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Ich wurde zweimal in der Probezeit gekündigt – daran lag es

Ich wurde zweimal in der Probezeit gekündigt – daran lag es

Mit Mitte 20 habe ich für eine NGO gearbeitet. In dem Job habe ich mich super wohlgefühlt. Ich hatte ein gutes Gehalt und nette Kolleginnen und Kollegen. Allerdings wollte ich mich weiterentwickeln und aus der NGO-Welt raus. Über Kontakte kam ich an ein Bewerbungsgespräch für eine Rolle als Projektmanagerin in einer Firma, die im weitesten Sinne im Medienbereich tätig war.

Das war der ideale Job für mich, da ich sehr gerne koordiniere, organisiere und alles im Blick behalte. Nur zwei Gespräche später hatte ich ein Angebot auf dem Tisch. Ich kündigte meinen NGO-Job und freute mich auf die Herausforderung.

Ich startete meinen neuen Job an einem Freitag und war guter Dinge. Zur Begrüßung war ich gemeinsam mit dem Team Mittagessen und hatte auch sonst das Gefühl, freundlich aufgenommen zu werden. Genau eine Woche später, es war bereits 17 Uhr, wurde ich ins Büro der Geschäftsführung gebeten.

Hier händigte man mir ohne große Umschweife meine Kündigung aus. „Bitte unterschreiben“, sagten meine Chefs zu mir. Ich war völlig perplex. Ich hatte extra meinen geliebten NGO-Job gekündigt, um den Job als Projektmanagerin anzunehmen. Und nun wurde ich nach nur einer Woche in der Probezeit gekündigt, ohne dass es vorher auch nur ein Feedbackgespräch gab? Sie haben mir erklärt, warum. Es war ein Schlag ins Gesicht.

Begründet haben meine Chefs meine Kündigung damit, dass mich das Team nicht mögen würde. Ich weiß noch, wie ich danach an der Straßenbahnhaltestelle stand und geweint habe. Ich war wie gelähmt vor Angst, nie wieder einen Job zu finden. Vermutlich haben hier meine Erfahrungen als „Hartz-IV-Kind“ mitreingespielt.

Ich bin in Kyiv geboren und in absoluter Armut aufgewachsen. Als ich etwa sechs war, haben meine Eltern ihre Jobs verloren und danach nie wieder etwas gefunden. Wir lebten von der schmalen Rente meines Vaters und versuchten, zu überleben. Irgendwann kamen wir nach Deutschland, wo meine Eltern staatliche Leistungen bezogen. Sie hatten zwischendurch zwar 1-Euro-Jobs, die hielten aber nie lange. 

Ich habe immer hart gearbeitet und mich weitergebildet

Ich selbst wollte nie in Armut leben, habe immer hart gearbeitet und mich weitergebildet. Obwohl ich nur einen Realschulabschluss habe, habe ich in München zwei Ausbildungen gemacht, eine zur Fremdsprachenkorrespondentin und eine zur Dolmetscherin.

Die zweite Ausbildung wurde in England als Bachelor anerkannt, wodurch ich dort meinen Master machen konnte. Das wäre in Deutschland nicht möglich gewesen. Ich bin stolz darauf, das erreicht zu haben. Es war aber auch eine sehr harte Zeit, da ich viel arbeiten musste, um mir das Studium zu finanzieren.

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Nachdem ich damals nach nur einer Woche gekündigt wurde, verbrachte ich das Wochenende bei einer Freundin. Ich schlief sogar bei ihr im Bett, weil ich nicht allein sein konnte. Ich hatte das Gefühl, vor dem Nichts zu stehen. Von einem auf den anderen Tag war ich arbeitslos. Da ich ein Mensch bin, dem Planung und Sicherheit wichtig sind, hat mich das sehr getroffen. Ich wusste, dass ich nun alles daransetzen musste, so schnell wie möglich einen neuen Job zu finden.

Die Sachbearbeiterin sah in mir eine Arbeitslose wie jede andere

Am Montag bin ich direkt zur Agentur für Arbeit gegangen. Das war eine seltsame Erfahrung, zumal die Sachbearbeiterin nicht sonderlich ermutigend wirkte. Sie sah in mir weniger einen Menschen, der gerade eine schwere Zeit durchmachte, als einfach eine Arbeitslose wie jede andere. Ein paar Tage später fand ich dann einen Brief samt Einladung zu einem Beratungstermin in meinem Briefkasten, der einige Wochen später hätte stattfinden sollen.

Zum Glück musste ich den nie wahrnehmen. Denn ich habe mich schnell wie wild beworben und führte bereits in der ersten Woche nach der Kündigung Bewerbungsgespräche.

Etwa vier Wochen später begann ich meinen neuen Job: Produktmanagerin in einem Software-Startup. Allerdings blieb ich auch hier nur vier Wochen. Dieses Mal habe ich selbst gemerkt, dass es nicht gepasst hat. Ich fühlte mich unwohl und musste feststellen, dass die Startup-Mentalität nicht meins ist.

Nach nicht mal zwei Monaten wurde mir erneut gekündigt

Kurz überlegten meine Chefs noch, mich in eine andere Abteilung zu versetzen. Fachlich passte ich aber nirgends so recht rein und so wurde mir erneut in der Probezeit gekündigt. Schon wieder stand ich ohne Job da. Wenn ich auch am Boden zerstört war: So schlecht wie bei meiner ersten Kündigung ging es mir bei Weitem nicht.

Ich habe dann schnell etwas Neues gefunden. Nur drei Wochen später fing ich in einer Agentur im Kommunikationsbereich an und blieb hier für insgesamt 2,5 Jahre. Danach bin ich zu meinem heutigen Arbeitgeber gekommen: EY.

Bereits als ich das erste Mal gekündigt wurde, hatte ich überlegt, mich bei dem Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen zu bewerben. Ich habe mich damals aber nicht getraut, meine Bewerbung einzureichen. Ich hatte zu große Angst, dass sie mich nicht nehmen. Denn tief in mir hatte ich das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Ich dachte, ein Job bei einem Big Four wäre eine Nummer zu groß für mich. Heute weiß ich, dass ich hier genau richtig bin. 

Heute arbeite ich bei EY, habe ein Netzwerk gegründet und bin Buchautorin

Bereits während der Zeit in der Agentur habe ich „Netzwerk Chancen“ gegründet. Das ist ein Förderprogramm, das deutschlandweit über 2500 junge Erwachsene beim sozialen Aufstieg unterstützt. Es richtet sich an Menschen aus finanzschwachen oder nichtakademischen Familien. Meinem Einstieg bei EY hat die nebenberufliche Gründung mehr geholfen als geschadet.

Damals führte ich mit mehreren Beratungsunternehmen Bewerbungsgespräche und erhielt auch mehrere Angebote. Aber das beste Angebot kam von EY. Sie fanden es super, dass ich das Netzwerk gegründet hatte und sagten, es sei eine Bereicherung für sie.

Ich stieg damals als Senior Consultant ein und habe zwei Jahre lang auf Kundenprojekten gearbeitet. Heute bin ich im Bereich Public Policy tätig. Ich arbeite direkt mit unserer Geschäftsführung und unserem CEO zusammen und kümmere mich um die Beziehungen zu Stiftungen, NGOs und Thinktanks.

Die Angst vor dem finanziellen Ruin begleitet mich bis heute

Auch wenn ich heute einen gut bezahlten Job habe und mit meinem Mann sowie meinem Kind in einer modernen Wohnung mit Garten lebe, habe ich immer noch Angst vor dem finanziellen Ruin. Diese Angst begleitet mich bei allen Lebensentscheidungen. Rational weiß ich natürlich, dass ich mich immer irgendwie durchschlagen werde, aber diese Angst bleibt mein ständiger Begleiter.

Rückblickend war es alles andere als schön, zweimal kurz hintereinander gekündigt zu werden. Heute kann ich aber sagen, dass mich diese Erfahrung stärker gemacht hat. Ich habe gelernt, immer das Beste aus jeder Situation zu machen und nicht aufzugeben.

Außerdem weiß ich dadurch heute, dass ich nicht wirklich in die klassische Startup-Welt passe. Am Ende des Tages kann eine solche Kündigung immer einen Neustart in einem neuen Job bedeuten, der besser zu einem passt. „Aufstehen, Krönchen richten, weitergehen“ lautet hier die Devise.