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Ampel-Streit: Scholz verlangt von Koalition „Pragmatismus“ statt „Ideologie“

Steht die Ampel-Koalition vor dem Aus? Finanzminister Christian Lindner (FDP) erwartet, dass SPD und Grüne Zugeständnisse machen, die er in einem Grundsatzpapier gefordert hatte. Auch im Haushalt für 2025 klaffen noch Milliardenlücken. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht vor einer Woche der Entscheidungen. Verfolgen Sie alle Entwicklungen zur Regierungskrise im Liveticker.

Ampel-Koalition in der Krise – der Liveticker:

17:55 Uhr – „Dies ist die schlechteste Zeit, dass die Regierung scheitert“, sagt Habeck

Robert Habeck (Grüne) fordert die Ampel zu einer „großen Kraftanstrengung“ auf, um die Krise der Koalition zu überwinden. Habeck sagte, die Regierung sei einem schweren Fahrwasser. Aber: „Dies ist die schlechteste Zeit, dass die Regierung scheitert.“

Habeck machte deutlich, er halte eine Einigung über den Bundeshaushalt für möglich. Die Regierung muss noch Milliardenlücken schließen. Die freigewordenen Intel-Milliarden, die eigentlich im Klima- und Transformationsfonds vorgesehen seien, könnten einen Beitrag leisten, um die Haushaltslücke zu reduzieren, so Habeck. Das ist ein Entgegenkommen Habecks Richtung Lindner.

Wenn der Haushalt scheitere, drohe eine längere Hängepartie in Deutschland, sagte Habeck. Es wäre eine Hängepartie in der denkbar ungünstigsten Zeit. „Hängepartie oder Handlungsfähigkeit, das ist hier die Alternative. Ich bin eindeutig dafür, dass wir Letzteres, nämlich die Handlungsfähigkeit, in dieser herausfordernden Zeit beweisen.“

17:05 Uhr – Scholz verlangt von Koalition „Pragmatismus“ und seriöses Arbeiten

Olaf Scholz verlangt von den Koalitionspartnern Kompromissbereitschaft. „Es geht darum, dass wir in ernsten Zeiten die Herausforderung bewältigen, vor denen wir stehen“, sagte Scholz. Nötig sei dazu „Pragmatismus“ nicht „Ideologie“. Die Aufgaben seien lösbar. „Dazu muss man seriös arbeiten“, betonte der Kanzler. „Das ist das, was ich von allen erwarte.“

16:15 Uhr – Baerbock: „Alle ein bisschen zusammenreißen und Job tun“

Annalena Baerbock kritisiert den eskalierenden Streit in der Ampel-Koalition. Alle Beteiligten sollten sich wegen der internationalen Entwicklungen und Herausforderungen auf ihre Aufgaben konzentrieren, sagte Baerbock bei einer Pressekonferenz in Kiew. Wenn man das tägliche Leid in der Ukraine sehe, „dann sollten wir uns immer wieder vergegenwärtigen, dass wir als Deutsche, dass wir als Europäer eine besondere Verantwortung tragen“.

Dies gelte gerade vor dem Hintergrund, dass der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl am Dienstag völlig offen sei. „Und dass wir uns im Sinne dieser internationalen Verantwortung vielleicht alle ein bisschen zusammenreißen, einfach unseren Job tun und jeden Tag dankbar sind, dass wir in Freiheit und in Frieden immer wieder aufwachen, arbeiten und unser Leben genießen.“

15:48 Uhr – FDP fordert echte Wirtschaftsreformen

Kleinere Reformen zur Stabilisierung der lahmenden Wirtschaft reichen nach Darstellung der FDP nicht aus. „Es ist sozusagen zwölf Uhr“, sagte der Chef der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, nach Beratungen seiner Partei mit zahlreichen Wirtschaftsverbänden. Deutschland müsse wieder in die Champions League. Dafür seien echte Strukturveränderungen nötig. Die Wirtschaft werde dieses Jahr erneut schrumpfen und es bestehe die Sorge, dass dies auch nächstes Jahr anhalte.

Christian Lindner habe für seine Vorschläge für einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik viel Zuspruch aus den Verbänden erfahren, ergänzte Dürr. Sein Konzept sei umsetzbar und finanzierbar. Es werde dazu diese Woche mit den Ampel-Partnern SPD und Grüne weitere Gespräche geben. Dann brauche es auch Ergebnisse.

15:47 Uhr – Kritik von AfD-Spitze

„Deutschland braucht keine Koalition, die sich auf Therapiesitzungen mit sich selbst beschäftigt“, erklärte AfD-Chefin Alice Weidel. Nötig sei „eine Regierung, die den wirtschaftlichen Absturz unseres Landes stoppt“.

14:55 Uhr – „Wir wollen den Bruch nicht“, sagt Nouripour

Die Grünen streben nach Worten ihres scheidenden Parteichefs Omid Nouripour kein vorzeitiges Ende der Ampel an. Die Frage nach einem möglichen Bruch des Regierungsbündnisses stelle sich nicht, sagte Nouripour auf Fragen von Journalisten. „Wir wollen den Bruch nicht. Wir gehen auch davon aus, dass andere vertragstreu sind.“ Dafür brauche es aber eine Ernsthaftigkeit, die der Situation gerecht werde. Nouripour verwies auf die Krise beim Autobauer VW, die Wahlen in den USA mit ungewissem Ausgang, die Überschwemmungen in Spanien und russische Erfolge im Krieg in der Ukraine.

„Das braucht eine andere Ernsthaftigkeit, und die verlangen wir auch innerhalb dieser Koalition“, sagte Nouripour. Es sollten nicht jeden Tag neue Papiere auf den Markt gebracht werden. „Wir haben zusammen eine Wachstumsinitiative auf den Weg gebracht, die jetzt umgesetzt werden muss“, sagte Nouripour. „Es wäre gut, wenn wir uns jetzt darauf konzentrieren könnten.“

14:35 Uhr – Esken sieht in Lindner-Papier keinen geeigneten Vorschlag

SPD-Chefin Saskia Esken sieht die Vorschläge von Christian Lindner als Beitrag für den Wahlkampf, aber nicht für Verhandlungen in der Ampel-Koalition. „Ich habe dort keinen Vorschlag gefunden, der geeignet wäre, in dieser sozialdemokratisch geführten Regierung umgesetzt zu werden“, sagte Esken über die Vorschläge für eine andere Wirtschaftspolitik.

Es entstehe der falsche Eindruck, als ob SPD, Grünen und FDP nun erneut in Sondierungsverhandlungen steckten – das sei aber nicht der Fall.

„Wir haben überhaupt gar keine Neigung, die Koalition scheitern zu lassen“, betonte sie. „Wir brauchen eine verantwortungsvolle Regierung.“ Man werde in den kommenden Tagen sehen, ob die Koalitionspartner dazu die Kraft hätten. Auf die Frage nach einer Minderheitsregierung sagte Esken: „Wir sind als SPD bereit, mit Situationen, so wie sie sich entwickeln, auch umzugehen. Und wir sind darauf auch gut vorbereitet.“ Die SPD habe aber die Bereitschaft, diese Regierung weiterzuführen.

14:13 Uhr – CDU fordert Beendigung der Ampel-Koalition

Die CDU fordert angesichts der Regierungskrise erneut ein rasches Ende der Koalition. „Die Ampel muss jetzt staatspolitische Verantwortung übernehmen, nämlich die Sache zu beenden“, sagte Generalsekretär Carsten Linnemann. Deutschland brauche einen Neustart, der nur über eine neue Regierung gehe. Daher müsse es so schnell wie möglich zu einer Neuwahl kommen.

14:03 Uhr – Lindner verpasst Start des eigenen Wirtschaftsgipfels

Finanzminister Lindner hatte für den heutigen Montag zu einem Gipfel mit Wirtschaftsvertretern geladen. Wegen der Ampel-Verhandlungen im Kanzleramt musste der Gipfel jedoch um 13 Uhr ohne Lindner beginnen. Die FDP-Fraktion bestätigt gegenüber WELT, dass Lindner sich derzeit im Kanzleramt befindet. Er werde jedoch später zum Gipfel dazustoßen, bevor um 15 Uhr ein Anschlusstermin ansteht.

13:09 Uhr – „Da passiert gerade Vieles unter Hochdruck“, sagt der Regierungssprecher

Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte zu dem Dreier-Treffen: „Da passiert gerade Vieles unter Hochdruck“. Ziel sei es, aus den unterschiedlichen Vorschlägen zur Wirtschaftspolitik „ein Gesamtkonzept“ zu erarbeiten, das für alle drei Koalitionspartner gangbar sei. „Dem Kanzler geht es ganz klar darum, eine Stärkung der deutschen Wirtschaft und Sicherung der Arbeitplätze zu schaffen.“

Hebestreit bekräftigte auch seine Äußerung von vergangener Woche, wonach er nicht den Eindruck habe, dass sich einer der Koalitionspartner „in die Büsche schlagen“ wolle und das Ampel-Bündnis bis zu nächsten Bundestagswahl Ende September 2025 halten werde. Ziel der Regierung müsse es nun sein, den Haushalt 2025 fertig zu stellen, betonte Hebestreit.

12:30 Uhr – Habeck und Lindner zum Krisengipfel im Kanzleramt

Scholz hat Habeck und Lindner zu Beratungen im Kanzleramt empfangen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte zuvor mitgeteilt, dass sich die drei Spitzenpolitiker vor dem Ampel-Koalitionsausschuss am Mittwochabend noch mehrfach vertraulich abstimmen wollten. Die Gespräche sind Teil umfangreicher Abstimmungen über die Frage, ob sich die Regierung noch auf gemeinsame Maßnahmen beim Kampf gegen die Wirtschaftsschwäche Deutschlands einigen kann.

12:00 Uhr – Djir-Sarai fordert konkrete Ergebnisse

Die FDP erwartet beim Treffen der Koalitionsspitzen am Mittwochabend eine Grundsatzentscheidung. Die FDP habe die Erwartung, dass „sehr konkrete Dinge“ bei der Sitzung des Koalitionsausschusses vereinbart werden müssten, um der Wirtschaft im Deutschland Impulse zu geben, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.

Grundlage dafür müssten die Vorschläge Lindners sein. Djir-Sarai ließ offen, ob die FDP die Koalition verlassen werde, sollte sich Lindner mit seinen Vorstellungen zur Wirtschafts- und Haushaltspolitik nicht durchsetzen. Der Generalsekretär sagte lediglich: „Der Bundeskanzler und der Bundesfinanzminister haben sich versichert, dass es bis Mittwoch keine spontane Entscheidung gibt.“

10:42 Uhr – Ende der Ampel wäre „echte Erlösung“, sagt Spahn

„Es wäre jedenfalls eine echte Erlösung für Deutschland, wenn diese Ampel endlich endete“, sagte Präsidiumsmitglied Jens Spahn vor Sitzungen der CDU-Spitzengremien in Berlin. Es werde immer behauptet, man bräuchte nach der US-Wahl eine stabile Regierung. „Diese Bundesregierung ist alles andere als stabil. Jeder Tag weniger Ampel ist ein guter Tag für Deutschland.“

Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei sagte: „Was wir sehen, ist, dass die Koalition völlig zerrüttet ist, dass es bei keinem relevanten Thema Einigkeit gibt, dass völlig unterschiedliche Positionen vertreten werden.“

10:11 Uhr – Strack-Zimmermann: FDP legt „Maximalforderungen“ vor

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) verteidigt die Forderungen ihres Parteichefs Lindner nach einer grundlegenden Neuausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Gerade jetzt sei es mit Blick auf die Haushaltsberatungen wichtig einzuordnen, wie die Lage in Deutschland sei, sagte die Europaabgeordnete im RBB. Zu dem Grundsatzpapier Lindners, das auf viel Unmut bei den Ampel-Partnern SPD und FDP stößt, sagte sie: „Wenn Sie in eine Verhandlung eintreten, dann legen Sie erstmal Maximalforderungen auf den Tisch. So wie bisher können wir nicht weitermachen.“

Auf die Frage, ob die FDP das Regierungsbündnis fortsetzen wolle, sagte sie: „Ja, das will sie. Die FDP ist mit an der Regierung und möchte auch etwas bewirken für Deutschland.“

09:48 Uhr – Koalition habe „eine verdammte Verantwortung“, sagt der SPD-Generalsekretär

Die SPD-Spitze sieht im Ampel-Streit noch Kompromissmöglichkeiten. Generalsekretär Matthias Miersch sagte im ARD-„Morgenmagazin“, das Bündnis sei nicht am Ende. „Ich halte nichts davon, jetzt hier in irgendeiner Form ein Ende an die Wand zu malen.“ Die Koalition habe „eine verdammte Verantwortung in diesen schwierigen Zeiten“. Unabhängig von der US-Wahl diese Woche komme es darauf an, dass es eine stabile Bundesregierung gebe, die sich nicht streite wie in den vergangenen Wochen, sagte Miersch. „Deswegen: Alle müssen sich am Riemen reißen. Und: Weglaufen gilt nicht.“

Dazu sagte Miersch: „Wir haben eine ernste Lage.“ Jetzt müsse miteinander geredet werden. Das Dreier-Bündnis habe schon bewiesen, dass es gemeinsame Wege finden könne. Er sei zuversichtlich, dass es allen darum gehe, Stabilität herzustellen – „und dazu rufe ich alle auf“. Zur Stimmung in der Bevölkerung sagte er: „Klar ist: Alle sind genervt.“

06:20 Uhr – Wirtschaftsverbände kritisieren Lindners Vorstoß

Vor dem FDP-Wirtschaftsgipfel zeigen sich Wirtschaftsverbände unzufrieden mit dem Vorstoß Lindners. „Für Symbolveranstaltungen wäre die Lage zu ernst“, sagte Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, „Table Media“.

Müller gehört zu den 23 Wirtschaftsvertretern, die heute am FDP-Treffen teilnehmen. Er bemängelte fehlende Handlungsansätze in Lindners Papier und forderte mehr Investitionsmittel für die Infrastruktur. Müllers Erwartungen an das Gespräch sind angesichts des engen Zeitrahmens gering: „Bei einer angesetzten Länge von zwei Stunden mit 23 Verbänden bezweifle ich große Sprünge.“

Die Wirtschaftsvertreter fordern vor allem die rasche Umsetzung geplanter Maßnahmen. „Was wir angesichts der wirtschaftlichen Lage brauchen, ist geeintes und schnelles Regierungshandeln“, sagte Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom.

00:55 Uhr – Lindner fordert nach Scholz-Gespräch „Richtungsentscheidung“

Das Gespräch zwischen Christian Lindner und Olaf Scholz (SPD) ist beendet. Lindner meldete sich anschließen per X zu Wort: „Niemand kann akzeptieren, dass Deutschland wirtschaftlich nach hinten durchgereicht wird. Deshalb unternehme ich alles, damit wir uns selbst nicht länger im Weg stehen. Denn die Bürger wollen wieder stolz sein auf ihr Land.“ Er forderte eine „Richtungsentscheidung“.

Nach Angaben von „Bild“ hatte Olaf Scholz im Kanzleramt sowohl mit der SPD-Spitze als auch mit Lindner allein gesprochen. Über Ergebnisse ist nichts bekannt.

Sonntag, 3. November:

22:40 Uhr – Linnemann lehnt Misstrauensvotum ab

Carsten Linnemann schließt ein Misstrauensvotum mit Grünen und FDP gegen Olaf Scholz aus. „Ein Misstrauensvotum würde nur Sinn machen, wenn es auch eine realistische Mehrheit gibt, die dafür sorgt, dass wir einen neuen Kurs bekommen in Deutschland. Gerade in der Migrations- und in der Wirtschaftspolitik. Und ist es mit diesen Grünen offenkundig nicht möglich“, sagte Linnemann „Politico“. Er forderte erneut Neuwahlen.

21:00 Uhr – Lang spricht auf X von „Politiktheater“

Die zurückgetretene Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang äußerte sich auf X zum Streit in der Ampel. Sie griff die FDP an, die einen „Herbst der Entscheidungen“ ausgerufen hatte, aber auch Lars Klingbeil, der von einer „Woche der Entscheidungen“ sprach. Es brauche eine Regierung, die in der Lage sei, Entscheidungen zu treffen. Weiter beklagte Lang den „Eindruck des inszenierten Politiktheaters“, ließ aber offen, welche Politiker sie der Inszenierung beschuldigt.

20:15 Uhr – Lindner trifft Scholz zu Gespräch im Kanzleramt

Nach der SPD-Spitze ist Christian Lindner zu vertraulichen Gesprächen mit Olaf Scholz ins Kanzleramt gekommen. Das belegen Fotos. Zuerst berichteten „Bild“ und „Stern“ übereinstimmend. Unklar ist, ob Lindner nur mit Scholz spricht oder auch mit der SPD-Spitze verhandelt.

mit dpa/Reuters/cvb/shem