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„Freue mich über die fantastische Entwicklung“

„Freue mich über die fantastische Entwicklung“

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Michael Wimmer, der den VfB Stuttgart im Winter 2022 kurzzeitig betreute, lobt die Schwaben und erläutert, was seine Coaching-Methoden ausmacht.

Stuttgart – Michael Wimmer ist nach seinem Aus bei Austria Wien am 13. Mai dieses Jahres wieder heiß und bereit auf eine neue Aufgabe. Der gebürtige Niederbayer konnte den Tank wieder auffüllen und auf aufregende Jahre zurückblicken. Vor seiner Tätigkeit in Österreich war Wimmer sieben Pflichtspiele in Stuttgart tätig, gewann drei Heimspiele und führte das Team im DFB-Pokal eine Runde weiter. Es hat innerhalb kürzester Zeit sehr viel erlebt und sich nun auch bewusst etwas zurückgehalten.

Bei fussball.news gab Wimmer Einblicke, wie er die Zeit verbracht hat. Er sprach zudem über seine Zeit in Stuttgart, einzelne Spieler, die durchgestartet sind und die Unterschiede zwischen dem deutschen und österreichischen Fußball.

fussball.news: Michael Wimmer, seit Ihrem Aus bei Austria Wien sind einige Monate vergangen. Wie haben Sie die Zeit verbracht?

Michael Wimmer: Direkt nach dem Aus bei einem Klub verspürt man den Drang, dass man sofort wieder präsent sein muss, um zu beweisen, dass man ein guter Trainer ist. Ich habe mich für einen anderen Weg entschieden und die Zeit genutzt, um mich intensiv um meine Familie zu kümmern, die häufig zu kurz kommt, wenn ich im Job stecke. Erstmals seit rund 14 Jahren konnten wir wieder im August in den Urlaub fahren. Auch die alltäglichen Papa-Aufgaben wie meinen Sohn vom Schulfest abholen und bei der Zeugnisausgabe dabei zu sein, waren in der Zeit möglich. Natürlich habe ich in dieser Phase meine Akkus wieder vollständig aufgeladen und bin bereit für eine neue Herausforderung. Deswegen war ich in den vergangenen Wochen viel unterwegs und habe den deutschen Markt beobachtet und mir Spiele in Belgien, der Schweiz und Österreich angeschaut.

Michael Wimmer war zuletzt bei Austria Wien tätig. Er ist wieder heiß auf eine neue Aufgabe.
Michael Wimmer war zuletzt bei Austria Wien tätig. Er ist wieder heiß auf eine neue Aufgabe. © IMAGO/Rinderer /Eibner-Pressefoto

fussball.news: Haben Sie die Auszeit auch zur Selbstreflexion genutzt?

Wimmer: Das ist ein ganz zentraler Punkt, der bei mir nach dem Ausscheiden in Stuttgart im Dezember 2022 viel zu kurz gekommen ist, da ich bereits am 1. Januar 2023 den Job in Wien angetreten habe. Jetzt hatte ich die nötige Zeit, um die vergangenen 21 Monate in Ruhe aufzuarbeiten. Ich habe mit unterschiedlichen Experten im Fußball gesprochen und mich von absoluten Fachleuten coachen lassen. Dabei ist der Blick von außen und eine schonungslose Analyse immens wichtig, denn beides dient der professionellen Aufarbeitung. Dies habe ich zugelassen, ohne beleidigt oder eingeschnappt zu sein, denn nur so ist es möglich, sich als Trainer weiterzuentwickeln und optimal vorbereitet an eine neue Aufgabe zu gehen.“

Es ist etwas Besonderes, bei solchen Klubs in der Verantwortung zu stehen. Diese Vereine haben eine besondere Wucht. Wenn es gut läuft, lässt sich viel bewegen. Umgekehrt muss man stabil bleiben, wenn es nicht so gut läuft. Dann kann es schnell ungemütlich werden. Deshalb habe ich in Stuttgart und Wien großartige Erfahrungen gesammelt, weil es bei beiden Klubs am Anfang relativ windig war

fussball.news: Sie haben bislang Klubs mit Tradition und einer ordentlichen Fanbase in Ihrer Vita stehen. Lernt man in solchen unruhigen Umfeldern besonders viel dazu?

Wimmer: Ich habe vor meinen Stationen in Wien und Stuttgart sieben Jahre in Nürnberg gearbeitet. Ebenfalls ein großer Traditionsverein. Es ist etwas Besonderes, bei solchen Klubs in der Verantwortung zu stehen. Diese Vereine haben eine besondere Wucht. Wenn es gut läuft, lässt sich viel bewegen. Umgekehrt muss man stabil bleiben, wenn es nicht so gut läuft. Dann kann es schnell ungemütlich werden. Deshalb habe ich in Stuttgart und Wien großartige Erfahrungen gesammelt, weil es bei beiden Klubs am Anfang relativ windig war. In Wien beispielsweise hatten die Fans Unterschriften für meinen Vorgänger gesammelt. Entscheidend ist, dass man den Verein und sein Umfeld schnell versteht. Wenn das gelingt, kann es sehr viel Spaß machen.

fussball.news: In Stuttgart hatten Sie als Interimstrainer eine kurze, aber intensive Zeit. Hat Sie die Entwicklung des Klubs seitdem – von Rang 16 zur Vizemeisterschaft – überrascht?

Wimmer: Als allererstes freut es mich, dass der VfB Stuttgart eine so fantastische Entwicklung genommen hat. Ich kenne noch viele Spieler und habe einen guten Draht zu den Vereinsverantwortlichen. Insbesondere haben es die treuen Fans verdient, dass der Verein so erfolgreich ist. Sowas geht aber nicht von heute auf morgen, sondern wie bei einem Hausbau muss ein Stein auf den anderen passen. Auch dank unserer Arbeit konnten wir den Verein stabilisieren und unseren Beitrag leisten. Von sieben Pflichtspielen haben wir immerhin drei gewonnen und sind im Pokal weiterkommen. Mit der Verpflichtung von Sebastian Hoeneß hat der Verein eine richtig coole Entscheidung auf der Trainerposition getroffen. Das passt perfekt zusammen.

fussball.news: Einige der Spieler, die später durchgestartet sind, durften Sie mitformen. Etwa Enzo Millot. Was sagen Sie zu einer Entwicklung?

Wimmer: Enzo hatte nach seinem Wechsel von Monaco nach Stuttgart zunächst Anlaufschwierigkeiten. Aber er ist ein begnadeter Fußballer, der damals noch nicht ganz so weit war, um sofort in der Bundesliga helfen zu können. Uns war aber klar, dass er durchstarten kann. Wir haben immer noch Kontakt und ich freue mich, dass er die Kurve gekriegt hat. Auch Chris Führich war damals schon da und begnadet. Er war nicht umsonst bei der Europameisterschaft dabei. Es hat sich gezeigt, dass die Jungs etwas Entwicklungszeit brauchen. Die haben sie bekommen und jetzt prägen sie das Team.

fussball.news: Sie sprechen Chris Führich an. War seine Spielweise, diese permanente Suche nach Eins-gegen-Eins-Duellen, damals zu riskant im Kampf um Punkte?

Wimmer: Ich weiß nicht, ob es seine Spielweise ist, die zu riskant ist. Ein Spieler wie Chris Führich, der ständig Eins-gegen-Eins-Duelle sucht, benötigt unheimlich viel Selbstvertrauen. Gerade im Abstiegskampf hast du nicht immer diese breite Brust. Die Phase, als der VfB von Sieg zu Sieg eilte, hat ihm sehr gutgetan und seine Spielweise kam richtig zum Tragen. Er hat bewiesen, welch enormes Talent in ihm steckt.

Wataru Endo ist mit Sicherheit ein Spieler, der auf den ersten Blick etwas unauffälliger agiert. Sein Spiel ist sehr mannschaftsdienlich und er lässt andere glänzen. Waturo zählt zu der Sorte Spieler, bei der man erst merkt, wie gut er ist, wenn er einmal fehlt oder nicht mehr im Team ist. Er war ein Kapitän, der immer vorangegangen ist und sehr wichtig für den VfB war.

fussball.news: Ihr Strippenzieher im defensiven Mittelfeld war Waturo Endo. Konnten Sie den Gedanken von Jürgen Klopp, ihn zum FC Liverpool zu holen, verstehen?

Wimmer: Warum ein Klub einen Spieler holt, kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Aber Endo ist mit Sicherheit ein Spieler, der auf den ersten Blick etwas unauffälliger agiert. Sein Spiel ist sehr mannschaftsdienlich und er lässt andere glänzen. Waturo zählt zu der Sorte Spieler, bei der man erst merkt, wie gut er ist, wenn er einmal fehlt oder nicht mehr im Team ist. Er war ein Kapitän, der immer vorangegangen ist und sehr wichtig für den VfB war.

fussball.news: Trauen Sie dem VfB eine Wiederholung des Erfolgs zu?

Wimmer: Warum nicht? Ich würde es dem VfB wünschen. Trotz der Niederlage im Supercup in Leverkusen hat die Mannschaft sehr gute Ansätze gezeigt und streckenweise begeisternden Fußball gespielt.

fussball.news: Nach Ihrer Zeit in Stuttgart zogen Sie weiter zu Austria Wien. Mussten Sie sich fußballerisch komplett umstellen?

Wimmer: Das würde ich so nicht sagen. Wir hatten beispielsweise mit Alexis Tibidi einen Spieler beim VfB, der zu Altach verliehen war. Von daher habe ich mir die Spiele angeschaut und etwas mitgenommen. Mit Lukas Mühl gab es bei Austria zudem schon einen Spieler, den ich kannte. Aber die Liga habe ich erst richtig kennengelernt, als die Runde losging. Es ist schon ein Unterschied, wenn man aus der Bundesliga kommt und dann in Stadien spielt, wo teilweise nur 1.000 oder 2.000 Zuschauer sind, doch Österreich macht sich oftmals kleiner, als es tatsächlich ist. Der Fußball in der Liga ist ordentlich und Mannschaften wie Salzburg, Linz oder Graz zeigen, dass sie auch international mitspielen können.“

fussball.news: : Gibt es dennoch Unterschiede zwischen den Ligen mit Blick auf die Komponenten Tempo oder Qualität?

Wimmer: Das lässt sich nicht abstreiten. In Österreich gibt es sehr gute Fußballer, aber in Sachen Dynamik, Athletik, Spielgeschwindigkeit und Tempo gibt es schon Unterschiede zur Bundesliga. Als ich nach Wien kam, habe ich bei den ersten Einheiten geprüft, auf welchem athletischen Stand das Team war. Stuttgart war da insgesamt höher einzustufen. Dadurch musste ich bei der Trainingsplanung überlegen, wie ich an die Themen Belastungssteuerung, Dynamik und lange Spielformen herangehe. Insgesamt sind die Mannschaften in der 1. Liga in Deutschland in punkto Tempo und Athletik mehr gefordert.“

fussball.news: Nach 18 Monaten war dann aber Schluss bei der Austria, obwohl der 7. Platz und damit die Teilnahme an den Playoffs gesichert war. Blicken Sie dennoch zufrieden zurück auf Ihre Zeit in Wien?

Wimmer: Natürlich! Es waren 18 Monate bei einem Traditionsverein, bei dem ich viel mitgenommen und Erfolge gefeiert habe. Als ich Austria übernommen habe, gab es viel Unruhe. Wie bereits erwähnt, wollten die Fans meinen Vorgänger per Petition unbedingt behalten. Wir haben es geschafft, dass innerhalb weniger Wochen Ruhe eingekehrt ist. Dabei haben uns sicherlich die Ergebnisse geholfen. Dies hat mir gezeigt, dass mein Team und ich so eine Situation meistern können. Das hilft uns für die Zukunft. Wenn uns ein Klub holt, dann herrscht dort höchstwahrscheinlich Unruhe, weil ein Trainer entlassen wurde. Mein Team und ich haben inzwischen zweimal bewiesen, dass wir in einer solchen Lage zügig für Ruhe sorgen können. Ich bin deshalb auch im Nachhinein davon überzeugt, dass wir unser Ziel bei der Austria erreicht hätten. Am Ende hat der Verein die Entscheidung getroffen und wir mussten sie akzeptieren.

Am wichtigsten ist Empathie gegenüber Spielern und Mitarbeitern. Wenn es unruhig ist, dann ist das Selbstvertrauen bei allen Beteiligten im Keller. Zwar sind für die Spieler Taktik und Systeme wichtig, aber am Ende geht es um Menschen, die aufs Feld gehen und Vertrauen benötigen. Jeder muss sein Ego hintenanstellen, auch der Trainer. 

fussball.news: Sie haben zurecht erwähnt, zweimal bei unruhigen Umfeldern für Ruhe gesorgt zu haben. Was sind die Stellschrauben, an denen Sie drehen mussten?

Wimmer: Am wichtigsten ist Empathie gegenüber Spielern und Mitarbeitern. Wenn es unruhig ist, dann ist das Selbstvertrauen bei allen Beteiligten im Keller. Zwar sind für die Spieler Taktik und Systeme wichtig, aber am Ende geht es um Menschen, die aufs Feld gehen und Vertrauen benötigen. Jeder muss sein Ego hintenanstellen, auch der Trainer. Es geht darum, ein Team zu formen und für die Spieler da zu sein. Wir geben ihnen Hilfestellungen und einen Plan an die Hand. Dabei müssen die Inhalte so einfach wie möglich gehalten werden, weil die Gedanken sowieso überall sind: `Was passiert, wenn ich heute verliere? Was ist, wenn ich wieder nicht meine Leistung abrufe? ` Um aus dieser Negativspirale herauszukommen, benötigt eine Mannschaft Erfolge. Darum ist mein Credo, dass meine Mannschaft agiert und dominant auftritt, denn nur so holen sich die Spieler das nötige Selbstvertrauen.

fussball.news: Und das Umfeld…?

Wimmer: In Wien hat es mir geholfen, dass ich offen für Gespräche mit den Fans war. Das habe ich zu meiner Zeit in Stuttgart gelernt, als wir auf US-Tour in Austin waren und wir uns Zeit für die Fans genommen haben. Es ist bei einem Traditionsverein wichtig, die Sichtweise der Anhänger zu verstehen. In Wien war es so, dass die Fans sauer waren, weil der vorherige Trainer sehr beliebt war. Ihre Wut hatte aber nichts mit mir zu tun. Ein Fan hatte mir gesagt: „Du bist jetzt hier und wir beäugen dich.“ Diese Einstellung finde ich legitim. Aber sie haben mir eine Chance gegeben. Und dann liegt es an mir, authentische, ehrliche Arbeit abzuliefern. Und wenn diese Arbeit gut ankommt, dann kommt das auch bei den Fans gut an. Und nachdem sie mich akzeptiert hatten und wir Ergebnisse geliefert haben, ist schnell Ruhe eingekehrt.“

fussball.news: Wenn sich ein neuer Klub um Sie bemüht: Was für einen Trainer dürfen die Fans dann erwarten?

Wimmer: Ich bin ein emotionaler Typ, der für Intensität steht und von seiner Mannschaft verlangt, dass sie aus einer Kontrolle in eine Dynamik und Zielstrebigkeit kommt. Diese drei Worte predige ich ständig. Wir wollen Kontrolle, Dominanz und Dynamik. Vor allem bei Traditionsvereinen ziehen die Fans sofort mit, wenn die Spieler dynamisch agieren und Zweikämpfe mit hoher Intensität bestreiten. Dann geht ein Raunen durchs Stadion, was mir sehr gut gefällt, weil ich selbst ein emotionaler Typ bin.