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Sony Alpha 1 II im Test Vollformat-Flaggschiff

Sony Alpha 1 II im Test Vollformat-Flaggschiff

Ergonomie und Verarbeitung

Unspektakulär sieht die Sony Alpha 1 II aus. Wenn man sie das erste Mal begutachtet, wirkt sie wie eine beliebige Alpha 7. Das soll eine der leistungsfähigsten und modernsten Kameras der Welt sein? Ja, denn die Alpha 1 II ist Understatement pur, sie ist ein Wolf im Schafspelz und keine Kamera, mit der man auf den ersten Blick beeindrucken kann.

Dafür ist die Alpha 1 II sehr kompakt – nur minimal größer als die Alpha-7-Modelle von Sony. Das Gehäuse der Alpha 1 II lehnt sich tatsächlich an der Alpha 9 III an, wie man auf den ersten Blick an den Einstellrädern links des Suchers sehen kann, wo bei der Alpha-7-Serie Leere herrscht. Damit werden gut erreichbar Fokusbetriebsart und Bildfolgemodus eingestellt.

Das Gehäuse besteht größtenteils aus einer robusten Magnesiumlegierung, die mit einer klassisch gesprenkelten, mattschwarzen Farbe beschichtet ist. Mit 752 Gramm betriebsbereitem Gewicht ist die Alpha 1 II eine mittelschwere Kamera. In Kombination mit dem Testobjektiv FE 28-70 mm F2 GM dominiert eindeutig das Objektiv, denn das Gesamtgewicht liegt dann bei fast 1,7 Kilogramm.

Auf der Handgriffseite sorgen großzügige Gummiapplikationen für Rutschfestigkeit. Auch hier kommt klassisch anmutendes Material mit einer genarbten Oberfläche zum Einsatz. Trotz des nur 13,6 Zentimeter breiten, 9,7 Zentimeter hohen Gehäuses ist der Handgriff mit 2,5 Zentimetern Grifftiefe deutlich ausgeprägt und gibt nicht zuletzt aufgrund der Einkerbung für den Mittelfinger einen guten Halt. Der Auslöser ist, wie von Sony gewohnt, sehr weich, bietet aber einen gut ertastbaren ersten Druckpunkt. Er lässt sich butterweich durchdrücken.

Das Gehäuse der Sony Alpha 1 II fasst sich nicht nur robust an, es bietet auch einen Spritzwasser- und Staubschutz. An allen Bedienelementen, Gehäuseübergängen und den Klappen sind Dichtungen angebracht. Die Klappen müssen zudem erst mit einem Schieber entriegelt werden, bevor sie sich öffnen lassen. Die Schnittstellenklappen bestehen hingegen von vornherein aus Hartgummi und sind jeweils mit einem Scharnier befestigt. So lassen sie sich gut öffnen und schließen, ohne im Weg zu sein.

Zahlreiche Bedienelemente säumen die Ober- und Rückseite der Kamera. Dazu gehören sechs Einstellräder, zwei Wahlhebel, elf Tasten sowie ein Vierwegewähler und ein Joystick – den Auslöser, den Einschalthebel und die Verriegelungstasten nicht mitgerechnet. Die wichtigsten Einstellräder sind entweder standardmäßig verriegelt oder lassen sich optional verriegeln.


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Um das Programmwählrad und den Bildfolgemodus zu bedienen, muss der Knopf im jeweiligen Rad gedrückt gehalten werden. Im Fokusbetriebsart- sowie Foto-Video-Wahlhebel befindet sich ebenfalls je ein kleiner Knopf, der zum Verstellen gedrückt gehalten werden muss. Nur bei diesen Hebeln funktioniert das mit einem Finger, bei den anderen braucht man mindestens einen zweiten, um gleichzeitig beim Drücken den Wert verstellen zu können.

Das prominent auf der Oberseite rechts hinten und damit perfekt für den Daumen erreichbare Belichtungskorrekturrad lässt sich dagegen wahlweise verriegeln oder entriegeln. Der kleine Knopf im Rad bietet entsprechend zwei Positionen, in denen er verbleibt. Ist der Knopf oben, lässt sich das am dann sichtbaren weißen Ring erkennen, das Rad lässt sich dann sehr leicht einstellen. Drückt man den Knopf runter, ist die Belichtungskorrektur verriegelt.

Links daneben befindet sich eines der drei Multifunktionsräder, das zweite ist vor dem Auslöser gut erreichbar im Griff eingelassen. Das dritte Rad befindet sich auf der Rückseite und ist mit dem Vierwegewähler “verheiratet”. Das Rad ist trotz der Riffelung besonders mit trockenen Fingern sehr rutschig, sodass man beim Drehen immer Angst hat, versehentlich das Rad zu sehr zu drücken und damit den Vierwegewähler auszulösen. Die anderen beiden Funktionsräder lassen sich deutlich sorgenfreier drehen, das am Zeigefinger ist am rutschfestesten.

Alle Tasten besitzen einen guten Hub und einen spürbaren Druckpunkt, auch wenn sie eher schwammig als knackig abgestimmt sind. Größtenteils sind die Beschriftungen in die Tasten eingraviert und weiß ausgelegt, sodass sie sich sehr gut ablesen lassen. Jedoch sind einige der Tasten einfach nur mit “C1” bis “C5” oder gar nicht beschriftet. So kann man sich die Funktion zwar frei belegen, aber andererseits muss man einfach wissen, welche Funktion sich jeweils dahinter verbirgt.

Dass Sony es allerdings auch in acht Jahren nicht geschafft hat, der Kamera eine eigene ISO-Taste zu verpassen, ist traurig. Die ISO-Taste befindet sich als Rechtsdruck auf dem Vierwegewähler, die Displaytaste ist hier ebenfalls fest integriert (oben). Was die unbeschrifteten Tasten links und unten des Vierwegewählers auslösen, lässt sich hingegen wieder frei einstellen.

Leider gibt es keine Möglichkeit, die Funktionstasten beispielsweise durch einen langen Tastendruck neu belegen zu können, das muss alles über das Menü erfolgen. Dort lassen sich 13 Tasten, auch einige der beschrifteten, mit einer von bis zu 153 Funktion belegen – und zwar getrennt nach Foto-, Video- und Wiedergabemodus. Man sollte sich sein Bedienkonzept, so anpassbar es auch sein mag, schon gut überlegen. Wie so oft stehen sich eine leichte Bedienbarkeit und eine hohe Individualisierbarkeit entgegen.

Beim Menü setzt Sony auf vertikale Reiter, horizontal navigiert man in der Menütiefe. Während die acht übereinander angeordneten, farbigen Quadrate mit Symbolen auf der linken Seite klar die Hauptkategorien vorgeben, wird es bereits in der Ebene daneben unübersichtlicher. Sobald man nämlich von der mittleren in die rechte Ebene navigiert, verbreitert sich letztere und verdeckt die mittlere Menüebene.

Immerhin wird in der obersten Menüzeile eine Übersicht angezeigt, in welcher Kategorie, welchem Untermenü und welcher Einstellung man sich gerade befindet. Die daneben eingeblendete Zahl, beispielsweise “22/64” zeigt deutlich, wie viele Menüseiten es insgesamt gibt. Der Funktionsumfang der Alpha 1 II ist so enorm, dass seine Erklärung ein ganzes Buch füllen würde. Somit sollten auch passionierte Sony-Fotografen viel Zeit einplanen, sich mit der Alpha 1 II vertraut zu machen.

Angezeigt wird das bunte Menü auf dem rückwärtigen, mit 8,2 Zentimetern gegenüber dem Vorgängermodell gewachsenen Bildschirm. Dieser besitzt nun endlich ein 3:2-Seitenverhältnis und eine höhere Auflösung von 2,1 Millionen Bildpunkten. Die gemessene Leuchtdichte ist allerdings mit 700 cd/m² um über 1/3 geringer, was in sehr hellen Umgebungen etwas knapp ist.

Es handelt sich um einen Touchscreen, wobei sich nicht nur Aufnahme- und Wiedergabefunktionen per Fingertipper steuern lassen, sondern auch das Menü. Das funktioniert sehr gut, ist aber zum Glück für konservative Fotografen, die lieber die Tastenbedienung mögen (mit den Rädern lässt sich ebenfalls navigieren), optional beziehungsweise eine zusätzliche Steuermöglichkeit.

Die Beweglichkeit des Bildschirms ist mit dem Kippen nach oben und unten nicht ausgereizt, denn im Gegensatz zum Vorgängermodell gibt es eine zusätzliche Schwenk- und Drehfunktion, wie man die auch von anderen neueren Alpha-Vollformatkameras kennt. Damit wird man allen Anwendungsfällen gerecht.

Der elektronische Sucher der Alpha 1 II ist eine Wucht! Man blickt auf eine mit 9,44 Millionen OLED-Bildpunkten unglaublich hochauflösende Kinoleinwand, anders kann man die 0,9-fache Vergrößerung nicht betiteln. Mit bloßem Auge lässt sich der Sucher dennoch gut überblicken, weil man nicht das Gefühl hat, durch einen schwarzen Tunnel auf eine weit entfernt liegende Leinwand zu schauen, sondern dass sich das Bild direkt vor dem Auge befindet. Sehr schön ist zudem die zusätzlich mitgelieferte, größere Augenmuschel FDA-EP21, die sich schön weich ans Auge schmiegt und noch mehr Streulicht abhält.

Glücklich kann sich schätzen, wem die Dioptrienkorrektur ausreicht, die mit -4 bis +3 dpt recht üppig ausfällt. Denn mit Brille lässt sich der Sucher leider nicht komplett überblicken, auch nicht mit der schlankeren Standard-Suchermuschel. Immerhin gibt es im Menü die Möglichkeit, die Sucheranzeige zu verkleinern. Hier haben die Entwickler gut mitgedacht, denn die Verkleinerung ist sehr gut auf Brillenträger abgestimmt. Zwar verliert man damit faktisch etwas Auflösung, aber die 9,44 Millionen Bildpunkte bieten genügend Crop-Möglichkeiten mit kaum sichtbaren Qualitätseinbußen.

Die Bildwiederholrate ist mit wahlweise 60 oder 120 Bildern pro Sekunde sehr flüssig, im verkleinerten Modus sind sogar 240 Bilder pro Sekunde möglich. Die höchste Anzeigequalität erhält man allerdings nur bei 60 und im Gegensatz zum Vorgängermodell nun auch bei 120 Bildern pro Sekunde. Kleine Anmerkung: Die 60/120/240 Bilder pro Sekunde gelten für den NTSC-Modus, im PAL-Modus sind es 50/100 und 200 Bilder pro Sekunde.

Je nach Modus schaltet der Sucher jedoch vorübergehend in eine niedrigere Qualität, etwa beim Fokussieren oder während Serienbildaufnahmen. Das sieht man deutlich an dann auftauchenden Moirés in feinen Motivstrukturen. Im Wiedergabemodus hingegen bekommt man immer die höchstmögliche Auflösung. Bei den Sucheranzeigen hat Sony allerdings etwas an Auflösung gespart, warum auch immer. Sie wirken etwas pixelig.

Das hochauflösende, brillante, ruckelfreie, farbenfrohe Sucherbild bietet eine hervorragende Ansicht des späteren Fotos mit allen Facetten. Wie für ein Livebild typisch gibt es eine Belichtungsvorschau, eine Farb- und Weißabgleichsvorschau, Einblendungen von Aufnahmeparametern und Aufnahmehilfen. Dazu zählen etwa Gitterlinien, ein virtueller Horizont inklusive Anzeige der Neigung, eine Fokuslupe, Fokuspeaking, Zebramuster und vieles mehr. Neu ist zudem die Möglichkeit, eine von 16 LUTs für eine individuelle Farbdarstellung zu aktivieren.

Mit Energie versorgt wird die Sony Alpha 1 II von einem Lithium-Ionen-Akku des bereits seit mehreren Jahren verwendeten Typs NP-FZ100. Er reicht nach CIPA-Standard für 520 Aufnahmen mit Bildschirm. Zudem kann die Kamera via USB-C mit Strom versorgt werden, auch der Akku wird dann geladen. Empfehlenswert ist ein USB-Netzteil mit Power Delivery (USB PD), aber auch ein normales USB-Netzteil oder eine Powerbank mit 5 V 2 A reicht bereits, um den Akku in der Kamera aufzuladen. Zum Lieferumfang der Alpha 1 II gehört zwar weder ein USB-Netzteil noch ein USB-C-Kabel, dafür aber das neue Doppel-Akkuladegerät BC-ZD1, das zwei Akkus über USB-C innerhalb von 155 Minuten komplett auflädt.

Entnommen wird der Akku auf der Kameraunterseite. Das 1/4″-Stativgewinde befindet sich in der optischen Achse und weit genug vom Akkufach entfernt, sodass es auch mit angebrachter Schnellwechselplatte zugänglich bleibt. Wer möchte, kann seine Alpha 1 II zudem mit einem Multifunktionsgriff erweitern. Kompatibel ist der von der Alpha 9 III bekannte VG-C5, hier profitiert man also von den quasi baugleichen Gehäusen. Der Griff des Vorgängermodells passt hingegen aufgrund des etwas gewachsenen Gehäuses nicht mehr.

Das Speicherkartenfach auf der rechten Kameraseite bietet zwei moderne CFexpress Typ A SDHC/SDXC UHS II Dualslots. CFexpress Typ A ist etwas kleiner, aber dicker und robuster als SD. Es handelt sich um den kleinen Bruder von CFexpress Typ B, wie es in mancher Kamera von Canon, Nikon, Fujifilm und Panasonic zum Einsatz kommt. Geschwindigkeitsmäßig rangiert CFexpress Typ A etwa zwischen SD UHS II und CFexpress Typ B.

Zum Test stand uns leider so kurzfristig keine CFexpress Typ A Speicherkarte zur Verfügung – das werden wir nachholen und den Test dann an dieser Stelle und bei der Serienbildgeschwindigkeitsmessung noch entsprechend erweitern. Mit einer schnellen UHS II SDHC-Speicherkarte haben wir immerhin 230 MB/s beim Schreiben gemessen.

Die Schnittstellenausstattung der Sony Alpha 1 II ist sehr üppig. Die mit dem Standard 3.2 schnelle USB-C-Schnittstelle samt Akkuladefunktion und Stromversorgung der Kamera bietet nun neu auch USB-C-Videostreaming in 4K30 mit UVC/UAC-Standard – ebenfalls samt gleichzeitiger Stromversorgung.

Dazu gibt es einen großen HDMI-A-Anschluss und eine Micro-USB-Buchse, die für den optionalen Kabelfernauslöser zum Einsatz kommt. Als Audioanschlüsse bietet die Alpha 1 II zwei 3,5mm-Stereobuchsen, eine für einen Kopfhörer und eine für ein Mikrofon inklusive Spannungsversorgung. Mitgeliefert wird zudem eine anschraubbare Kabel-Zugentlastung.

Darüber hinaus gibt es eine 2,5 Gigabit schnelle Ethernet-Schnittstelle (Vorgängermodell 1 Gigabit) sowie eine Blitzsynchronbuchse. Auch den Multi-Interface-Blitzschuh kann man zu den Anschlüssen zählen, schließlich lassen sich hier auch Mikrofonadapter, analoge und digitale Mikrofone sowie Videoleuchten betreiben. Unsichtbar sind die Drahtlos-Schnittstellen Bluetooth 5 und WLAN mit WiFi-5-Standard (ac) auf 2,4 und 5 GHz und mit 2×2 MIMO, das heißt zwei Antennen für schnellere Datenübertragungen. Die NFC-Schnittstelle ist hingegen weggefallen.