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Familie aus Hannover fällt auf dubiose Baufirmen herein

Familie aus Hannover fällt auf dubiose Baufirmen herein

Hannover. Das ist wohl der Albtraum jedes Bauherrn: Familie Michel aus Barsinghausen hat angeblichen Baufachleuten die Totalsanierung des elterlichen Bauernhof-Wohnhauses anvertraut – mit schlimmen Folgen. Während der Umbauphase schossen die geforderten Abschläge in kaum nachvollziehbare Höhen, aber nichts wurde fertig. Das Haus ist jetzt laut Gutachter ein Totalschaden.

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Aber obwohl aus Sicht der Familie und ihres Rechtsanwalts einiges dafür spricht, dass sie gezielten Betrügern aufgesessen sind, ermittelt die Justiz nur sehr schleppend. Inzwischen hat der Anwalt, Wirtschaftsstrafrechtler Manfred Parigger aus Hannover-Kleefeld, Verfassungsbeschwerde eingereicht. Er sei „maßlos enttäuscht von unserem Rechtssystem“, sagt er: „Hier wird ein Bürger, der sich gegen Betrüger wehrt, von den Ermittlungsbehörden und der Justiz im Regen stehen gelassen.“

„Experten für Altbausanierung“: Bauschäden und Statikprobleme

Das Haus ist Teil des alten Bauernhofs der Familie Michel in Barsinghausen-Bantorf. Als Klaus und Sonja Michel 2019 ihr viertes Kind erwarten, verabreden sie mit Klaus Michels Vater, das Haus so zu sanieren, dass die Familie darin wohnen und er eine Einliegerwohnung beziehen kann. Seitdem sind nach Angaben von Michel rund 695.000 Euro an die beauftragte Baufirma geflossen. Doch was an Gegenleistung erbracht wurde, sieht erbärmlich aus. Das Dach ist teils neu gedeckt, die Fassade ist übergepinselt – allerdings bevor grundlegende Arbeitsschritte erledigt wurden wie der vereinbarte Austausch der Fenster.

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Einem Gutachten zufolge, das für die inzwischen angestrengten Prozesse erstellt wurde, ist das Haus jetzt ein nahezu irreparabler Sanierungsfall. Denn für einen Aufzug, der im Inneren Barrierefreiheit herstellen sollte, wurde offenbar ohne Rücksicht auf statische Erfordernisse an den zentralen Balken herumgesägt. „Der Schaden beläuft sich mittlerweile auf eine fast siebenstellige Summe, und dafür ist das Haus zur Ruine kaputtsaniert worden“, sagt Michel bitter.

Testlauf für großes Investitionsprojekt

Beruflich ist Michel als Chefarzt in der Unfall- und Kinderchirurgie einer norddeutschen Klinik beschäftigt. Seiner Darstellung zufolge hatte ein alter Bekannter, mit dem er früher mal einen Kursus belegt hatte, ihn an die mutmaßlichen Betrüger herangeführt. Erst ging es darum, ob Michel bei einem Immobilienprojekt in Hamburg investieren wolle. Nachdem die angeblichen Baufachleute aber davon erfuhren, dass die Familie ein eigenes Haus modernisieren wollte, gaben sie sich Michel zufolge als Experten für Altbausanierung aus und überzeugten das Ehepaar, das Barsinghäuser Bauernhaus gewissermaßen als Testlauf für das große Investitionsprojekt zu stemmen.

Fühlen sich von der Justiz alleingelassen: Klaus und Sonja Michel wollten das elterliche Bauernhof-Wohnhaus in Barsinghausen-Bantorf sanieren lassen.

Fühlen sich von der Justiz alleingelassen: Klaus und Sonja Michel wollten das elterliche Bauernhof-Wohnhaus in Barsinghausen-Bantorf sanieren lassen.

„Anfangs hieß es sogar, dass sie das zum Selbstkostenpreis machen wollten“, erinnert sich Michel. „Ja, als Pilotprojekt“, sagt seine Frau. Und bei beiden schwingt Bitterkeit mit. „Ich bin noch nie an Betrüger geraten, ich hätte es nie für möglich gehalten“, sagt Klaus Michel. „Schon gar nicht über angebliche Freunde“, sagt Sonja Michel.

Kernsanierung vom Keller bis zum Dach

Geplant war eine Kernsanierung vom Keller bis zum Dach. Zuvor hatte eine Fachfirma aus Hessisch Oldendorf das Projekt für rund 400.000 Euro angeboten, plus Kosten für den Aufzug. Die dubiosen Fachleute hingegen machten sich offenbar nicht mal die Mühe, die Summe zu unterbieten. „Sie sagten, dass solche Angebote sowieso nie realistisch seien, sie würden es gleich richtig machen“, sagt Klaus Michel: „Etwa 550.000 Euro für alles, hieß es, und dafür wollten sie nach vier Monaten komplett fertig sein.“ Es sollte im Sommer 2019 losgehen. Die Familie könne so lange in einen Wohnwagen ziehen.

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Schlimmer als ein Rohbau: Obwohl hohe Beträge an die Baufirmen geflossen sind, sieht das Haus eher nach einer Ruine aus. Nach Angaben eines Gutachters wurden die begonnenen Arbeiten unfachmännisch ausgeführt.

Schlimmer als ein Rohbau: Obwohl hohe Beträge an die Baufirmen geflossen sind, sieht das Haus eher nach einer Ruine aus. Nach Angaben eines Gutachters wurden die begonnenen Arbeiten unfachmännisch ausgeführt.

Nur eine Bedingung habe es gegeben: Rund 150.000 Euro Anzahlung seien fällig. Schließlich müsse ja Material bestellt werden, damit es dann auch schnell geht.

Anfangs war alles sehr charmant

Sehr charmant sei alles anfangs gewesen, sagt Sonja Michel. Man habe sich zum Essen mit Ehepartnern getroffen. Am 15. Juli 2019 sei es losgegangen. Bauarbeiter seien gekommen und hätten mit dem Abriss angefangen. Zum ersten Mal wurde die Familie misstrauisch, als sich die Firma meldete, bei der angeblich die Fliesen bestellt und bezahlt worden sein sollten. Aber erst seien sie nicht konkret beaufragt gewesen, dann nach Lieferung nicht abgerufen und schließlich erst verspätet bezahlt worden, sagt Michel. Später habe sich herausgestellt, dass auch die Fenster nicht bestellt wurden und auch der Aufzug nicht. Für all das aber seien in enger Taktung immer wieder neue Abschläge eingefordert worden.

Wir wollten natürlich verhindern, dass wir mit vier Kindern im Winter ohne Haus dastehen.

Klaus Michel,

betroffener Hauseigentümer

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Ab August wuchs das Misstrauen, ab September wurde der Ton rauer. Aber offenbar ließen sich die Michels erst hinhalten und fühlten sich später unter Druck gesetzt. „Es hieß immer, es sei jetzt noch diese eine Rate nötig, damit es weitergeht – und wenn diese Rate nicht gezahlt werde, dann werde die Baustelle stillstehen“, sagt Klaus Michel: „Aber wir wollten natürlich verhindern, dass wir mit vier Kindern im Winter ohne Haus dastehen.“

Baufirma: Viele Sonderwünsche

Der Anwalt der Baufirma stellt die Abläufe auf Anfrage dieser Redaktion anders dar. Die Bauherren hätten nach Auftragsabstimmung noch Sonderwünsche geäußert, hätten später „vorsätzlich vertragswidrig“ gehandelt und zudem mit ihrer Kritik am mangelnden Baufortschritt das Vertrauensverhältnis unterminiert. Das Gebäude sei in einem schlechteren Zustand als angenommen gewesen, und ohnehin sei ein verbindlicher Fertigstellungstermin damals „nicht vereinbart“ gewesen. Darüber hinaus hätten die Bauherrn einen „beträchtlichen Brandschaden“ verschwiegen. Nach Angaben von Klaus Michel handelt es sich um einen leicht angekohlten Balken aus einem Vorgängerhaus, der dort beim Bau des Hauses um 1918 als Recyclingmaterial eingebaut wurden sei – und wohl schon seit Anbeginn leichte Schmauchspuren hatte.

Provisorische Stützen und defekte Wände: Dem einst stolzen Bauernhaus sieht man nicht an, dass die Bauherrn bereits Hunderttausende Euro an Baufirmen bezahlt haben.

Provisorische Stützen und defekte Wände: Dem einst stolzen Bauernhaus sieht man nicht an, dass die Bauherrn bereits Hunderttausende Euro an Baufirmen bezahlt haben.

Obwohl die Bausumme bis Ende 2019 längst auf 825.000 Euro hinaufgesetzt worden war, sowohl wegen zusätzlicher Wünsche als auch wegen des erheblichen Mehraufwands, stellten die Anwälte der Baufirma es in einem Schreiben von 2020 als „lebensfremd“ dar, das Haus für diesen Betrag umzubauen. Jetzt seien schon 1,1 Millionen Euro brutto fällig, fordern sie in dem Schreiben. Und wie schon zuvor immer heißt es: Nur wenn diese Summe nun wieder zugesagt werde, dann werde das Haus kurzfristig fertig saniert.

Nichts ist zu Ende gebracht: Die Südwestseite des Bauernhauses der Familie Michel, immer noch mit Gerüst und Provisorien.

Nichts ist zu Ende gebracht: Die Südwestseite des Bauernhauses der Familie Michel, immer noch mit Gerüst und Provisorien.

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Strafanzeige erstattet

Diesmal ließen sich die Michels nicht mehr darauf ein, sondern erstatteten Strafanzeige. Später bekamen sie mit, dass die fragliche Baufirma der Stiftsgemeinde in Wunstorf im Frühsommer 2020 ein Haus abgekauft hat, das ebenfalls saniert werden sollte – laut Zeitungsberichten für den Kaufpreis von fast 800.000 Euro. „Ich bin mir sicher, dass das der Betrag ist, den sie von mir erhalten haben“, ärgert sich Klaus Michel. Es handelt sich um die sogenannte Neue Dechanei Wunstorf. Sie wurde inzwischen weiterverkauft, die neuen Eigentümer wollen jetzt den Umbau starten.

Wenn ich eine Leistung erbringe, von der ich weiß, dass sie unzureichend sein wird, dann ist das Betrug.

Manfred Parigger,

Fachanwalt für Wirtschafts- und Strafrecht

Hat die umstrittene Baufirma, die von den Michels so viel Geld ohne zufriedenstellende Gegenleistung erhalten hat, die Summen also schneeballmäßig zur Finanzierung anderer Projekte genutzt? Man weiß es nicht. Denn obwohl es in der Folge etliche Durchsuchungen und Vernehmungen gegeben hat, kamen bei den Ermittlungen keine greifbaren Ergebnisse heraus. Verhörergebnisse würden „bagatellisiert“, ermittelnde Beamte ließen sich mit lapidaren Aussagen abspeisen, kritisiert Rechtsanwalt Parigger. Zwischenzeitlich hätten Kriminalbeamte dem Bauunternehmen sogar eine „vorbildliche Buchführung“ bescheinigt – obwohl es laut Anwalt Parigger Indizien dafür gebe, dass Rechnungen fingiert waren. Alles gehe so langsam, dass Durchsuchungsbeschlüsse, die im Sommer 2021 ausgestellt wurden, im Folgejahr neu beantragt werden mussten, weil sie nicht mehr gültig waren, heißt es jetzt in der Verfassungsbeschwerde.

Anwalt: „Betrug am Bau ist sehr schwierig abzugrenzen“

„Betrug am Bau ist sehr schwierig abzugrenzen: Was sind Mängel, und was ist wirklich betrügerische Handlung?“, sagt Anwalt Parigger. In diesem Fall deute aber viel darauf hin, dass es sich um Betrug handele. „Selbst wenn die Firma anfangs vorgehabt haben sollte, zu sanieren, dann hätten die Verantwortlichen irgendwann merken müssen, dass sie das Projekt gar nicht beherrschen.“ Eine Firma habe dann „die Pflicht, die Reißleine zu ziehen“, sagt Parigger. „Denn wenn ich eine Leistung bezahlen lasse, von der ich weiß, dass sie unzureichend sein wird, dann ist das Betrug.“

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Risse in den Wänden, bröckelnder Innenputz und ein provisorischer Boden: Das Haus sieht nach den begonnenen Arbeiten ruinös aus.

Risse in den Wänden, bröckelnder Innenputz und ein provisorischer Boden: Das Haus sieht nach den begonnenen Arbeiten ruinös aus.

Ein Hauptverdächtiger soll bereits ausgewandert sein. Mögliche Verbindungen der beschuldigten Bauunternehmer zu dem unter schwerem Betrugsverdacht stehenden Immobilienunternehmen German Property Group aus Langenhagen und dessen Tochtergesellschaft Red-Rock Capital AG seien von den Ermittlern nicht ernsthaft verfolgt worden, bemängelt Bauherr Michel. Und als es endlich dazu kam, dass die Behörden die von der Wunstorfer Stiftskirchengemeinde für knapp 800.000 Euro gekaufte Immobilie mit Beschluss des Amtsgerichts Hannover unter Vermögensarrest stellen wollten, war diese laut Ermittlungsbericht bereits an eine Gesellschaft in Hamburg verkauft worden. Deren Geschäftsführer soll bis April 2022 bei der fraglichen Baufirma gearbeitet haben, die das Geld von Klaus Michel und seiner Frau kassiert hat.

Jahre vergangen

Es seien seit der Tat Jahre vergangen, in denen „den Beschuldigten viel Zeit blieb, Beweise zu vernichten“, schreibt Rechtsanwalt Parigger im Sommer 2023 in einem sogenannten Klageerzwingungsverfahren beim Oberlandesgericht Celle (OLG). In dem forderte er, dass die Strafverfolgungsbehörden endlich Anklage erheben gegen die mutmaßlichen Baubetrüger. Weil es auch dazu wieder eine ablehnende Entscheidung gab, ist der Vorgang jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht gelandet, wo er seit einem Jahr liegt.

Damit steht eine mögliche strafrechtliche Aufarbeitung auch vier Jahre später weiterhin aus. Hannovers Erste Staatsanwältin Kathrin Sökfker weist aber den Vorwurf zurück, dass nicht ernsthaft ermittelt worden sei. „Die Staatsanwaltschaft Hannover hat nach Anzeigeerstattung umfangreiche Ermittlungen gegen fünf Beschuldigte geführt. In dem Zusammenhang wurden Objekte an fünf Standorten in verschiedenen Bundesländern durchsucht und diverse Beweismittel sichergestellt und ausgewertet. 2022 haben wir das Verfahren eingestellt, weil sich nach Auswertung der Beweismittel der Anfangsverdacht eines Betruges nicht erhärten ließ“, teilt sie mit. Die Generalstaatsanwaltschaft Celle habe die Entscheidung der Staatsanwaltschaft später auf eine Beschwerde hin nochmals überprüft und bestätigt, dass das Verfahren zu Recht eingestellt wurde, betont Söfker.

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Blick auf die Hofstelle: Hier haben die Eltern von Klaus Michel gewohnt, das Haus sollte für die sechsköpfige Familie – plus eine Altenteilwohnung – modernisiert werden.

Blick auf die Hofstelle: Hier haben die Eltern von Klaus Michel gewohnt, das Haus sollte für die sechsköpfige Familie – plus eine Altenteilwohnung – modernisiert werden.

Ins Nachbargebäude gezogen

Die Familie ist mittlerweile in ein Nachbargebäude gezogen. Von dort blickt sie täglich auf das alte Familienbauernhaus. Klaus Michel führt Besucher durch die ruinöse Baustelle, wo mittlerweile schwere Risse das mehr als 100 Jahre alte Mauerwerk durchziehen und man die Stümpfe der unfachmännisch zersägten Balken sieht. „Hier wäre ich gern mit meiner Familie eingezogen“, sagt er, „aber jetzt wird es wohl eher auf einen Abriss hinauslaufen.“

HAZ