020: Joe Biden (Vorsprung: 1,17 Prozentpunkte)
  • Einwohner: 13 Millionen

Michigan: Michigan und die größte Stadt Detroit sind die Herzkammer der amerikanischen Autoindustrie. Doch im Bundesstaat und der Stadt herrscht Unsicherheit wegen der Konkurrenz aus China und des Umbaus zur Elektromobilität. Die Gewerkschaft der Automobilarbeiter (UAW) setzt nach einigem Zögern trotzdem auf eine erneute Präsidentschaft der Demokraten. Das kann, muss aber nicht den Unterschied pro Harris ausmachen. Eine Wahlempfehlung der Gewerkschaftsbosse dürfte jedenfalls nicht reichen, um unzufriedene Arbeiter von Trump loszueisen.

Michigan ist aber auch der Bundesstaat, in dem die meisten arabischstämmigen Wählerinnen und Wähler innerhalb der USA leben. Die mehr als 200.000 registrierten muslimischen Wähler tendieren traditionell zu den Demokraten, viele von ihnen sind aber wütend auf Joe Bidens pro-israelische Politik. Vor allem junge Wähler, unter ihnen auch viele College-Studenten aus Michigan, könnten sich von Harris abwenden und der Wahlkabine stattdessen fernbleiben.

Im Bundesstaat sind fast drei Viertel der Bevölkerung weiß. Trump fokussiert sich auf die unter Inflation ächzenden Arbeiterschaft. Harris setzt darauf, die höher gebildeten Weißen zu mobilisieren. Außerdem muss sie im bevölkerungsstarken Detroit einen möglichst großen Vorsprung in der schwarzen Wählerschaft herausholen.

  • Anzahl der Wahlleute: 15
  • Wahlsieger 2020: Joe Biden (Vorsprung: 2,78 Prozentpunkte)
  • Einwohner: 10 Millionen

Wisconsin: Auch in “America’s Dairyland” (“Amerikas Molkereiland”) Wisconsin spielt die weiße Wählerschaft eine wichtige Rolle. 80 Prozent der Einwohner von Wisconsin sind weiß, deutlich mehr als im landesweiten Durchschnitt (58 Prozent). Der knappe und vollkommen überraschende Sieg von Donald Trump 2016 war auf viele unzufriedene weiße Arbeiter zurückzuführen. Zuvor hatten die Demokraten seit 1988 durchgängig in Wisconsin gewonnen. 2020 schaffte Joe Biden das demokratische Comeback mit einem hauchdünnen Vorsprung von gerade mal 20.000 Stimmen.

19 Prozent der Wählerschaft in Wisconsin sind in der verarbeitenden Industrie tätig. Für jeden Dritten sind die Themen Wirtschaft, Lebenshaltungskosten und Inflation wahlentscheidend. Aber auch Einwanderung wird von den Menschen in Wisconsin in Umfragen als sehr wichtig angegeben. Das könnte Trump einen kleinen Vorteil geben.

Auf der anderen Seite ist das extrem polarisierende Thema Abtreibungen in Wisconsin im US-Vergleich überdurchschnittlich wichtig. Der Hintergrund: Nachdem der Supreme Court 2022 das Recht auf Abtreibung gekippt hatte, galt in Wisconsin 15 Monate lang ein vollständiges Abtreibungsverbot, das auf einem Gesetz aus dem Jahr 1849 basierte. Deshalb sind die Menschen in Wisconsin besonders sensibilisiert für das Thema Abtreibungen. Das könnte wiederum Kamala Harris helfen, um den Bundesstaat im amerikanischen Rostgürtel zu gewinnen.

  • Anzahl der Wahlleute: 10
  • Wahlsieger 2020: Joe Biden (Vorsprung: 0,63 Prozentpunkte)
  • Einwohner: 6 Millionen

North Carolina: Der nördlichste der Staaten im amerikanischen Sonnengürtel ist North Carolina. Mit 16 Wahlleuten hat unter den Swing States nur Pennsylvania auf dem Papier eine höhere Bedeutung als der “Tar Heel State” (“Staat der Teerfersen”). North Carolina ist der einzige Swing State, den Donald Trump vor vier Jahren verteidigen konnte. Nur Barack Obama hatte die jahrzehntelange Dominanz der Republikaner durchbrechen können, als er 2008 mit 0,32 Prozentpunkten Vorsprung auf John McCain gewann.

Ohne den Wechsel von Biden auf Harris wäre North Carolina wohl gar kein Swing State. Die Demokraten hoffen auf eine hohe Wahlbeteiligung auf Seiten der schwarzen Bevölkerung, die in North Carolina überdurchschnittlich groß ist. 21 Prozent der Wahlberechtigten sind schwarz, landesweit sind es nur 12 Prozent.

Außerdem setzt Harris auf starke Unterstützung der weißen Vorstädter rund um Charlotte, der mit etwa 800.000 Einwohnern größten Stadt in North Carolina. Allein hier leben fast zehn Prozent der Wahlberechtigten des Bundesstaates. Ähnliches gilt für die Region rund um die Hauptstadt Raleigh und das angrenzende Durham, kombiniert leben hier noch mehr Menschen als in und um Charlotte. “In den Arbeiter-dominierten Außenbezirken von Raleigh-Durham haben die Republikaner 2020 unterdurchschnittlich abgeschnitten”, analysiert die “New York Times”. Hier wird das Trump-Lager Boden gut machen wollen. Gelingt es, wird es für Harris noch schwieriger, den ohnehin eher republikanisch tendierenden Staat umzudrehen. Denn von allen Swing States ist North Carolina der Bundesstaat mit dem höchsten Anteil an Wählern, die auf dem Land leben.

  • Anzahl der Wahlleute: 16
  • Wahlsieger 2020: Donald Trump (Vorsprung: 1,34 Prozentpunkte)
  • Einwohner: 10 Millionen

Georgia: In Georgia lag Joe Biden 2020 nach einem Auszählungsmarathon mit nicht einmal 12.000 Stimmen vorn. Im Swing-State-Vergleich erscheint ein Sieg von Harris in Georgia vergleichsweise ähnlich unwahrscheinlich wie in North Carolina. Bidens Sieg vor vier Jahren war der erste Demokraten-Sieg in Georgia seit dem Triumph von Bill Clinton 1992. Der demografische Wandel und das starke Bevölkerungswachstum hat dabei geholfen, den “Peach State” (“Pfirsich-Staat”) zum umkämpften “Battleground” zu machen. Mittlerweile leben über sechs Millionen der etwas über zehn Millionen Einwohner Georgias in Atlanta und Umgebung. Es handelt sich um die neuntgrößte Metropolregion der Vereinigten Staaten. Das sind eigentlich gute Voraussetzungen für die Demokraten.

Trump darf sich aber dennoch gute Chancen ausrechnen, den Bundesstaat wieder rot zu färben. In den meisten Meinungsumfragen liegt der republikanische Präsidentschaftskandidat konstant knapp vor seiner Kontrahentin. Will Harris die 16 Wahlleute gewinnen, braucht sie einen ähnlich starken Rückhalt bei der schwarzen Bevölkerung wie Biden 2020. Doch ihre Unterstützung wackelt, weil das Thema Wirtschaft laut Umfragen für die Wählerinnen und Wähler nirgendwo so wichtig ist wie in Georgia. Besonders hart wurden schwarze Haushalte von der Inflation getroffen, weil sie durchschnittlich über weniger Einkommen verfügen.

  • Anzahl der Wahlleute: 16
  • Wahlsieger 2020: Joe Biden (Vorsprung: 0,23 Prozentpunkte)
  • Einwohner: 11 Millionen

Arizona: Im Grand-Canyon-Bundesstaat liegt das Hauptaugenmerk der beiden Kandidaten auf der Millionenstadt Phoenix. Gut die Hälfte der Wahlberechtigten leben in oder rund um die Hauptstadt in Maricopa County. Dieser Wahlbezirk war 2020 besonders umkämpft. Wer hier gewinnt, gewinnt wahrscheinlich den Bundesstaat.

Für 22 Prozent der Wähler in Arizona ist Einwanderung das wichtigste Thema dieser Wahl. Der Bundesstaat hat eine etwa 550 Kilometer lange Grenze zu Mexiko. Trump plädiert für massenhafte Abschiebungen, laut Umfragen ziehen die Menschen in Arizona aber eine Einwanderungsreform vor. Latinos machen rund ein Viertel der Wähler in Arizona aus. Sie wollen sich die Option erhalten, Familienmitglieder in die Vereinigten Staaten nachzuholen. Für eine Reform der Einwanderungspolitik anstelle von Massenabschiebungen plädiert auch Harris.

Arizona war über Jahrzehnte hinweg ein tiefroter Staat. Von 1952 bis 2016 gewannen immer die Republikaner den Bundesstaat, abgesehen von Bill Clinton 1996. Schließlich brach 2020 Biden mit einem hauchdünnen Wahlerfolg die Siegesserie der Republikaner.

  • Anzahl der Wahlleute: 11
  • Wahlsieger 2020: Joe Biden (Vorsprung: 0,30 Prozentpunkte)
  • Einwohner: 7 Millionen

Nevada: Der Bundesstaat nordwestlich von Arizona ist auf den ersten Blick der unwichtigste Swing State, weil nur sechs Wahlleute zu holen sind. Es gibt aber Szenarien, in denen Nevada mit seinen gerade mal drei Millionen Einwohnern zum entscheidenden Bundesstaat wird. Wenn die Rostgürtel-Staaten Wisconsin, Michigan und Pennsylvania nicht geschlossen an einen Kandidaten gehen, könnte es am Ende besonders auf die Stimmen in Arizona und Nevada ankommen.

In Nevada ist Wirtschaft das dominierende Thema. Mit einer Arbeitslosenquote von 5,5 Prozent nimmt Nevada den landesweiten Spitzenplatz ein. Drei Viertel der Bevölkerung in dem wüstenreichen Bundesstaat leben in Las Vegas und Umgebung. Donald Trump hat während des Wahlkampfs mit der Forderung nach einer Abschaffung der Steuern auf Trinkgelder einen wirkungsvollen ersten Aufschlag gemacht. Kamala Harris zog ihrerseits nach, griff den Vorschlag ihres Gegners auf und plädiert ebenfalls für die Abschaffung der Trinkgeldsteuer, zusätzlich für die Erhöhung des Mindestlohns.

Auch in Nevada ist der Anteil an Latinos hoch. Fast ein Drittel der Bevölkerung hat Wurzeln in Lateinamerika. Wer diese Wählergruppe besser mobilisiert, könnte entscheidend vorn liegen.

  • Anzahl der Wahlleute: 6
  • Wahlsieger 2020: Joe Biden (Vorsprung: 2,39 Prozentpunkte)
  • Einwohner: 3 Millionen
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